Die NATO führt im Jahr ihres fünfzigsten Geburtstages Krieg in Europa. Völlig konzeptlos werden seit dem 24. März nicht nur militärische Ziele in Restjugoslawien bombardiert, ohne dass auch nur die Hoffnung besteht, dass Milosevic damit Einhalt geboten werden kann. Die schrecklichen Vergeltungsakte an der kosov@-albanischen Zivilbevölkerung kommen leider auch nicht überraschend. Genauso wenig wie die Flüchtlingsströme, um die sich nun Mazedonien und Albanien kümmern müssen. Man habe Eingreifen müssen, um die kosov@-albanische Bevölkerung zu schützen, hiess es aus Brüssel. Was jetzt geschieht, ist eine Verschlimmbesserung ihrer Situation die Kosov@-AlbanerInnen selbst hatten genau vor diesen Folgen gewarnt.
Zwingt sich die NATO damit selbst zum Entsenden von Bodentruppen, um einen solchen Einsatz vor der eigenen Bevölkerung legitimieren zu können?
Eine von Anfang an mit Bodentruppen geplante Aktion wäre insbesondere bei der US-amerikanischen Bevölkerung auf Ablehnung gestossen. Die Diskussionen rund um den (Anti-)Kriegsfilm "Saving private Ryan" zeigen, wie wichtig es gerade den US-AmerikanerInnen ist, keine eigenen Söhne mehr in einem fernen Land für einen fremden Krieg zu verlieren. Gegen die Nazi-Mörder zu kämpfen war eine Sache, der Balkan ist was anderes. Oder jetzt eben nicht mehr? Je mehr Greueltaten von serbischer Seite bekannt werden, je näher Präsident Clinton in seinen Reden Milosevic zu Hitler rückt, desto eher kann mit dem Verständnis für den Einsatz von Bodentruppen gerechnet werden. Clintons Vergleiche des "serbischen Faschismus" mit dem Nationalsozialismus sollen wohl die US-AmerikanerInnen auf einen teureren Krieg als jenen gegen den Irak vorbereiten.
Vorgesehen war der Einsatz von Bodentruppen nicht, jetzt scheint die NATO nicht mehr darum herum zu kommen. Mit ihrer Konzept- und Ziellosigkeit hat sich die NATO selbst ins Knie geschossen die kosov@-albanische und die serbische Zivilbevölkerung zahlt aber einen weit höheren Preis.
Die Angriffe der NATO müssten auch sein, damit diese ihre Glaubwürdigkeit nicht verliert, heisst es. Doch riskiert die NATO im Gegenteil letztendlich ihre deklarierte Glaubwürdigkeit mit dieser Aktion: Die Völkerrechtswidrigkeit der Intervention sie basiert weder auf einem Beschluss der UNO noch bewegt sich auch innerhalb des in den NATO Statuten vorgesehenen Rahmens wird der NATO noch lange vorgeworfen werden.
Je weniger sie das deklarierte Ziel des Schutzes der kosov@-albanischen Zivilbevölkerung erreicht, je länger sie so offensichtlich konzeptlos vorgeht, desto mehr diskreditiert sie sich und ihre vielen hochdekorierten Generäle und Strategen.
Um die scheinbare Glaubwürdigkeit der NATO zu retten, war mann bereit, die Glaubwürdigkeit der UNO und der OSZE endgültig zu untergraben. Das Thema Kosov@ hätte vor langer Zeit schon in die Hände der Vereinten Nationen gehört, auch wenn mit Opposition von Seiten Russlands und Chinas im Sicherheitsrat gerechnet werden musste. Mit diesem Alleingang der NATO wurde die UNO aber erneut ins Abseits gestellt und die OSZE ihres Amtes in der Konfliktregion enthoben. Und doch bleibt die UNO jetzt die einzige Ebene, die noch eingeschaltet werden kann. Sie bietet immer noch die letzte Möglichkeit mit Russland und vielleicht sogar China und dem Regime in Belgrad einen Dialog über die Zukunft Kosov@s und Rest-Jugoslawiens zu führen.
"Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt. "
Charta der Vereinten Nationen, Artikel 2, Absatz 4
"Man ist in eine militärische Aktion hineingeschlittert, bei der man nicht weiss, was der nächste Schritt sein soll. Das finde ich verantwortungslos."
Curt Gasteyger, Politologe, Genf
"Endet unser Jahrhundert so, wie es begann: im Krieg und Unfrieden auf dem Balkan,...?"
Walter Lüthi, Der Bund, 29.3.99
"Die NATO existiert nicht, um Bevölkerungen zu beschützen, welche unter kriminellen Regimes zu leben verdammt sind. Wie könnte sie auch, wenn ihre eigenen Mitglieder Länder sind, wie die Türkei, deren Methoden gegen die Kurden genauso schrecklich sind?"
War Resisters International, London
Seit gestern wirft die Nato Bomben über Serbien ab, um Milosevic zu einem Zugeständnis im Kosovo zu zwingen.
Wir halten fest: Seit mehreren Jahren gibt es von nichtnationalistischen Nichtregierungsorganisationen im Kosovo und Serbien konkrete Vorschläge für eine politische Lösung des Konfliktes.
