Der Nicht-Aktions-Plan

1998 erlebten wir weltweit die heissesten Monate seit Beginn der Temperaturerfassung. El Niño forderte über 22 000 Opfer, das Wetter spielte überall auf der Erde verrückt und die Eisdecke schmilzt sowohl am Nord- wie am Südpol. Eine Kritik vom anderen Ende der Welt am Nichtstun der Industrieländer.

Von Angie Heffernan*

Hier im Pazifik, auf Papua-Neuguinea, Fidschi und den Marshall-Inseln, wurden wir 1998 ZeugInnen von Überschwemmungen und unüblich langen Dürreperioden, verursacht durch El Niño. Französisch Polynesien und die Cook-Inseln wurden hingegen von Zyklonen und Taifunen heimgesucht. Viele Abweichungen der Wetterereignisse werden auf die Klimaveränderung zurückgeführt und es gibt immer mehr Belege dafür, dass menschengemachte Treibhausgase hierfür verantwortlich sind. Während die RegierungsvertreterInnen an der Klimakonferenz in Buenos Aires darüber stritten, wie auf die Klimaveränderungen reagiert werden soll, fegte der Hurrikan Mitch über Zentralamerika und hinterliess eine Spur der Zerstörung und des Leidens. Dennoch zauderten die Regierungen an der Klimakonferenz in Buenos Aires, als es darum ging, ein konkretes Arbeitsprogramm auszuarbeiten, damit die Industrieländer endlich ihre CO2-Emissionen reduzieren. An den Sitzungen der Konferenz wurde klar, dass Handels- und Wirtschaftsinteressen wichtiger waren als die Gefahren der Klimaveränderungen.

Zwar waren die Pazifikstaaten in Buenos Aires gut vertreten. Um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen, sangen die Delegierten sogar ein altes Volkslied. Doch: Ihre Sorgen blieben ungehört. Die Pazifik-Inseln haben aber mehr als nur Sorgen wegen der Klimaveränderungen. Uns läuft die Zeit davon!

Bereits jetzt bewirkt zum Beispiel das Ansteigen des Meeresspiegels auf flachen Atollen wie Tuvalu, Kiribati und den Marshall-Inseln, dass Salzwasser die Süsswasserreserven verunreinigt. Die Bevölkerung musste ihre Anbaumethoden und -produkte verändern, da das eindringende Meereswasser die Böden versalzt. Das wichtige Grundnahrungsmittel Taro kann bereits vielerorts nicht mehr angepflanzt werden. Die Küsten vieler Inseln erodieren an manchen Stellen wegen der Brandung; kulturelle und spirituelle Plätze sind bedroht, aber auch die Infrastruktur der Inseln ist in Gefahr.

Die Auswirkungen auf die pazifische Ökonomie sind heute schon verheerend. Die letzte Dürre in Fidschi zerstörte zwei Drittel der Zuckerrohr-Ernte, welche 40% des Exporteinkommens ausmachen. Ein Bericht des UN-Teams für Katastrophenhilfe stellt fest, dass 15 000 Familien, welche vom Zuckerrohranbau leben, am Rande des Verhungerns sind. Die Regierung wurde aufgefordert, 30 Millionen US-Dollar für die Überlebenshilfe bereitzustellen. Australien zahlte 20 Millionen australische Dollars an Papua-Neuguinea für Lebensmittellieferungen an Leute im isolierten Hochland und in den Ebenen, welche von der extremen Dürre betroffen waren. 40 Atollen ging das Wasser aus, die Bevölkerung von Pohnpei musste von Brackwasser leben. Et cetera.

Derweil wurde an der Klimakonferenz in Buenos Aires ein "Aktionsplan" verabschiedet, den viele Umweltorganisationen als "Nicht-Aktions-Plan" bezeichnen. Zwar bekräftigen die Regierungen in diesem Aktionsplan, dass die Klimakonvention umgesetzt werden müsse und dass die Kyoto-Protokolle in Kraft treten sollen. In den Kyoto-Protokollen hatten sich die entwickelten Länder darauf festgelegt, verbindliche Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgase einzugehen. Aber das Kyoto-Protokoll hat eben auch eine marktwirtschaftliche Hintertür: Die Industrienationen können sich ‘freikaufen’, in dem sie in Umweltprojekte von Entwicklungsländern investieren und im Gegenzug ihre Emissionen weniger schnell und stark senken müssen.

Viele Entwicklungsländer, wie auch diejenigen des Pazifik, sehen darin einen "Deal" zugunsten der Wirtschaft der Industrienationen. Der Premierminister von Tuvalu kritisierte diesen Handel in Buenos Aires heftig: "Den Ländern von Annex 1 (die Industrienationen, Anm. der Autorin) darf nicht erlaubt werden, ihre Verantwortung einfach so billig und leicht an die Entwicklungsländer zu verkaufen. Sie haben schliesslich nicht nur eine vertragliche, sondern auch eine moralische Verpflichtung. Nicht mehr und nicht weniger."

Der Druck der Industrienationen, diese "Hintertür" durchzusetzen, war an der Konferenz immens. Für die Pazifikstaaten ist es aber überlebensnotwendig, dass sie dieser Versuchung, sich auf einen solchen Handel einzulassen, widerstehen.

Wir kennen bereits einige der Auswirkungen des Klimawandels, wir kennen sogar die Ursachen. Wir haben die Lösungen, doch einige Leute hören einfach nicht zu. Solange die Regierungen der entwickelten Länder nicht den politischen Willen zeigen, Veränderungen in der Wirtschaftspolitik durchzusetzen, so lange bleiben die pazifischen Kulturen und Gesellschaften bedroht.

*Angie Heffernan lebt auf Fidschi und engagiert sich bei Greenpeace-Pazifik. Übersetzung: mr.

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