Kannst Du kurz die Ausgangssituation für die Militärflugplatz-Studie der Arbeitsstelle Militär und Ökologie schildern?
Urs Höltschi: Bereits seit Jahren ist bekannt, dass die Schweizer Luftwaffe mittelfristig auf zehn ihrer heute 25 Militärflugplätze verzichten wird. Die Aussicht darauf hat einiges an Begehrlichkeiten geweckt, insbesondere seitens der Zivilluftfahrt. Deren VertreterInnen sind auf die zehn Anlagen aufmerksam geworden und meldeten ihr Interesse an, diese spätestens nach Aufgabe der militärischen Nutzung in zivile Flugplätze umzuwandeln.
Die Arbeitsstelle Militär und Ökologie befasst sich seit rund 5 Jahren mit der Umnutzung von Militärflugplätzen. In den letzten Jahren entwickelte sich auch bei den Umweltorganisationen ein Bewusst-sein für diese Problematik. Seit Jahren schon warten wir auf den Entwurf für einen nationalen Sachplan "Infrastruktur der Luftfahrt" gemäss dem Raumplanungsgesetz. Die Studie ist natürlich auch im Hinblick auf diesen Entwurf von Interesse. Die primäre Motivation für die Studie war aber die Überzeugung auf Umweltseite, dass im Bereich "Umnutzung von Militärflugplätzen" eine gemeinsame Haltung sowie allgemein gültige Standards bezüglich der vorhandenen neuen Nutzungsideen entwickelt werden müssen. Deshalb wurde die Arbeitsstelle im Herbst 1997 mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Studie beauftragt. Auftraggeber ist formell die "Arbeitsgruppe Recht der Umweltverbän-de", das juristische Koordinationsgremium der grossen, einspracheberechtigten Umweltverbände. Der AG Recht gehören z.B. WWF Schweiz, Pro natura, VCS, Stiftung für Landschaftsschutz, Schweizer Vogelschutz und Schweizer Heimatschutz an.
Wozu dient die Studie ?
Urs Höltschi: Die Studie soll den einzelnen Umweltverbänden in ihrem Mei-nungsbildungsprozess und bei der Ent-scheidfindung für konkrete Umnutzungs- projekte von Militärflugplätzen helfen. Selbstverständlich wird ihr Inhalt auch in die Stellungnahmen zum noch ausstehenden Sachplan "Infrastruktur der Luftfahrt" einfliessen.
Was geschah punkto Umnutzung von Militärflugplätzen in der Schweiz bisher?
Urs Höltschi: Das Problem dabei ist zunächst einmal, dass die Umnutzung von Militärflugplätzen in einer Gesetzeslücke stattfindet. Bei der Errichtung vor rund einem halben Jahrhundert bedurften die heute bestehenden 25 Militärflugplätze formell weder einer Baubewilligung noch einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Flugplätze konnten also buchstäblich auf der grünen Wiese errichtet werden. Auch die zivile Mitbenützung benötigt gemäss Luftfahrtrecht nur eine Betriebsbewilli-gung, d.h. es muss bloss ein Betriebsreg-lement zur Genehmigung vorgelegt werden.
Bereits seit Jahrzehnten drängt die Zivilluftfahrt mit zunehmendem Erfolg darauf, Militärflugplätze ausserhalb der militärischen Betriebszeiten mitbenutzen zu können. Dies hat dazu geführt, dass wir es im Grunde genommen mit einer schleichenden Umnutzung der Militärflugplätze zu tun haben. Die grosse Mehrheit der 25 Militärflugplätze wird heute auch von zivilen Flugzeugen benützt, wobei die zivilen Flugbewegungen in einigen Fällen deutlich zahlreicher sind als die militärischen. Aber auch wenn die meisten Anlagen heute auch oder teilweise gar überwiegend zivil genutzt werden, bleiben sie nach wie vor offiziell Militärflugplätze und haben rechtlich einen entsprechend unscharfen Status.
Die bisherigen Erfolge haben bei der Zivil-luftfahrtlobby natürlich Appettit auf mehr gemacht. Es wird nicht einfach werden, ihren VertreterInnen klar zu machen, dass sie allenfalls auf den einen oder anderen Flugplatz werden verzichten müssen, den das Militär aufgibt.
Gibt es Beispiele für gelungene Umnutzungen von Militärflugplätzen in der Schweiz?
