Diesen Herbst startet die Schweizer Militäreinheit "Swisscoy" ihren friedenserhaltenden Einsatz in Kosov@, unter einem UNO-Mandat und unter dem Nato-Kommando. Er kostet die Schweiz etwa 50 Millionen Franken, rund ein Prozent von dem, was der Bund jährlich für das Militär ausgibt. Der Swisscoy-Beitrag ist vielleicht der sinnvollste Einsatz nach einem Jahr, in dem sich Soldaten in der Asylbetreuung, im Botschaftsschutz und bei der Lawinenräumung betätigt haben, alles Aufgaben, für welche sich das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) als zuständig erklärte und Sympathie zu schaffen versuchte. Ist das die neue Sicherheitspolitik, für die Bundesrat Adolf Ogi seine Angestellten, Bediensteten und die Öffentlichkeit begeistern will?
Die heutige Armee 95 ist das Planungsprodukt von Ende der achtziger Jahre, als nach dem Leopard-Panzerkauf das Militärbudget auf den Höchststand getrieben wurde. Die Art und Weise wie das damalige EMD die Beschaffung des F/A-18-Kampfflugzeugs oder den Bau des neuen Waffenplatzes in Neuchlen-Anschwilen durchgeboxt hat, zeigt die Ausrichtung dieses Konzepts: eine hochgerüstete Massenarmee, die 98 Prozent ihrer Mittel in die Landesverteidigung ab der Grenze steckt. Im geltenden Militärgesetz wurden aber bereits die Armeeaufgaben auf die internationale Friedensförderung und mit dem Assistenzdienst auf Einsätze in zivilen Bereichen ausgedehnt.
Die Grundlage für die Armee 95 war der "Sicherheitsbericht 90", der eine breite Analyse auch der gesellschaftlichen und zivilen Risiken und Gefahren enthielt. Daraus hätte eigentlich eine ebenso breit angelegte Sicherheitspolitik abgeleitet werden können, die Aufgaben und die Mittelverteilung hätten zugunsten der zivilen Politik umverlagert werden können. Umgesetzt wurde aus dem "Sicherheitsbericht 90" nur die Armeereform. Begonnen hat aber auch ein notwendiger Abbauprozess: durch den Spardruck sind die Militärausgaben seit 1987 bis heute um einen Viertel reduziert worden, der Armeebestand wurde auf 360 000 verkleinert, rund 5000 oder ein Viertel der Militärarbeitsplätze beim Bund wurden abgebaut. Der heutige Zwischenstand bei der Mittelverteilung sieht so aus: Für die "Friedensförderung" im engen Sinn stehen dieses Jahr dem VBS im militärischen Bereich und dem EDA im zivilen Bereich je knapp 30 Millionen zur Verfügung. In der internationalen Friedensförderung insgesamt stehen grosszügig berechnet und mit Einschluss der Entwicklungszusammenarbeit 1,6 Milliarden bereit, ein knapper Drittel des Budgets für die Landesverteidigung von 5,2 Milliarden.
Eine Kernaussage im Bericht der Kommission Brunner aus dem Jahr 1998 war: "Die Schweiz ist gegen unwahrscheinlich gewordene Gefahren wirksam gerüstet, aber auf die wirklichen Gefahren von heute und morgen ungenügend vorbereitet." Der Brunner-Bericht gab den Input für Arbeiten am neuen "Sicherheitspolitischen Bericht 2000", den der Bundesrat am 7. Juni 1999 verabschiedet hat und welcher die Grundlinien für die neue Armeereform enthält. Die zentrale politische Aussage im Brunner-Papier und im Sicherheits-Bericht ist, dass Sicherheit nur durch internationale Zusammenarbeit erreicht werden kann, und sich die Schweiz somit an der internationalen Konfliktbearbeitung beteiligen muss. Mit dieser Neuausrichtung verabschiedet sich die Schweiz endlich von der Idee der autonomen Landesverteidigung, das Reduit-Konzept wird endgültig aus den Angeln gehoben und das Gerüst der Gesamtverteidigungwird abgebaut fast im Stillen wurde Ende letzten Jahres die Zentralstelle für Gesamtverteidigung aufgelöst.
