Kein Blankocheck für bewaffnete Auslandeinsätze!

Während Österreich seinen Luftraum für die NATO-Flugzeuge auf dem Weg nach Serbien kategorisch sperrte, wurde in Bern ein allfällig gleiches Ansuchen an die Schweiz als "heikles juristisches Problem" bezeichnet. Kein Wunder, hat doch das Departement Ogi erst vor zwei Monaten eine Teilrevision des Militärstrafgesetzes in die Vernehmlassung geschickt, mit der sogar eine aktive Schweizer Beteiligung an solchen NATO-Angriffen möglich würde.

Von Detlev Bruggmann

Die Reaktion von friedenspolitisch engagierten und interessierten Organisationen auf die neueste Vorlage des Verteidigungsdepartements erfolgte prompt und geschlossen: Mitte März stellten VertreterInnen verschiedener Parteien und Organisationen in Bern die gemeinsame Plattform "Gegen Blankochecks für bewaffnete Auslandeinsätze — für eine solidarische Friedenspolitik" vor, in der sie sich dezidiert gegen die Gesetzesvorlage aussprechen und stattdessen eine stärkere Beteiligung der Schweiz an zivilen internationalen Aktivitäten zur Friedensförderung fordern.

Völkerrechtlich "unmöglich"

Bei einem Vergleich der aktuelle Teilrevision des Militärgesetzes mit der Blauhelm-Vorlage von 1994 wird der Grund für die prompte Reaktion einer breiten, friedenspolitischen Koalition sehr schnell klar. In der innerhalb der Friedensbewegung heftig umstrittenen Blauhelmvorlage war zumindest ein Punkte völlig unbestritten: Dass sich Schweizer Truppen nur an friedenserhaltenden Operationen beteiligen dürfen, die unter einem UNO- oder OSZE-Mandat stehen. Diese gesetzliche Grundverpflichtung fehlt in der jetzt anstehenden Teilrevision völlig. SP-Nationalrätin Barbara Haering bezeichnet dies als das absolute "No go" der Vorlage: "Auch eine militärische Kooperation mit nur einem einzigen Land — oder aber mit der NATO — soll mit diesem Gesetz möglich gemacht werden. Und dahin soll die Reise wohl gehen. Nur: An dieser Reise nehmen wir nicht teil."

Etikettenschwindel

Für Nico Lutz von der GSoA ist die VBS-Vorlage ein klarer Etikettenschwindel: "Vordergründig geht es dem VBS darum, Schweizer Soldaten im Friedensförderungsdienst für den Selbstschutz bewaffnen zu können. Dies wäre jedoch bereits aufgrund der heutigen gesetzlichen Grundlage möglich. In Wirklichkeit geht es darum, mit dem Gesetz einen Blankocheck für bewaffnete Auslandeinsätze zu erhalten." Weder sei geregelt, unter welchen völkerrechtlichen oder politischen Voraussetzungen bewaffnete Auslandeinsätze von Schweizer Soldaten denkbar wären, noch würden im neuen Gesetz der Bewaffnung irgendwelche Schranken gesetzt. Statt von Bewaffnung für den Selbstschutz ist jetzt nämlich die Rede von Bewaffnung, welche "für die Erfüllung des Auftrages erforderlich ist".

Politik statt Militär, bitte!

"Die vorliegende Teilrevision des Militärgesetzes reisst bewaffnete Auslandeinsätze aus dem friedenspolitischen Kontext heraus und legt sie allein in bundesrätliche Kompetenz, ohne ausreichende demokratische Kontrolle", kritisiert Dorothee Wilhelm von der cfd-Frauenstelle für Friedensarbeit (s. auch den Text auf Seite 5). Anstatt ein friedens- und sicherheitspolitisches Konzept vorzulegen und darin als möglichen Extremfall den Stellenwert allfälliger militärischer Komponenten zu definieren, würden die militärischen Massnahmen mit dem neuen Gesetz vom Primat der Politik losgelöst und vorweg konkret beschlossen.

Schwerpunkt Prävention

Stattdessen müsse bei jedem Konflikt die zivile und politische Lösungsstrategie im Vordergrund stehen, forderte die grüne Nationalrätin Pia Hollenstein an der Pressekonferenz der Plattform: "Der Schwerpunkt ist bei der Prävention, der Behebung von Ursachen, der Früherkennung und der Vermittlung zu setzen."

Ausserdem schlägt sie die Schaffung eines eigenständigen Gesetzes vor, das zum einen eine verstärkte Beteiligung der Schweiz an internationalen Aktivitäten zur Friedensförderung regeln und dabei den zivilen Möglichkeiten der Konfliktverarbeitung einen zentralen Stellenwert einräumen müsste.

