"Nie wieder Auschwitz" und "Nie wieder Krieg" lassen sich in Friedenszeiten locker in einen Satz packen. Doch während der Auseinandersetzungen um Kosov@ wurde daraus ein Dilemma, das die Friedensbewegten gespalten hat. Darf Europa in einen Konflikt eingreifen oder nicht? Soll die NATO bombardieren oder nicht? Und wer übernimmt wie und wo den humanitären Part? Kriege werden zum Reality-Game der Mächtigen, Opfer zum dabei anfallenden und zu verwaltenden "Flüchtlingsgut", das sich im Zuge globaler Mobilitätsmöglichkeiten raschest um den Erdball verschieben lässt. Dies alles unter dem Titel des Schutzes und der Verteidigung der Menschen- und Frauenrechte.
In ihrem Diskussionsbeitrag "Militärmachismo und der Kniefall der Zivilgesellschaft" beschreibt Susanne Kappeler verschiedene Positionen und entlarvt darin militärische Zerstörungskampagnen und karitative Aufräumarbeit als zusammengehörende und sich ergänzende Teile einer strukturellen Kriegsgesellschaft. Die tägliche Berichterstattung der Medien während des Kosov@-Krieges zeigte in voyeuristischer Art gezielt Frauen und Kinder in der Opferrolle. Sie stehen symbolisch für die ganze betroffene Zivilbevölkerung. Kappeler beleuchtet diese Feminisierung der Opfer und analysiert die ideologische Polarisierung der kulturellen Männlichkeit und Weiblichkeit im Rahmen kriegsbetonter Gesellschaftswerte, die letztlich einer martialen Männlichkeit zum Vorwand kriegerischer Beschützung von macht-, wehr- und waffenloser Weiblichkeit dienen. Damit wird die Dokumentation des tatsächlichen Krieges und der Subjekte kriegerischer Aggression hinfällig und das Zentrum der Macht bleibt unangetastet.
Der "Widerspruch 37" bietet noch viele weitere interessante Hintergrundanalysen zu den Themen "Flüchtlinge, Migration und Integration". Helmut Dietrichs Schau einer Europäischen Flüchtlingspolitik zeigt auf, mit welchen Mitteln und welcher Logistik Europa heute versucht, Flüchtlingsbewegungen zu erkennen und zu blockieren. Wie Kosov@ als Testfeld für die neue Migrations- und Asylpolitik der EU eingesetzt und damit die Demontage des Asylrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention vorangetrieben wird, beschreiben Claudia Roth und Mark Holzberger. Joerg Dietziger zeigt am Beispiel kurdischer Vertriebener aus der Türkei auf, wie die Schweizer Exportwirtschaft Flüchtlinge produziert. Wie wiederum in der Schweizer Wirtschaft nichts ohne Migrantinnen geht, beschreibt Simone Prodolliet. In welch engem Zusammenhang Frauenhandel mit Strukturveränderungen globaler und regionaler Ökonomien steht und wie die vorherrschenden restriktiven Einwanderungsbestimmungen in der Schweiz und in Westeuropa diesen Handel fördern, führt schliesslich Maritza Le Breton Baumgartner in ihrem Beitrag aus.
Diese Beispiele stehen nur stellvertretend für einen insgesamt sehr lesenswerten und in seinem Themenspektrum umfassenden Band, der trotzdem Platz in jeder Handtasche findet und für einige längere Zugfahrten spannenden Lesestoff hergibt.
Cornelia MayingerWiderspruch 37: Flüchtlinge, Migration und Integration. Juli 1999, Zürich. 216 S., Fr. 21..
Zu beziehen bei: Widerspruch, Postfach, 8026 Zürich. Tel/Fax 01/273 03 02.
E-Mail: widerspruch@access.ch
http://www.access.ch/widerspruch
Inhaltsübersicht | nächster Artikel |