Die Kampagne für den Frieden: Wie weiter mit der feministischen Friedensforschung?

Unsere Reihe über Gender in verschiedenen Friedensorganisationen setzen wir mit einem Portrait über die Kampagne für den Frieden fort. 1985 von friedensbewegten Frauen lanciert, kann sie auf eine bewegte Geschichte im Dienst der vorerst kritischen, dann immer expliziteren feministischen Friedensforschung zurückblicken. Heute stellen sich jedoch für die drei Trägerinnenvereine der Kampagne neue Fragen.

Von Sibylle Mathis*

Zum 8. März dieses Jahres erschien eine neue Broschüre der Kampagne für den Frieden mit dem Titel "Frieden – Frauen forschen". Die Autorin Stella Jegher, seinerzeit Trägerin des 1. Preises für Frauenfriedensforschung der Kampagne für den Frieden 1994, stellt darin die Kampagne sowie den Friedensfonds vor, zeigt die Bedeutung feministischer Friedensforschung auf und gibt eine Übersicht, wer in der Schweiz überhaupt Friedensforschung betreibt. Anhand dieser Standortbestimmung der Kampagne für den Frieden wird deutlich, wie sehr sich deren Zielsetzungen verändert haben.

Die Friedenssteuer

Als 1985 ein Postulat im Parlament überwiesen wurde, das die Schaffung einer Koordinationsstelle für Friedensforschung anstrebte, lancierten Frauen aus dem Evangelischen Frauenbund EFS und von den Frauen für den Frieden FfF die Idee einer Friedenssteuer zur Ergänzung der Bundessteuer. Sie forderten ihre Mitglieder auf, auf einem nicht-offiziellen Einzahlungsschein diese Friedenssteuer an den Bund einzuzahlen. Kein Gesetz gestattete es jedoch dem Bund, dieses Geld anzunehmen und es wurde folglich den AbsenderInnen zurückbezahlt. Daraufhin gründeten die beiden Frauenorganisationen den Friedensfonds für das rückerstattete Geld und lancierten die Kampagne für den Frieden. Bis heute bitten sie die TeilnehmerInnen der Kampagne jedes Jahr – seit 1989 ist auch der Katholische Frauenbund SKF dabei – eine freiwillige Spende in den Friedensfonds einzubezahlen und mit einer Kartenaktion die Behörden aufzufordern, sich für Friedensforschung zu engagieren.

Zum zehnjährigen Jubiläum der Kampagne haben 1995 mehr als 3000 Personen über Fr. 500 000.– gespendet, die für kleinere Projekte auf dem Gebiet der Friedensforschung verwendet wurden. Waren es vorerst vor allem von Männern bearbeitete Forschungsprojekte über Themen wie den Zivilschutz, die Rüstungsindustrie, die direkte Demokratie u.ä., verstärkten die Trägerinnenorganisationen seit 1992 ihre Bemühungen, frauenspezifische Friedensforschung anzuregen.

Herausgefordert von der feministischen Frauenbewegung konnten die den traditionellen Frauenverbänden zugehörigen Frauen immer weniger verdrängen, dass "die ungleiche Behandlung der Geschlechter eine der verbreitetsten Ungerechtigkeiten auf der Erde" sei1. Und obwohl sie betonten, Männer mitnichten ausschliessen zu wollen, kamen sie nicht umhin, festzustellen, dass die Friedensforschung von männlichen Denkstrukturen bestimmt sei. In der oben erwähnten Broschüre wurden diese Erkenntnisse dann in das Konzept der feministischen Friedensforschung integriert: "Feministische Friedensforschung betrachtet das soziale Geschlecht (gender) als zentrale Analysekategorie, ohne dass dabei andere Differenzen in der sozialen Erfahrung – Herkunft, Hautfarbe, körperliche Fähigkeiten, Alter, Klasse, sexuelle Orientierung – augeblendet werden dürfen."2

Zusammenarbeit mit der SFS

Ebenfalls im Gefolge des oben genannten Postulates zur Friedensforschung wurde 1988 die Schweizerische Friedensstiftung SFS gegründet – die sich seit 1998 mit dem Zusatz "Institut für Konfliktlösung" versieht. Vom Bund mitfinanziert – die Höhe der Bundesgelder richtet sich nach den finanziellen Leistungen, die die Friedensstifung erbringt, heute rund eine Million Franken jährlich – hat sie sich als eine Art ‘think tank’ und Researchabteilung des EDA auf die Mitgestaltung der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik ausgerichtet und will den Aufbau von Institutionen zur friedlichen Konfliktregelung fördern.

