An ihrem Gipfeltreffen in Tampere billigten die EU-Staats- und Regierungschefs diesen Oktober den Abschlussbericht der Ende 1998 eingesetzten Hochrangigen Gruppe Asyl und Migration. Die Gruppe sollte einen "integralen Ansatz" in der Migrations- und Asylpolitik entwickeln, um den Ursachen von Flucht und Migration zu Leibe zu rücken. Neben der von den Innen- und Justizministern dominierten Migrations- und Asylpolitik sollen gemäss ihrem Bericht auch humanitäre, wirtschafts-, entwicklungs- und aussenpolitische Überlegungen zum Zug kommen. Wichtige Bestandteile dieses Ansatzes, so erklärt die Gruppe, seien die Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung. Armut soll beseitigt, Konfliktprävention und Versöhnung in den betroffenen Ländern unterstützt werden. Parallel zu diesen wohlklingenden und umfassenden Ansprüchen will die Gruppe weiterhin den Kampf gegen die illegale Migration intensivieren, wozu selbstredend auch Ausschaffungen und die Abschottung der Grenzen gehören.
Wie man sich diesen integralen Ansatz vorzustellen hat, zeigen fünf Aktionspläne zu verschiedenen Herkunftsländern bzw. -regionen, darunter Somalia.
Die Analyse der Situation Somalias, welche die Hochrangige Gruppe vornimmt, könnte durchaus einem Papier des UNHCR oder gar von amnesty international entstammen: "In Somalia gibt es kein Rechtssystem, das den Respekt von Menschenrechten oder des internationalen humanitären Rechts sichern würde. ( ) Der fehlende Respekt vor den oben genannten Prinzipien hat zu Verletzungen des Rechts auf Leben, insbesondere zu willkürlichen und summarischen Hinrichtungen geführt, zu Verstümmelungen und anderen grausamen, inhumanen oder degradierenden Behandlungen sowie zu Bestrafungen und Gewalt besonders gegen Frauen und Kinder." Geschlechtsspezifische Diskriminierungen seien weit verbreitet. "Bestimmte Gruppen von Minderheiten nicht somalischen ethnischen Ursprungs, insbesondere Bantu, Bravanese und Benadir" seien die Zielscheiben der Gewalt von Clan-Milizen.
Die Tatsache gravierender Menschenrechtsverletzungen kann die Arbeitsgruppe also nicht leugnen. Diese führt jedoch keineswegs zu einer sympathischen Analyse gegenüber somalischen Flüchtlingen, die den Weg nach Europa geschafft haben: Diese seien gar nicht aus Somalia, sondern zu 90% aus Kenia, rapportiert die Gruppe aus einem EU-Staat. Um Betrug beim Familiennachzug insbesondere älterer Menschen zu verhindern hätten einige EU-Staaten zu DNA-Analysen gegriffen. Viele Flüchtlinge behaupteten nur, verfolgt zu sein, suchten aber eigentlich die wirtschaftliche Sicherheit Europas, um die Familien zu Hause zu unterstützen.
Was die vorgeschlagenen Massnahmen im Aktionsplan für Somalia betrifft, zeigt sich ein typisches Ungleichgewicht. Die aussen- und entwicklungspolitischen Ziele die Unterstützung des Befriedungsprozesses zwischen den verfeindeten Clans, der Wiederaufbau des Landes u.ä. können allenfalls mittelfristig Erfolg haben. Kurzfristig setzt man im Umgang mit somalischen Flüchtlingen lieber auf die bewährten Methoden: Verhinderung von Nachfolgeanträgen, frühzeitige Kontrollen an den Flughäfen in Afrika, Suche nach Fluchtalternativen in den afrikanischen Nachbarstaaten, praktische Kooperation mit den somalischen "de-facto-Autoritäten" zur gemeinsamen Bekämpfung von Schleuserorganisationen, Aussortierung und Ausschaffung derjenigen, die nur behaupten, aus Somalia zu stammen, Ausschaffung von abgewiesenen Flüchtlingen und schliesslich, wenn irgend möglich, Programme der freiwilligen Rückkehr für jene, die man wegen der unsicheren Situation nicht per Dekret nach Somalia zurückschaffen kann.
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