… und eine zivile Watchgroup

In diesem Gesetz soll auch eine weitere Forderung der Plattform verankert werden: Die Einsetzung einer sogenannten Watchgroup, die auf schweizerischer und internationaler Ebene die Einsätze von bewaffneten Soldaten überwachen soll, und der VertreterInnen von zivilen Organisationen in der Schweiz und in den Einsatzländern angehören müssten. Diese Watchgroup soll im Gesetz verankert werden und ein Mitspracherecht auch bei der Ausbildung und der Ausgestaltung der Einsätze erhalten.


Die Plattform

Unterstützt wird die Plattform "Gegen Blankochecks für bewaffnete Auslandeinsätze — für eine solidarische Friedenspolitik" von: Grüne Fraktion des Nationalrates, Friedenspolitische Initiativen, Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot (ARW), Schweizerischer Friedensrat, Gruppe Schweiz ohne Armee (GsoA), Frauen für den Frieden, GBI-Jugend Schweiz, Grünes Bündnis Bern, Beratungsstelle für Militärverweigerung und Zivildienst Zürich, Friedensforum, Zürich, Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Religiös-Sozialistische Vereinigung der Deutschschweiz, Junge Alternative, JungsozialistInnen Schweiz, Christlicher Friedensdienst (cfd), SGA Zug, PdA Schweiz. Die Unterstützung der Plattform ist ausserdem beantragt bei: Grüne Schweiz, SP Schweiz, Asylkoordination Schweiz, Bewegung für eine offene, demokratische und solidarische Schweiz (BODS), Service Civil International (sci).

Der vollständige Text der Plattform kann auf der Homepage der "Gruppe Schweiz ohne Armee" nachgelesen werden: www.gsoa.ch .


Kommentar

Jährlich 1,8 Milliarden Franken umverteilen

Prominent platziert in der Bundesratsbotschaft zur Umverteilungsinitiative, erinnert die Behauptung des VBS (Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport), die Armee habe in den neunziger Jahren schon 9 Milliarden Franken gespart, an einen Rosstäuschertrick: Überhöhte Finanzplanzahlen, die aus dem Ende des Kalten Kriegs fortgeschrieben wurden, sind darin mit den leicht reduzierten Militärbudgets verglichen. Sehr viel konkreter ist aber der Vergleich der laufenden Landesverteidigungsausgaben mit den Anliegen der Umverteilungsinitiative "Sparen beim Militär und der Gesamtverteidigung – für mehr Frieden und zukunftsgerichtete Arbeitsplätze". Der Bundesrat bestätigt die Angaben der InitiantInnen zum Effekt der Abstimmungsvorlage: Jährlich 1,8 Milliarden Franken können bei den Landesverteidigungsausgaben eingespart werden, wenn die Initiative erfüllt ist.

Zwar hat die Landesregierung zwei Jahre gebraucht seit der Einreichung der Initiative, um seinen ablehnenden Antrag vorzustellen. Gleichzeitig hat sie die Initiative aber auch aufgewertet, indem die Behandlung im Parlament nun gleichzeitig mit dem neuen Sicherheitsbericht noch im September dieses Jahres erfol- gen soll. Die öffentliche Debatte über die neue Sicherheitspolitik muss also nicht nur um abstrakte Bedrohungsszenarien und Sicherheitsmodelle geführt werden, sondern es wird auch um Fragen gehen wie: Wieviel darf die Armee überhaupt noch kosten? Wieviel kann investiert werden in die Prävention, in die zivile Konfliktbearbeitung, in die Soziale Sicherheit und in die Konversionspolitik zur Umstellung der militärabhängigen Arbeitsplätze in eine zukunftsgerichtete zivile Produktion?

Der konkrete Umverteilungsauftrag ist die Stärke der Initiative, die von rund 50 Organistionen aus den Bereichen Frieden, Entwicklungshilfe, Soziales und den Grünen und der SPS unterstützt wird. Es geht dabei auch um die Fragen, welchen Beitrag die Schweiz zu einer sinnvollen Entwicklungspolitik und zur Friedensförderung in der internationalen Staatengemeinschaft leisten soll und welche persönlichen Dienstleistungen dazu erbracht werden sollen. Solche Fragen diskutieren die TeilnehmerInnen an der Tagung vom 17./18. September in Bern, welche die Umverteilungsinitiative vorbereitet.

Toni Bernet,
Sekretär Friedenspolitische Initiativen

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