Nur: Was der Sicherheitsbericht nicht bietet, ist eine Gesamtsicht der Friedens- und Sicherheitspolitik, die auch die Prioritäten und die Mittelverteilung zwischen militärischer und ziviler Politik neu anlegt. Wie schon für die Brunner-Kommission ist auch für den Sicherheitsbericht die Aufgabenstellung allein vom VBS definiert worden: "Sicherheitspolitik (wird) als der Bereich jener staatlichen Aktivitäten verstanden, die der Prävention und Abwehr der Androhung und Anwendung von Gewalt strategischen Ausmasses gelten". Alle Vorschläge und Forderungen, einen umfassenden Bericht zur Friedens- und Sicherheitspolitik zu erarbeiten, wurden mit dem Argument in den Wind geschlagen, dass die neue Armee XXI "rasch" verwirklicht werden müsse (sie soll im Jahr 2003 umgesetzt werden) und keine Zeit bleibe für weitere Abklärungen. So ist der Sicherheitsbericht, kurz gesagt, die Auflistung möglicher militärischer Antworten auf militärische Risiken. Zwar werden praktisch alle zivilien Institutionen wie UNO, OSZE, Europarat und EU erwähnt und die Aufgaben des EDA (Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechtsschutz, Völkerrecht, Friedensförderung und Abrüstung) knapp gestreift. Weil dies alles ausserhalb der Departementszuständigkeit steht, sind aber keine konkreten Aussagen zu finden, was in diesen zivilen Bereichen gefördert und ausgebaut werden soll.
Fast schon zurückhaltend liest sich die Aussage im Bericht 2000 zu den Finanzen: "Eine gewisse Umverteilung ist unvermeidlich, um die Strategie der Sicherheit durch Kooperation erfolgreich umzusetzen." Weniger rücksichtsvoll fordert Bundesrat Ogi mehr Geld ein: "Ich gehe davon aus, dass das Parlament nach dem Jahr 2001 meinem Departement ein grösseres Budget bewilligen wird", sagte er anlässlich der Präsentation des neuen Sicherheitsberichts.
Was der neue Sicherheitsbericht nicht leistet, muss in der öffentlichen Diskussion thematisiert werden: dass die heutigen Risiken in erster Linie im zivilen Bereich liegen und mit ziviler Politik angegangen werden müssen; dass in der internationalen Zusammenarbeit die Mittel für die zivile Konfliktprävention und -bearbeitung massiv ausgebaut werden müssen; dass soziale und wirtschaftliche Sicherheit entscheidend zu einer umfassenden Politik gehören; dass die Verhinderung von Gewalt im Alltag und der Gewalt von Männern gegen Frauen zentral sind für das soziale Zusammenleben. Für die Sensibilisierung, Ausbildung, konkrete Projekte und eine verlässliche Politik in diesen Bereichen müssen auch Gelder eingesetzt werden, die im Militärbereich nicht mehr nötig sind.
Grafik: Die Umverteilungsinitiative in Zahlen
*Toni Bernet ist Sekretär der "Friedenspolitischen Initiativen" (Umverteilungsinitiative).Weichgewaschen kommt im Sicherheitsbericht die Aussage zu einer zentralen Frage der internationalen Sicherheitszusammenarbeit daher: "Ein Beitritt der Schweiz zur Nato ist heute nicht nötig." Auf mehreren Ebenen, vor allem über das "Partnerschaft für den Frieden"-Programm soll aber die Annäherung an die Nato verstärkt werden. Ob sich die Schweiz damit an der Politik des Militärbündnisses orientieren soll, soll rein pragmatisch entschieden werden. Dies spiegelt nicht nur die Uneinigkeit in der Armee- und VBS-Führung, auch der Bundesrat hat bis heute kein Konzept dafür vorgelegt, mit welchen internationalen Institutionen die Schweiz friedens- und sicherheitspolitisch zusammenarbeiten will. Gleichermassen in der Luft hängt auch die Vorlage zum Einsatz von bewaffneten Truppen im Ausland, welche Bundesrat Ogi anfang Jahr als vorgezogenen Teilrevision des Militärgesetzes erarbeiten liess und zu der noch im Oktober 1999 die Botschaft des Bundesrats an das Parlament zu erwarten ist.