Urs Höltschi: Nein, bis heute hat die Schweizer Luftwaffe noch keinen Militärflugplatz wirklich aufgegeben und verkauft.
Die Studie untersucht zehn Militärflugplätze, die das VBS bis Ende 1999 aufgeben will. Was ist deren Status quo heute?
Urs Höltschi: Das ist von Anlage zu Anlage unterschiedlich: Auf acht der zehn Flugplätze wurde der militärische Flugbetrieb faktisch bereits eingestellt, bei den übrigen zwei St. Stephan und Ulrichen wird dies 1999 soweit sein. Das heisst aber nicht, dass diese Anlagen nicht mehr vom VBS genutzt werden: Es können dort Übungen anderer militärischer Verbände stattfinden, die dann vielleicht nur einen Teil des Areals beanspruchen. Aber auch eine gelegentliche fliegerische Nutzung durch das Militär bleibt bei einem Weiterbestehen der Flugplätze nicht völlig ausgeschlossen.
Was geschieht denn genau Ende 1999?
Urs Höltschi: Die Antwort auf diese Frage ist bis heute weitgehend offen und wird wohl auch von Flugplatz zu Flugplatz unterschiedlich ausfallen. Nehmen wir den Fall Saanen im Berner Oberland: Saanen hat sich als ziviles Flugfeld etabliert und macht sowohl regionalpolitisch als auch wirtschaftlich Sinn. Saanen dürfte nach Aufgabe der militärischen Nutzung also mit grösster Wahrscheinlichkeit zu einem Zivilflugplatz werden, für die definitive Festsetzung ist aber der oben genannte Sachplan "Infrastruktur der Luftfahrt" notwendig. Anschliessend müssen die Bewil-ligungsverfahren gemäss Luftfahrtrecht durchlaufen werden.
Eine einheitliche Politik des VBS im Umgang mit den aufzugebenden Militärflugplätzen ist bisher leider nicht erkennbar. Die einzige Aussage des VBS ist: "Die Luftwaffe wird diese zehn Anlagen nicht mehr verwenden." Das schliesst wie gesagt weder eine anderweitige militärische Nutzung aus, noch ist damit die Umwandlung in einen Zivilflugplatz gesetzt. Theoretisch können die stillgelegten Militärflugplätze noch Jahrzehnte im Besitz des VBS respektive des Bundes bleiben.
Was geschieht mit den 15 verbleibenden Militärflugplätzen?
Urs Höltschi: In den vergangenen Jahren ist die Zahl der militärischen Flugbewe-gungen kontinuierlich zurückgegangen. Daran dürfte auch die Beschaffung neuer Luftfahrzeuge, wie z.B. der Helikopter vom Typ Super-Puma, wenig ändern. Im Bereich der Kampfjets ist eine weitere Abnahme der Flugbewegungen zu erwarten, steht doch jetzt nach der Hunter- auch der grösste Teil der Mirage-Flotte vor der Ausmusterung.
Es ist absehbar, dass die Schweizer Luftwaffe mittelfristig auf weitere Anlagen verzichten wird. Es werden aber kaum noch einmal zehn auf einen Schlag aufgegeben werden. Eine Prognose, über wieviele Militärflugplätze die Schweiz im Jahr 2010 verfügen wird, würde ich aber heute nicht wagen.
Es gibt ein politisches Argument, das für die Beibehaltung einer grösseren Anzahl von Militärflugplätzen spricht: die Verteilung des Lärms. Dagegen sprechen ganz klar finanzielle Gründe: Der Unterhalt von 15 Militärflugplätzen erfordert enorme Mittel, was für das VBS doch einen gewissen Anreiz für weitere Stillegungen liefert.
Wem gehören die Militärflugplätze heute?
Urs Höltschi: Der grösste Teil der Areale gehört dem Bund und ist dem VBS zur Nutzung übertragen worden. Daneben gibt es auf jedem Militärflugplatz grössere oder kleinere Flächen, die das VBS dazugepachtet hat. Umgekehrt sind zum Teil auch grosse Flächen an Dritte verpachtet.
Was geschieht mit den Flugplatzarealen, wenn sich das VBS zurückzieht?