Bis 1996 unterstützte die Kampagne für den Frieden die SFS mit kleineren finanziellen Beiträgen an Tagungen, Studien und Publikationen und durch Vertretungen in den jeweiligen Aufsichts- und Stiftungskomitees.

Im Umfeld einer von der Friedensstiftung veranstalteten Tagung im Herbst 1994, die sich mit der organisierten Gewalt gegen Frauen in Krisen- und Kriegszeiten befasste, entstand die Idee einer gemeinsam finanzierten Stelle für Frauenfriedensforschung. Ab 1996 verpflichtete sich die Kampagne für den Frieden, den Arbeitsplatz einer Friedensforscherin, der bei der SFS angesiedelt ist, während vier Jahren mit jährlich Fr. 40 000.– mitzufinanzieren, was 40 Stellenprozenten entspricht. Weitere 40% übernahm die SFS, die restlichen 20 Prozent sollten mit Projektbeiträgen und bezahlten Aufträgen von der Stelleninhaberin selbst aufgebracht werden. Die Unterstützung dieser neuen Stelle nahm einen wesentlichen Anteil der Fondsgelder in Anspruch. Kleinere Projekte, die meist von Gruppen, die sich als Teil der Friedensbewegung verstanden, ausgearbeitet wurden, konnten nicht mehr in gleichem Masse wie früher finanziell unterstützt werden. Die Frauen im Aufsichtskomitee des Friedensfonds erhofften sich jedoch von diesem Ausbau an Friedensforschungskapazität vermehrte Resonanz für ihre Kampagne, nicht nur finanziell, denn sie wollten den Druck auf den Bund verstärken, endlich Friedensforschung in angemessenem Umfang zu finanzieren. Für alle Beteiligten war klar, dass die Arbeit der Forscherin wissenschaftlichen Kriterien entsprechen musste, die "Kampagne"-Frauen legten aber Wert darauf, dass auch aktionsorientierte Forschung Platz haben musste und ein guter Austausch mit den an der feministisch-friedenspolitischen Basis aktiven Frauen wünschenswert sei.

Gesucht wurde dann eine promovierte und im Friedensbereich hochqualifizierte Frau, die als eine der ersten Forscherinnen im deutschsprachigen Raum bei einem unabhängigen Forschungsinstitut wie der SFS tätig sein wollte. Von den über fünfzig fachlich sehr kompetenten Frauen wurde schliesslich Elenor Richter-Lyonette gewählt, eine Expertin im Bereich der Frauenrechte, der Situation von Frauen in Nachkriegsgesellschaften und der Kriegsverbrechen an Frauen. Sie verfolgte weiterhin ihre Arbeit bei einer internationalen NGO in Genf, der "Coordination of Women's Advocacy (CWA)", wo sie sich mit obengenannten Themen befasste. Ihre Anstellung galt als ideal, konnte sie doch ihre Arbeit im Bereich der Frauenrechte in einen grösseren Rahmen einbinden und strukturell in der Schweiz besser verankern. Gleichzeitig war es ihr ein Anliegen, Frauenforschung in traditionelle Forschungszusammenhänge einzubringen und eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Frauenorganisationen und NGOs anzustreben. Am 1. Juni 1996 nahm sie die Stelle bei der SFS auf.

Institutionalisierung und Krise

Nach knapp einem Jahr kam es zum Eklat und Elenor Richter-Lyonette wurde von der SFS fristlos entlassen. Der Konflikt entzündete sich in erster Linie an Elenor Richters Tätigkeit bei der CWA, insbesondere an der Frage, inwieweit sie diese in ihre Forschungstätigkeit bei der SFS integrieren durfte. Unterschiedliche schriftliche Abmachungen zwischen Elenor Richter-Lyonette mit dem Präsidenten und dem Direktor der SFS komplizierten den Fall. Die Auseinandersetzungen um die Gründe der Entlassung dauern bis heute an und werden von den Konfliktparteien vor Gericht weiter ausgefochten.