Was Ogi im Februar präsentierte, liess alle Türen offen für eine Beteiligung an Militäreinsätzen, die allein von der Nato entschieden werden, wie der Bombardierung von Serbien und Kosov@. Unter diesen Vorzeichen hat sich eine breite Koalition von Friedensorganisationen, Parteien und Gewerkschaften in einer gemeinsamen Plattform gegen solche "Blankochecks" ausgesprochen. Von Seiten der nationalistischen Organisation AUNS ist ein Referendum unter dem Schlagwort "Keine Schweizer Soldaten ins Ausland" angekündigt.
Wofür Friedensorganisationen meiner Meinung nach eintreten sollen, sind zum einen konkrete Vorgaben für künftige friedenserhaltende Einsätze der Armee zu verlangen und gleichzeitig den Ausbau der zivilen Friedensförderung einzufordern. Zu den konkreten Vorgaben gehört, dass militärische Einsätze nur unter einem völkerrechtlichen Mandat, das heisst nach einem Entscheid der UNO oder der OSZE unterstützt werden können. Und dass Militäreinsätze nicht im Nachhinein für eine verpasste Politik geführt werden dürfen. Hier setzt die zweite Aufgabe an: Anstrengungen und die finanziellen Mittel für die Prävention und die Verhinderung bewaffneter Konflikte müssen massiv verstärkt werden. Konkrete Vorschläge für eine Friedensförderungesetz könnten ein wirksamer Beitrag zur laufenden Debatte um die neue Sicherheitspolitik und die internationale Zusammenarbeit sein.
(tbe)
Die Unterstützung einer friedenspolitischen Initiative ist für den Schweizerischen Friedensrat als Dachorganisation der traditionellen Friedensorganisationen eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wir müssten eher eine Nichtunterstützung legitimieren. Dennoch gibt es spezifische Gründe, weshalb wir diese Initiative mitlanciert haben. Die schweizerische Sicherheitspolitik krankt daran, dass sie im Denken des Kalten Krieges stecken zu bleiben droht. Mit der doppelten Stossrichtung von massiver Abrüstung und Umverteilung der Mittel zugunsten von Friedens- und Sozialpolitik gibt sie wesentliche Anstösse zur Umgewichtung der offiziellen Sicherheitspolitik in eine Politik der Friedensförderung.
Ruedi Tobler, Schweizerischer Friedensrat
In einer globalisierten Wirtschaft nimmt zwangsläufig die Durchmischung aller Völker zu. Da braucht es mehr Mittel für Integration, Erziehung, Berufsbildung, soziale Sicherheit auf Kosten sinnloser Rüstungswettläufe. Unter anderem darum sagt die Bewegung für eine offene, demokratische Schweiz seit jeher Ja zur friedenspolitischen Umverteilungsinitiative.
Jürg Meyer, Bewegung für eine offene, demokratische Schweiz (BODS)
Die Umverteilungsinitiative will die Kosten der Landesverteidigung senken, aber die militärische Leistungsfähigkeit aufrechterhalten. Wir jedoch plädieren für den Totalabbau der militärischen Leistungsfähigkeit: Als Hilfswerk und Friedensorganisation mit feministischer Ausrichtung sind wir der Ansicht, dass die Armee ein Sicherheitsrisiko ist und bleibt, auch wenn sie halbiert oder reformiert wird. Es kann jedoch nicht schaden, dieser Institution Ressourcen zu entziehen. Wir unterstützen daher die Umverteilungsinitiative als ersten Schritt in die richtige Richtung.