Urs Höltschi: Wird die militärische Nutzung ganz eingestellt, fallen die Grundstücke an den Bund zurück, der sie anderen Bundesstellen zur Verfügung stellen oder aber verkaufen kann. Wichtig im Falle der zehn Militärflugplätze ist, dass ein allfälliger Verkaufserlös in die Bundeskasse fliessen würde, während die Kosten für den Rückbau respektive den Abbruch der heutigen Flugplatzanlagen dem VBS-Budget belastet würden. Mit anderen Worten: Das VBS dürfte kaum ein Interesse an einem Rückbau der Anlagen haben, wenn ihm eine Weiterführung als Zivilflugplatz praktisch keine Kosten verursacht.
Was sind die ökologischen Auswirkungen der heutigen Nutzung als Militärflugplätze? Welche Folgen sind bei einer Umnutzung als Zivilflugplatz zu erwarten?
Urs Höltschi: Da müssen wir zuerst einmal 50, 60 Jahre zurückblenden, in die Zeit, bevor diese Anlage überhaupt errichtet wurden. Optimale Voraussetzung für einen Militärflugplatz ist ein weitestgehend flaches Gelände mit Sichtfreiheit, das aber trotzdem eine gewisse Tarnung bietet. Dies schränkte die Standortwahl doch einiger-massen ein und die Militärflugplätze wurden deshalb sehr oft in Moor- und Riedlandschaften errichtet, die zuerst entwäs- sert werden mussten. Aus heutiger Sicht waren dies ökologisch höchst wertvolle Gebiete und sind es zumindest teilweise noch heute, da grössere und kleinere Reste von Riedflächen, Mooren und Auen bestehenblieben.
Ein primäres ökologisches Problem bei Militärflugplätzen sind also die Eingriffe in die Landschaft und damit in die Lebensräume von Tieren und Pflanzen, die beim Bau vor einem halben Jahrhundert erfolgten. Heute stellt sich aus Sicht des Natur- und bedingt auch aus Sicht des Landschaftsschutzes die Frage, was und wieweit auf diesen Geländen erhalten oder besser noch gefördert werden kann.
Ein weiteres grosses Problem stellt der Lärm dar, den die Militärfliegerei produziert. Propellermaschinen sind noch eini-germassen erträglich, Helikopter weisen bereits extreme Frequenz- und Lärmspitzen auf. Vor allem aber Kampfflugzeuge sind mit Triebwerken bestückt, die einen ungeheuren Lärm machen. Im Gegen- satz zur zivilen Luftfahrt gibt es bei der Militärluftfahrt kaum Möglichkeiten den Lärm der Triebwerke zu reduzieren, da hier allein die Leistung im Vordergrund steht.
Wäre die Umnutzung der Militärflugplätze als Zivilluftfahrt aus ökologischer Sicht eine Verbesserung?
Urs Höltschi: Nein, punkto Lärmbela-stung bestimmt nicht. Im Gegenteil. Zum einen sind die Betriebszeiten auf den Militärflugplätze heute in aller Regel identisch mit den normalen Arbeitszeiten. Auf zivilen Anlagen gilt dagegen Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang als Betriebszeit; verfügt ein Flugplatz zudem über Instrumentelandesysteme, kann dieser Zeitraum noch länger ausfallen. Zum anderen finden übers Wochenende keine militärischen Flüge statt, während Zivilflugplätze oftmals gerade am Wochenende ihre Frequenzspitzen aufweisen, was aus Sicht des Lärmschutzes ein besonderes Problem darstellt.
Aus der Sicht der Luftreinhaltung können Flugplätze ein, wenn auch eher untergeordnetes Problem darstellen. Sehr problematisch aus der Sicht des Klimaschutzes ist die Fliegerei als solche, weniger jedoch deren Bodeninfrastruktur. Die zivilaviatische Umnutzung würde dies eher verschärfen, da mit Bestimmtheit mit einer Zunahme des zivilen Strassenverkehrs zu rechnen wäre. Das hätte wiederum nicht nur Rückwirkungen auf die Luftbelastung, sondern auch auf die Lärmsituation und die Er-schliessung des Flugplatzes. Auch die landschaftlichen Eingriffe wären ja nicht rückgängig zu machen.
Aus Sicht des Naturschutzes gilt es aber noch einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen: Heisst die Alternative zur Nutzung als Zivilflugplatz Rückbau und Renaturie-rung der Pisten und Rollwege für eine Nutzung durch die heutige intensive Landwirtschaft, dann ist dies auch eher eine Ver- schlechterung. Anders verhielte sich die Situation selbstverständlich, wenn stattdessen umweltfreundliche Nutzungen und ökologische Ausgleichsflächen ermöglicht würden.
