Mit der Abnahme von legalen Beschäftigungsmöglichkeiten von Migrantinnen nehmen die illegalen bzw. illegalisierten Beschäftigungsverhältnisse im informellen Sektor zu, wobei die Interessen und der Bedarf einheimischer AkteurInnen nach solchen Arbeitskräften eine wichtige Rolle spielen. Einerseits ist Frauenarbeit typisch für diesen informellen Sektor, andererseits sind gerade Sexgewerbe und Haushalt typische informelle Arbeitsbereiche.
Zugespitzt lässt sich sagen, dass die vorherrschenden restriktiven Einwanderungsbestimmungen in der Schweiz und in fast allen westeuropäischen Ländern den Menschen- resp. Frauenhandel fördern. In diesen Staaten bleiben Migrantinnen aus Ländern des Südens und Osteuropas abgesehen von wenigen Ausnahmen meist für hochqualifizierte Arbeitskräfte legale Aufenthalts- und Arbeitsmöglichkeiten de facto verwehrt.
Die Mehrheit der Frauen reist mit einem für maximal drei Monate gültigen TouristInnenvisum ein. Eine Erwerbstätigkeit ist für TouristInnen jedoch verboten und sogenannte Schwarzarbeit aufgrund "illegalen" Aufenthalts verstösst gegen das AusländerInnengesetz und wird mit Busse, Ausweisung sowie Einreisesperre bestraft. Dadurch werden Migrantinnen in die Illegalität abgedrängt.
In der Schweiz können Frauen mit einem sogenannten "Tänzerinnen-Visum" in Cabarets und Nachtclubs als Kurzaufenthalterinnen für maximal acht Monate pro Kalenderjahr arbeiten. Da die Aufenthaltsbewilligung an den entsprechenden Arbeitsvertrag gekoppelt ist, bedeutet der Stellenverlust die Rückkehr bzw. die Ausschaffung ins Herkunftsland. Diese Arbeitsmöglichkeit bedeutet für Migrantinnen einerseits zwar eine Entlastung, da der Druck der Illegalität für eine kurze Zeit wegfällt; andererseits werden Migrantinnen in den Sexbereich kanalisiert, da ihnen legale Tätigkeiten in anderen Arbeitsbereichen verunmöglicht werden.
Um eine legale Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu erlangen, gibt es nur die Möglichkeit der Migration zwecks Heirat bzw. Ehe. Damit wird im Rahmen der Einwanderungspolitik die Unterworfenheit von Migrantinnen in der Ehe offensichtlich, da ihr Aufenthalt während der ersten fünf Jahre vom Bestand der Ehe abhängig ist. Dies bedeutet, dass Frauen innerhalb dieser Zeit keine Trennung bzw. Scheidung riskieren dürfen, da sie sonst ihre Aufenthaltserlaubnis verlieren. Die Folge davon ist eine verstärkte Abhängigkeit vom Ehemann.
Diese Zwangslage wird von vielen Ehemännern oft als Druckmittel eingesetzt, so dass Frauen jahrelange Gewalt in der Ehe ertragen müssen, um keine Ausschaffung bzw. Illegalisierung zu riskieren.
Gerade die illegalisierten bzw. halblegalen Verhältnisse, in denen sich viele Migrantinnen befinden, schaffen im Zusammenhang mit fehlenden (arbeits-) rechtlichen Normen ideale Bedingungen für den Profit. Denn Frauenhandel beruht grundsätzlich auf einer Kommerzialisierung der Beziehungen sowie der Körper von Frauen. Diese unterliegt kapitalistischen Verwertungsinteressen und bestimmt sich wie jeder Markt über die Nachfrage. Folgende Beispiele illustrieren diesen Sachverhalt: Nach Kalkulationen von INTERPOL verdient ein Zuhälter in Europa an einer Prostituierten ungefähr DM 210 000., d.h. rund Fr. 168 000. pro Jahr1.
Gemäss der Wirtschaftszeitung CASH2 wurden 1995 in der Schweiz 4,2 Milliarden Franken im Sexgewerbe umgesetzt. 60 Prozent davon sollen mit illegalisierter Prostitution erwirtschaftet worden sein. Die Prostitution macht zwei Drittel der gesamten Sexindustrie aus rund 350 000 Schweizer Männer besuchen jährlich mehrmals Bordelle.
1 Vgl. Le Monde diplomatique, Februar 1999, S. 7 2 Vgl. CASH, 13. Oktober 1995 * Maritza Le Breton ist Mitarbeiterin des Fraueninformationszentrums für Frauen aus Afrika, Asien und Lateinamerika (FIZ) in ZürichFIZ Das Fraueninformationszentrum für Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa engagiert sich im Kampf gegen den Frauenhandel und bietet betroffenen Frauen Beratung.FIZ, Quellenstrasse 25, 8005 Zürich. Tel 01/271 82 82, Fax 01/272 50 74. E-Mail: fiz-mail@access.ch
antagem Anthropologists Against Genital Mutilations, c/o Charlotte Beck-Karrer, Rabbentalstr. 77, 3013 Bern, Tel/Fax +41-31 332 48 28
Terre des Femmes e.V. Menschenrechte für die Frau: Konrad Adenauer-Strasse 40, Postfach 2565, D72015 Tübingen. Tel. +49 7071 79 73 0
antagem (Hrsg.): "Weibliche Genitalver-stümmelung ", Bern, 1994. Informationsbroschüre, SFr. 5. + Porto. Bei: antagem, c/o Charlotte Beck-Karrer (s. oben)
Charlotte Beck-Karrer: "Löwinnen sind sie. Gespräche mit somalischen Frauen und Männern über Frauenbe-schneidung", Bern: eFeF-Verlag, 1996
Yvonne Denise Köchli: "Gebrochenes Schweigen". In: Weltwoche, Nr. 47/1998 (www.weltwoche.ch/4798/47.98.beschneidung1.html)
Hanny Lightfoot-Klein: "Das grausame Ritual. Sexuelle Verstümmelung afrikanischer Frauen", Frankfurt a. M., 1992
Petra Schnüll/Terre des femmes (Hrsg.): "Weibliche Genitalverstümmelung. Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung", Göttingen, 1999. Textsammlung, DM 15. plus Porto. Bei: Terre des femmes e.V. (s. oben)
WHO: "Female Genital Mutilations Mutilations séxuelles féminines: Information kit". Genf, 1994. Bei: WHO, Division of Family Health, 1200 Genève.
Das Fraueninformationszentrum hat im September eine Petition für ein Schutzprogramm für Betroffene von Frauenhandel lanciert. Seit langem macht das FIZ die Erfahrung, dass Frauenhandel in der Schweiz nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit bekämpft wird. Insbeondere ein Grund, der von den Behörden dafür immer wieder angeführt wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Ausrede: Die Klage über mangelnde "Kooperationsbereitschaft" seitens der betroffenen Frauen. Dies ist aber begreiflich, gibt es doch in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Staaten bisher keinerlei Schutz oder Sicherheitsgarantien für vom Frauenhandel Betroffene; im Gegenteil, selbst im seltenen Falle eines Verfahrens können von Frauenhandel Betroffene nur mit einem rechnen dass sie anschliessend ausgeschafft werden. Ob sie selbst oder ihre Angehörigen gefährdet sind, kümmert den Schweizer Staat bis anhin wenig.Unterschriftenbögen für die Petition können bei obenstehender Adresse bezogen werden.
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