Schweizer Kleinwaffenengagement ohne innenpolitische Vorleistungen?

Am 1. März 1999 tritt das Verbot für Anti-Personen-Minen in 40 Ländern in Kraft, 90 weitere Staaten wollen folgen. Nach dem überraschenden Erfolg dieser Kampagne hat sich die Schweiz letztes Jahr das Engagement für eine Eindämmung des Kleinwaffenhandels auf die Fahne geschrieben. Die FriZ wollte von Stefano Toscano, diplomatischer Mitarbeiter in der Politischen Abteilung III des EDA, Details dazu wissen.

Ist die Schweiz bereit, im Bereich der Kleinwaffen Vorleistungen – z.B. auf Gesetzesebene – zu erbringen, bis weltweite Regelungen erreicht werden?

Stefano Toscano: Die internationalen Initiativen des EDA im Bereich Kleinwaffen zielen keineswegs darauf ab, unsere interne Gesetzgebung zu ändern. Das EDA hat insbesondere keineswegs die Absicht, auf Einschränkungen des Besitzes von privaten Waffen (Sport- und Jagdgewehren) sowie von Ordonnanzwaffen hinzuwirken. Vielmehr geht es darum, die unkontrollierte Proliferation (Weiterverbreitung; die Red.), den illegalen Handel und den Missbrauch von Kleinwaffen in den Konfliktregionen der Welt einzudämmen. Die Schweiz verfügt mit ihrem Kriegsmaterialgesetz hier über klare Rechtsmittel.

Stichwort "like minded Nations"-Konzept: Die Schweiz möchte für ihr Vorhaben zuerst eine Gruppe gleichgesinnter Staaten finden, bevor sie einen Vorstoss in internationalen Gremien (UNO) lanciert. Was heisst das?

Stefano Toscano: Die Schweiz ist sowohl an einer Zusammenarbeit im Rahmen internationaler Organisationen, als auch an einer Zusammenarbeit mit im Bereich der Kleinwaffen engagierten anderen Staaten interessiert.

Ein Schwerpunkt des EDA in diesem Zusammenhang bildet offenbar Öffentlichkeits- und PR-Arbeit. Welche konkreten Vorhaben bestehen dafür heute?

Stefano Toscano: Es ist eines der Ziele der internationalen Bestrebungen, das Bewusstsein der Öffenlichkeit über die Problematik der Kleinwaffen zu verstärken. Die Schweiz unterstützt zum Beispiel einen vom Abrüstungsdepartement der UNO geplanten Dokumentarfilm über Kleinwaffen. In der Schweiz ist das Parlament über das aktuelle Engagement des Bundesrates im Bereich der Kleinwaffen informiert worden.

Wie und wieweit wird das EDA dabei auch mit NGOs in der Schweiz und im Ausland zusammen arbeiten?

Stefano Toscano: Die Schweiz begrüsst eine Zusammenarbeit mit den NGOs im Bereich der Kleinwaffen. Der Ottawa-Prozess zur Bekämpfung von Landminen hat bewiesen, dass eine Zusammenarbeit zwischen Regierungen und privaten Organisationen zu guten Resultaten führen kann. Für den regelmässigen Informationsaustausch über Aktivitäten im Bereich der Kleinwaffen ist in Bern eine gemischte Arbeitsgruppe ins Leben gerufen worden, die 1998 zweimal getagt hat.

Stichwort Transparenz: Die Schweiz strebt an, dass der Waffenhandel weltweit transparenter wird, z.B. mittels Markierung von Kleinwaffen und Munition.

Stefano Toscano: Die Schweiz gehört auf dem Gebiet der Markierung von Waffen und Munition zu den weltweit führenden Ländern. Sie ist bestrebt, ein Toleranzregime auszuarbeiten und zur Diskssion zu stellen. Ein solches würde insbesondere folgende Verpflichtungen enthalten:

• Waffen zu markieren,

• Herstellung, Lagerung und Transfers von Waffen zu registrieren und zu deklarieren,

• auf Import und Export von nicht angemessen markierten Waffen zu verzichten und, gegebenenfalls, nicht markierte Waffen zu zerstören.

Genügt die Offenlegung der "HändlerInnen" und "KäuferInnen" allein? Braucht es nicht weitergehende Massnahmen, um die Kleinwaffenflut einzudämmen?

Stefano Toscano: Die Problematik der Kleinwaffen ist komplex. Sie hat sicherheitspolitische, entwicklungspolitische und humanitäre Aspekte, globale und regionale Dimensionen. Es dürfte also kaum eine einzige Remedur existieren. Vor diesem Hintergrund betrachten wir Transparenz als Schritt in die richtige Richtung, wodurch insbesondere Vertrauen und Stabilität gefördert und die Rückverfolgung von Waffen in der Kette des legalen Besitzer vereinfacht wird. Transparenz bildet ausserdem ein Fundament für die Verifikation von jeglichen Regulierungsmassnahmen, welche die Kontrolle des legalen und illegalen Handels bezwecken.

Im Februar veranstaltet die Schweiz ein ExpertInnentreffen zu den Kleinwaffen: Wer nimmt teil? Was sind die Themen?

Stefano Toscano: Die Schweiz organisiert vom 18. bis 20. Februar 1999 in Genf einen Workshop über Kleinwaffen, zu dem die UNO-Expertengruppe über Kleinwaffen und internationale Experten eingeladen sind. Der erste Tag der Veranstaltung ist dem Thema der Waffenmarkierung gewidmet. Während der zwei verbleibenden Tage werden sich die Teilnehmer mit verschiedenen Aspekten der Kleinwaffenproblematik befassen.

Interview: Detlev Bruggmann

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