So oder so, bei einer zivilaviatischen Nutzung stellt sich zunächst einmal die Frage, wieweit das Flugplatzareal gefasst wird: Je grösser es gefasst wird, desto eher erlaubt dies die Ausscheidung von ökologischen Ausgleichsflächen. Bei einigen Militärflugplätzen befinden sich heute jedoch nur die eigentlichen Pisten und Rollwege im Bun-desbesitz, sodass die Kühe buchstäblich am Pistenrand auf Privatgrund grasen. Die Schaffung ökologischer Ausgleichsflächen würde in diesem Fall also zusätzliche Mittel erfordern.
Wer ist überhaupt zuständig für die Umnutzung von militärischen Anlagen?
Urs Höltschi: Je nachdem fühlen sich verschiedene Behörden zuständig oder auch niemand. Das hängt davon ab, wer wann mit welcher Frage an welcher Tür anklopft.
Im Falle der Militärflugplätze sind die Kompetenzen bis heute nicht abschliessend geklärt: Die zivile Nutzung eines Militärflugplatzes setzt die Zustimmung des VBS vor- aus, muss aber vom Bundesamt für Zivilluftfahrt angesiedelt im Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation genehmigt werden; im Bereich der Umweltfragen ist im gleichen Departement auch noch das BUWAL zuständig. Ein drittes Departement kommt dazu, wenn es um raumplanerische Aspekte geht, das zuständige Bundesamt ist im Justiz- und Polizeidepartement angesiedelt. Steht gar der Verkauf eines Militärflugplatzes zur Diskussion, ist selbstverständlich auch das Finanzdepartement involviert. Die Koordination der verschiedenen Interessen im Bereich Umnutzung von Militärflugplätzen lässt heute sehr zu wünschen übrig.
Die Zusammenarbeit zwischen den Departementen wird bisher gegen aussen nicht transparent gemacht. In der Regel vertritt jedes Amt seine Partikularinteressen, weshalb einmal mehr eine Gesamtsicht der Problematik fehlt. In der gesamten Verwaltung ist die fehlende Tradition der Transparenz zu spüren: Beim VBS, das sich noch immer nicht damit abgefunden hat, dass die Zeiten des Staates im Staat ein für alle mal vorbei ist, beim Bundesamt für Zivilluftfahrt, das sich aufführt wie der König der Schweizer Lüfte
Welche Rolle spielen Kantone und Gemeinden bei der Umnutzung der Militärflugplätze?
Urs Höltschi: Nur schon im Falle der von der Arbeitsstelle Militär und Ökologie untersuchten 10 Militärflugplätze ist dies sehr unterschiedlich. Es gibt Kantone und Gemeinden, die sich sehr erfolgreich für ihre Interessen eingesetzt haben: Da ist in erster Linie der Kanton Bern zu nennen, der für die fünf aufzuhebenden Militärflugplätze auf seinem Gebiet Studien in Auftrag gegeben hat für zivile Folgenutzungen. Bern ist bisher auch der einzige Kanton, der über ein kantonales Leitbild Luftfahrt verfügt und damit so etwas wie eine Ge-samtsicht der Problematik vorgenommen hat. Allerdings erscheint mir diese Gesamtsicht doch etwas arg "fluglastig".
Ein anderes Beispiel ist der Fall des Militärflugplatzes Kägiswil, wo sowohl die Stand-ortgemeinde Sarnen als auch der Kanton Obwalden klar und unmissverständlich die Aufhebung des gesamten Flugbetriebs fordern. Die Richtplanänderung, die aus dem Flugplatz eine Industrie- und Gewerbezone machen soll, ist bereits eingeleitet. Kanton und Gemeinde versprechen sich in diesem Fall ganz offensichtlich von einer nicht-fliegerischen zivilen Nutzung mehr als von einer Fortführung der zivilaviatischen Nutzung. Die ist heute in Kägiswil mit durch- schnittlich 15 000 Starts und Landungen jährlich doch recht beträchtlich. Nach heutigem Stand wird Kägiswil im "Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt" zwar immer noch aufgeführt, aber nur noch als provisorischer Standort, für den jetzt nach Alternativen gesucht werden muss. Der konsequente Druck der Gemeinde Sarnen und des Kantons Obwalden trägt also offensichtlich Früchte, obwohl es sich bei Kä-giswil um den am intensivsten zivil genutzten der zehn Militärflugplätze handelt.
