Politisches Engagement als Selbstverständlichkeit

Erst ganz zum Schluss fiel dem Schreibenden auf, dass er gar nicht gefragt hatte, weshalb sich die Porträtierte überhaupt politisch engagiere. Wohl, weil sich diese Frage für sie selbst gar nie gestellt hat: Jenny Heeb oder Politik als selbstverständlicher Teil des Lebens.

Politisches Engagement kennt Jenny Heeb nämlich seit Kindesbeinen, ist sie doch in einer "politischen Familie" aufgewachsen: "Mein Vater und meine Mutter waren aktive PdA-Mitglieder." So hat sie auch den Antikommunismus Mitte der 50er Jahre miterlebt und -erlitten. Und so suchte sie sich bereits als Teenager ihr eigenes Politfeld: "Ich wollte mich auch von meinen Eltern abgrenzen und entschied mich deshalb für etwas ganz anderes: die Friedens- politik." Das war 1957, Algerien kämpfte gerade um seine Unabhängigkeit und Jenny Heeb trat dem service civil international (sci) bei, der sich auch um die Opfer in Nordafrika kümmerte: "Überall sonst war immer nur von den Ungarnflüchtlingen die Rede." Das sci-Sekretariat am Zürcher Gartenhof führte damals ein gewisser Hansjörg Braunschweig: "Als erstes habe ich mit ihm zusammen im Keller Kleider für Algerien sortiert."

Ein Jahr später schloss sich Jenny Heeb der Jugendbewegung gegen die atomare Aufrüstung an, die sich damals im Café Boy traf, "um an den Lippen des wortgewaltigen Heiri Buchbinder zu hängen" – des damaligen Trotzkisten und späteren Militärexperten der SPS, wie sie lachend erzählt. Der Kampf gegen die Atombewaffnung wurde damals zunehmend auf die Strasse getragen, erinnert sich Jenny Heeb. Sie selbst war zum Beispiel beim Marsch und Sitzstreik im englischen Aldermaston dabei (wo sie plötzlich quasi neben Bertrand Russell gesessen habe); aber auch am ersten Ostermarsch in der Schweiz: "1963 war ich als Frau eher eine Ausnahme in der Anti-Atombewegung. Dass in Genf mit Gisèle Peter aber eine Frau öffentlich eine Rede hielt, war schon etwas ganz Ausserordentliches!"

1965 ging Jenny Heeb für ein Jahr nach Algerien, um in einem sozialmedizinischen Programm des sci mitzuarbeiten. An die Zeit in Tlemcen erinnert sie sich noch heute gerne: "Die Arbeit selbst – ich war im Büro tätig – war nicht sonderlich spannend. Aber die Möglichkeit, einmal ein Land und Menschen ausserhalb Europas kennenzulernen, war etwas, von dem ich bis heute profitiere."

In der Friedenspolitik habe sie sich in den folgenden Jahren aus beruflichen Gründen nicht mehr so stark engagieren können. Mit dem Diplommittelschulabschluss in der Tasche hat Jenny Heeb viele verschiedene Stellen im kaufmännischen Bereich absolviert, bis sie schliesslich 1979 in der Ver-sicherungsbranche landete, in der sie bis zu ihrer Pensionierung tätig blieb. Allerdings sei der Kontakt zu Hansjörg Braunschweig und zum sci nie ganz abgebrochen: "Immer, wenn es mir die Arbeit erlaubte, habe ich auch am Gartenhof mitgeholfen, sei es beim Friedensrat oder bei der Internationale der Kriegsdienstverweigerer." Ihr ganz grosses Engagement in den 70er Jahren war aber die Mitenand-Initiative: "Vier Jahre lang haben Hansheiri Zürrer und ich Wochenende für Wochenende im ganzen Kanton Zürich Unterschriften gesammelt." Aber auch die erste Waffenausfuhr-Initiative oder das Volksbegehren für ein "Recht auf Wohnen" profitierten damals von Jenny Heebs Sammelenergie. Anfangs der 70er Jahre meldete sich Jenny Heeb dann auf einen Aufruf des cfd zur Betreuung von chilenischen Flüchtlingen: "Und da hatte ich auf einmal die Nase voll von der ganzen Politik. In meiner Naivität glaubte ich, da kämen jetzt lauter ‘gute‘ sozialistische und kommunistische Flüchtlinge – und dabei waren es ‘normale‘ Menschen mit all ihren Konsumwünschen."

Von Mitte 70er bis Mitte 80er Jahre hat sich Jenny Heeb fast vollständig aus der Politik zurückgezogen. Erst 1986, mit der Rückkehr aus Genf, wohin sie für fünf Jahre gezogen war, begann sie sich erneut zu engagieren. Sie trat zunächst wieder der SP bei, begann aber auch, alte und neue Kontakte zur Friedensbewegung zu suchen. Richtig den "Ärmel reingenommen" hat es ihr dann 1990 beim Golfkrieg und später bei der Umverteilungsinitiative. Damals stiess sie auch zu den Frauen für den Frieden, die sie bis dahin nur aus der Ferne kannte. Das Engagement in der reinen Frauenorganisation war für sie etwas Neues – und weckt bei ihr bis heute zwiespältige Gefühle: "Zuwenig politisch, zuwenig handfest", urteilt sie nach mehreren Jahren als Vorstandsmitglied der FfF Schweiz. Im Gegensatz dazu schätze sie jetzt die "mehr realpolitische als utopische Arbeit" im Vorstand des Friedensrates – mit einer Einschränkung: "Es ist schade, dass im gemischten Rahmen die Frauen immer noch im Hintergrund bleiben."

Neben der Arbeit im SFR-Vorstand ("meine politische Heimat") und bei der Regionalgruppe Zürich der Frauen für den Frieden führt Jenny Heeb auch das Zürcher Friedensforum weiter, den Zusammenschluss von Friedens- und Drittweltorganisationen auf dem Platz Zürich aus den 80er Jahren. Ein Engagement, dem sie aber ziemlich kritisch gegenüber steht: "Wenn sich dafür nicht wieder mehr Leute interessieren, dann müssen wir uns die Auflösung ernsthaft überlegen." Und weil sie seit einem Jahr dank der vorzeitigen Pensionierung endlich genug Zeit für die Politik hat, hat sich Jenny Heeb zwei weitere Ziele gesetzt: "Ich will mich dafür einsetzen, dass die SP friedenspolitische Anliegen wieder ernster nimmt. Und ich möchte dazu beitragen, dass die Friedensorganisationen wieder mehr zusammenarbeiten."

(db.)

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