Nebengedanken

Mit und ohne Papier keine Chance

Von Hannah Einhaus

Bei der Abstimmungsvorlage zum Asylgesetz handelt es sich um die vierte Revision innert 20 Jahren. Sukzessive wurden Rechte von Flüchtlingen abgebaut und Regelungen ausgearbeitet, die sich am Rande des Legitimen bewegen. Kein anderes Gesetz wurde so häufig verschärft zulasten der Schwächsten.

Äusserst kritikwürdig ist zum Beispiel der Status der Schutzbedürftigen: Menschen aus Konfliktgebieten erhalten eine vorläufige kollektive Aufnahme, unabhängig davon, ob sie individuelle Fluchtgründe vorzuweisen haben oder nicht. Ihr individuelles Asylverfahren wird für fünf Jahre eingefroren (sistiert), sie unterstehen nicht mehr der UNO-Flüchtlingskonvention, und dem Bundesrat ist es freigestellt, nach eigener Einschätzung den Aufgenommenen eine Rückreise zuzumuten. Heute leben in der Schweiz rund 5000 anerkannte Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, viele davon Folter- oder Vergewaltigungsopfer. Nach neuem Gesetz wären sie sehr wahrscheinlich als Schutzbedürftige aufgenommen und teilweise schon wieder zurückgeschafft worden. Wichtige therapeutische Massnahmen zur Überwindung ihrer Traumata sowie Fürsorge- und Integrationsleistungen würden ihnen vorenthalten. Der ehemalige UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Jean-Pierre Hocké, bezeichnet die fünfjährige Einfrierung des Asylverfahrens als "unerhörte Massnahme".

Auch die Regelung, auf die Asylgesuche Papierloser mit Nichteintreten zu reagieren, zeigt sich als äusserst brutal, wenn man die Flüchtlingsrealität sieht, die sich im und um den Kosov@ abspielen: Gerade tatsächlich Verfolgte haben oft keine Reise- oder Identitätspapiere. Bei den KosovarInnen ist bekannt, dass ihre Dokumente von serbischen Milizen systematisch vernichtet werden. Diese Menschen nach einer Schnellabfertigung wieder abzuschieben, wäre politisch keineswegs tragbar, gesetzlich aber möglich. Auch wenn das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) beteuert, diese Regelung werde bei den KosovarInnen nicht angewendet, ist es eine Frage der Willkür, wann und gegen wen diese Massnahme ergriffen wird. Ausserdem widerspricht sich das BFF selbst, hat es doch in zahlreichen Fällen Asylgesuche abgelehnt, wenn jemand Papiere beschaffen konnte. Mit anderen Worten: Wer Papiere hat, dem wird nicht geglaubt, und wer keine Papiere hat, wird vom Verfahren ausgeschlossen.

Das neue Asylgesetz ist gespickt mit solchen juristischen Finessen: Was vordergründig noch "humanitär" wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen – das bestätigt auch die Verordnung, die bereits zu diesem Gesetz ausgearbeitet wurde – als Unterlaufung der Flüchtlingskonvention und als Aushöhlung des Asylgesetzes schlechthin.

Darum zweimal Nein am 13. Juni 1999 zu Asylgesetz und Dringlichem Bundesbeschluss!

*Hannah Einhaus ist Koordinatorin von "asyl.ch"


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