Im vergangenen Jahr fand beispielsweise organisiert von Schweizer Hilfswerken unter Beteiligung der GSoA eine Konferenz "Frieden von unten" im Kinderdorf Pestalozzi in Trogen statt, an der 25 VertreterInnen von Frauen- und Friedensorganisationen, Menschenrechtsorganisationen und unabhängigen Medien, unter anderem aus dem Kosovo, Vorschläge für eine politische und gewaltfreie Beilegung des Konflikts erarbeiteten. Bis die UCK sich mit Gewalt gegen die serbische Repression zur Wehr setzte, fand aber keiner dieser Vorschläge Beachtung auf internationaler Ebene. Die westlichen Staatschefs haben sich darauf beschränkt, mit Milosevic und seiner Entourage zu verhandeln.
Der Vorschlag, der in Rambouillet präsentiert wurde, lag inhaltlich seit Jahren auf dem Tisch. Es ist ein Versagen der internationalen Politik, dass sie nicht früher in der Lage war, diese Vorschläge aufzunehmen.
Mit ihrer Politik der Drohgebärden hat sich die Nato in eine Sackgasse manövriert. Um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, sah sie keine andere Möglichkeit mehr, als zu Bomben zu greifen. Dieser Beschluss erfolgte jedoch aus einer organisationspolitischen Nato-Logik nur kein Gesichtsverlust! und nicht aufgrund einer sorgfältigen Analyse der Situation. Innenpolitisch ermöglichten die Nato-Drohungen und nun der Nato-Angriff eine Kriminalisierung und Marginalisierung der nichtnationalistisch ausgerichteten Opposition und der unabhängigen Medien.
Am 21. März musste die letzte unabhängige Zeitung im Kosova "Koha Ditore" ihr Erscheinen auf serbischen Druck hin eingestellt, am 24. März wurde die Belgrader Radiostation B92 behördlich geschlossen. Die Schliessung dieser einflussreichen unabhängigen Medien hat Milosevic in den vergangenen Jahren nie gewagt zu stark war deren Rückhalt in der Bevölkerung sowie die internationale Aufmerksamkeit. Die Nato-Politik macht's nun möglich.
Selbst wenn Milosevic aufgrund der Bombardements irgendeinen Vorwand braucht auch er um seine Position zu revidieren in der Kosova-Frage Zugeständnisse ankündigt: Nach diesen Angriffen wird er innenpolitisch massiv gestärkt sein, die demokratische und nichtnationalistische Opposition und Presse wird zerschlagen und eine politisch und langfristige Problemlösung in weite Ferne gerückt sein. Den Preis für das Nato-Bombardement wird die Zivilbevölkerung in Kosova und in Serbien zu bezahlen haben Milosevic sitzt in einem sicheren Bunker.
Die GSoA verurteilt das völkerrechtswidrige Vorgehen der Nato. Diese hat sich nicht einmal darum bemüht, ein Mandat der UNO zu erwirken. Faktisch heisst dies: Unrecht wird mit Unrecht bekämpft. Dies mag allenfalls den Legitimationsbedürfnissen der Nato Rechnung tragen, zur internationalen Bearbeitung von Konflikten ist es aber ein völlig untaugliches und gefährliches Konzept.
Oder stellt sich die Nato etwa vor, als nächstes das Nato-Mitglied Türkei unter Feuer zu nehmen, damit sich die Menschenrechtssituation in Kurdistan verbessert? Oder sind gar Luftangriffe auf China geplant?
"Konfliktmanagement by Bombs" ist eine Bankrotterklärung der internationalen Politik. Genau diese demonstriert die Nato derzeit im Kosovo.
"Will man die Vereinten Nationen auf den Müll werfen? Dann muss man so fortfahren wie bei der NATO in Sachen Kosovo".
Franz Ansprenger, emeritierter Professor für internationale Politik, FU Berlin
Kann die Formel "Was sollen wir denn sonst machen?" im Ernst heissen: "Dann schmeissen wir halt Bomben?"
Pressemitteilung der Redaktion iz3w
"Die Krise soll genutzt werden, um für die kommenden Jahre, vielleicht Jahrzehnte ein neues System der Stabilität in Europa durchzusetzen. Unter amerikanischer Dominanz. Frankreich wehrt sich dagegen und propagiert ein rein europäisches Sicherheitssystem, andere, beispielsweise Grossbritannien, wollen das nicht, weil sie befürchten, dass dann Deutschland als das grösste Land den Ton angeben würde. Angesichts der europäischen Uneinigkeit nutzen die USA die Kosovo-Krise, u m dauerhaft als dominante Kraft in Europa zu bleiben".
Shkelzen Maliqi, kosov@-albanischer Publizist, WoZ, 25.3.99
In einer Pressemitteilung hat der deutsche Versöhnungsbund die Soldaten der Bundeswehr zur Befehlsverweigerung aufgerufen. Den deutschen Soldaten soll so klargemacht werden, dass sie sich möglicherweise strafbar machen. Denn nach Artikel 25 des deutschen Grundgesetzes ist das Völkerrecht Bestandteil des Grundgesetzes.
Bei der Staatsanwaltschaft Bonn wurde auch schon Strafanzeige gegen Gerhard Schröder, Rudolf Scharping, Joschka Fischer und andere wegen des Verdachts des Verstosses gegen § 80 des Strafgesetzbuches gestellt (Vorbereitung eines verfassungs- und völkerrechtswidrigen Angriffskrieges).
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