Sibylle Mathis, cfd-Frauenstelle für Friedensarbeit
Die Umverteilungsinitiative ist ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit für grössere Bevölkerungsteile. Sie unterstützt mit ihren Forderungen auch die Bemühungen unserer kleinen Organisation. Durch Umverteilung des Kapitals der Mächtigen zugunsten der Mehrheit der sechs Milliarden Menschen, die in Armut, Elend und Unterdrückung leben, kann mehr Gerechtigkeit entstehen. Ohne Gerechtigkeit durch Abbau von Macht und Privilegien ist jedoch Friede ein Ding der Unmöglichkeit.
Jochi Weil, Centrale Sanitaire Suisse (CSS)
Seitdem ihr die Feinde ausgegangen sind, sucht die Schweizer Armee neue Aufgaben vom Flüchtlingswesen bis zur Sportveranstaltung. Die Umverteilungsinitiative bietet dazu eine sinnvolle Alternative. Indem die Schweiz ihre Militärausgaben zugunsten der Entwicklungszusammenarbeit und Friedenspolitik senkt, kann sie die Schere zwischen Reich und Arm verkleinern und eine positive, zukunftsgerichtete Rolle in der Welt von morgen spielen.
Peter Bosshard, Erklärung von Bern (EvB)
Die heftigsten Konflikte der letzten Jahre sind innerstaatlicher Natur. Ihre wichtigsten Ursachen sind in der Regel nicht-militärisch: Diskriminierung von Minderheiten, Armut, wirtschaftliche Ausbeutung, Umweltzerstörung, Freiheitsbeschränkungen verschiedenster Art gehören etwa dazu. Die konventionell-militärischen Mittel greifen bei diesen Ursachen und Konflikten zu kurz. Es gilt, international vernetzt die zivile Konfliktverhütung und die zivilgesellschaftliche Friedensförderung zu stärken. Das verlangt grosse Anstrengungen und grosse finanzielle Mittel: die Umverteilungsinitiative mobilisiert diese Mittel dort, wo sie zwar vorhanden aber für die angesprochenen Ziele nicht wirklich wirksam sind.
Göpf Berweger, Geschäftsleiter Gesellschaft für bedrohte Völker
Wenn Menschen verschiedenster Nationalitäten gemeinsam etwas tun und dabei merken, dass gängige Vorurteile sehr relativ sind, genau dann leisten sie konkrete Friedensarbeit. Unsere Gesellschaft braucht finanzielle Mittel, um Friedensarbeit in diesem Sinne zu ermöglichen: konkret, handfest, fernab von leeren Worten oder kriegerischen Ambi tionen. Wir unterstützen deshalb die Umverteilungsinitiative, die in dieser Richtung neue Akzente in der Friedens- und Sicherheitspolitik setzt.
Christa Luginbühl, Service Civile International Schweiz (sci)
Die GSoA unterstützt die Umverteilungsinitiative seit ihrer Lancierung. Wir betrachten ihr Anliegen, das einen Teil der Militärausgaben für Friedensarbeit ausgeben will, als Schritt in die richtige Richtung. Dabei sehen wir das Ziel der Initiative nicht darin, der Schweiz zu einer kleineren und schlagkräftigeren Armee zu verhelfen (nach dem Motto: ´Kleiner und fieserª ). Die Umverteilungsinitiative soll zu einem Anstoss werden für konsequente Abrüstung und Investition in zukunftsweisende Strategien der Konfliktbewältigung, wie sie die GSoA mit ihrer Initiative für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst vorschlägt. Uns geht es nicht um eine Modernisierung der Schweizer Armee. Dem Vorschlag von Barbara Haering in der WoZ, 70 000 SoldatInnen für Auslandseinsätze auszubilden, können wir nichts abgewinnen. Ein Zusammenspannen mit ArmeereformerInnen hätte unserer Meinung nach nur eine Stärkung jener Kräfte zur Folge, die die Schweiz in die Nato führen möchten. Die Umverteilungsinitiative soll jedoch ein Instrument der Friedenspolitik sein, mit dem wir die SchweizerInnen von der Priorität friedenspolitischer Konzepte überzeugen können.
Renate Schoch, Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA)
Inhaltsübersicht | nächster Artikel |