Wie sollte es nun weitergehen mit der Stelle für feministische Friedensforschung bei der SFS? Verschiedene in der Frauen-Friedensbewegung engagierte Frauen, u.a. die cfd-Frauenstelle für Friedensarbeit, kritisierten von Anfang an den Umstand, dass für diese Stelle keine strukturelle Einbettung wie etwa eine Begleitgruppe von fachkompetenten Frauen vorgesehen war. Die Verantwortung für die fachliche Begleitung lag beim Direktor der SFS, in einer Zeit, da dieser jedoch im Ausland weilte. Als Fachstelle für feministische Friedenspolitik war die cfd-Frauenstelle höchst interessiert, dass dieser Konflikt nicht das "Aus" für feministische Friedensforschung bedeutete und bot sich als Gesprächspartnerin mit einer Reihe von Angeboten an, welche die SFS jedoch nicht annahm.

Die Frauen von der Kampagne für den Frieden befanden sich nach der Kündigung 1997 in einer ungemütlichen Lage. Die Stelle wurde nicht mehr neu ausgeschrieben. Im Prospekt der Kampagne für den Frieden 1998 stand nur noch lakonisch der Satz: "Wir bleiben in Zusammenarbeit mit der SFS."

Frauenforschung für das EDA?

Die Zusammenarbeit sah dann so aus, dass Maren Haartje Bächler als Leiterin des SFS Projektes "Politische Partizipation von Frauen" im Herbst 1998 Frauen-Rundtischgespräche zum Thema "Frauen in der Konfliktbearbeitung" mit Teilnehmerinnen aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft initiierte, welche von der Kampagne für den Frieden finanziell unterstützt wurden. Die SFS stellte im Aufsichtskomitee des Friedensfonds – wo unter anderen auch Günther Bächler Einsitz hat – den Antrag, die Rundtischgespräche, die nicht unbedingt als Forschung bezeichnet werden können, mit einem Betrag von Fr. 25 000.– plus Spesen für das Jahr 1999 zu unterstützen und rückwirkend noch Fr. 12 000.– für das Jahr 1998 zu bezahlen. Weitere Fr. 25 000.– übernahm die SFS. Im Aufsichtskomitee wurden Bedenken laut, weil kein präzis formulierter Projektbeschrieb den Antrag begleitete.

In einem weiteren Gesuch an den Friedensfonds stellte die SFS den Antrag, Patricia Barandun mit einem jährlichen Beitrag von Fr. 43 000.– zu finanzieren, was einer 50%-Anstellung entspricht. Die restlichen 50% übernahm die SFS. Patricia Barandun ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin zum Thema "Frauen in der zivilen Konflikbearbeitung anhand des Beispiels Bosnien" bei der SFS angestellt.

Mit rund Fr. 70 000.– finanziert also die Kampagne für den Frieden Frauenprojekte von der SFS, welche offensichtlich mit deren inhaltlichen Zielen übereinstimmen. Als Institut für Konfliktlösung sind sie in erster Linie an der institutionellen Aussenpolitik der Schweiz interessiert. Auch Frauenforschung und -projekte haben sich innerhalb dieses Rahmens zu bewegen. Frauenforschung fürs EDA?

Die Vertreterinnen der Trägerinnenvereine müssen sich zumindest die Frage gefallen lassen, ob denn ihr ursprüngliches Ziel, nämlich unabhängige feministische Friedensforschung zu fördern, in diesem Umfeld gewährleistet ist. Auch herrscht wenig Transparenz, dafür umso mehr Verwirrung in Bezug zur weiteren Besetzung der Stelle für Frauenfriedensforschung. Teilen sich Patricia Barandun und Maren Haartje Bächler die 1996 eingeführte Stelle bei der SFS? Warum wird dann aber im neuesten Prospekt der Kampagne für den Frieden 1999 neben den unterstützten Projekten der beiden Frauen noch separat eine sogenannte Frauenstelle für feministische Friedensforschung aufgeführt?

Es bleibt zu wünschen, dass bei einem nächsten Treffen der Vereinspräsidentinnen des Frauenfonds solche Fragen erörtert werden, zumal im Jahr 2000 die vier Jahre um sind, für die sich die Kampagne für den Frieden verpflichtet hatte, die Stelle bei der SFS mitzufinanzieren. Mit der neuen, ansprechend gestalteten Broschüre "Frieden – Frauen forschen" werden hoffentlich viele neue qualifizierte Projektfinanzierungsgesuche eingehen, die es dem Friedensfonds ermöglichen, seinem Anspruch zur Förderung unabhängiger feministischer Friedensforschung gerecht zu werden.

1 Aus einem Informationsblatt zum zehnjährigen Bestehen der Kampagne für den Frieden, 1995.
2 Broschüre "Frauen – Frieden forschen", S. 9
 
*Sibylle Mathis ist Mitarbeiterin der cfd-Frauenstelle für Friedensarbeit.

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