Wer sitzt im Konfliktfall am längeren Hebel: Bund oder Kanton/Gemeinde?
Urs Höltschi: Der Bund. Die Planungshoheit liegt in der Schweiz zwar in der Regel bei den Kantonen und Gemeinden, aber es bestehen eben verschiedene wichtige Ausnahmen: Zum Beispiel unterstehen alle militärisch genutzten Flächen der Bun-deshoheit, das heisst sie beürfen nachwievor keiner kantonalen oder kommunalen Bewilligung. Das gleiche gilt seit dem 1995 in Kraft getretenen neuen Luftfahrtgesetz auch im Bereich der Fliegerei: Der Bund legt fest, wo welche Art von Flugfeld erstellt wird.
Bei den betroffenen Gemeinden besteht, teilweise zu Recht, eine gewisse Angst, dass mit der Einstellung der militärischen Nutzung der Flugplätze auch wirtschaftliche Einbussen einhergehen könnten. Allerdings stehen bei den meisten Anlagen jeweils nur wenige Arbeitsplätze auf dem Spiel. Gerade wegen dieser Ängste aber, seien sie nun berechtigt oder nicht, hätten meines Erachtens schon vor langer Zeit transparente Verfahren zur Umnutzung von Militärflugplätzen geschaffen werden müssen.
Wie sieht die Umnutzung von Militärflugplätzen im Ausland aus? Können wir z.B. von Deutschland lernen?
Urs Höltschi: In Deutschland präsentiert sich die Lage völlig unterschiedlich: Dort wurden nicht nur bei der Umnutzung von Flugplätzen, sondern auch von anderen militärischen Anlagen, die verschiedensten Kreise miteinbezogen sowie Arbeitsgruppen und Leitungsausschüsse gebildet. Weil auch transparent gemacht wurde, welche Anlagen wann militärisch aufgegeben werden, konnte schliesslich, zumindest teilweise, ein breiter Dialog stattfinden.
Aber auch in Deutschland wehrten sich die Gemeinden lange Zeit gegen die Aufgabe von Militärflugplätzen und Militärstützpunkten aus Angst vor Arbeitsplatzver-lusten. Erst als die beschlossenen wirtschaftlichen Fördermassnahmen zu greifen begannen, entstand in den betroffenen Gemeinden ein Bewusstsein dafür, welch enormes ökonomisches Potential die freiwerdenen militärischen Areale darstellen können.
Was wäre für eine Verbesserung in der Schweiz nötig?
Urs Höltschi: In erster Linie eines: Ein transparentes Umnutzungsverfahren! Die Bundesbehörden müssten die Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Kantonen, aber auch mit den verschiedenen interessierten Organisationen, Verbänden und Interessengruppen verbessern respektive endlich suchen. Weitere Voraussetzung dafür wären unter anderem eine längerfristige Planung und die Bereitschaft des Bundes, auch die entsprechenden Mittel für sinnvolle Umnutzungen bereitzustellen.
Die Umnutzung von Militärflugplätzen ist nur ein Bereich der Flächenkonversion: Welchen Stellenwert nimmt sie ein?
Urs Höltschi: So unterschiedlich die Auswirkungen militärischer Nutzungen auf die Umwelt sind, so unterschiedlich ist auch das Ausmass der Auswirkungen der verschiedenen Anlagen. Nehmen wir nur die zehn bis Ende 1999 aufzuhebenden Militärflugplätze: Der kleinste dieser Flugplätze, Kägiswil im Kanton Obwalden, umfasst eine Fläche von knapp 8 Hektaren in Bun-desbesitz. Im Fall Raron im Wallis, der grössten Anlage, geht es um eine Fläche von gut 133 Hektaren. Das heisst, die Ausdehnungen und die ökologischen Auswirkungen dieser Anlagen sind sehr unterschiedlich. Dasselbe gilt auch für die Waf- fen- und Schiessplätze, die ebenfalls Flächen von wenigen Hektaren bis zu mehreren hundert Hektaren aufweisen.
Auch hinsichtlich der Nutzungen ist die Situation nicht einheitlich. Je nach Art des militärischen Betriebs ist bei einer Anlage z.B. die Thematik der Altlasten ein enormes Problem. Dies lässt sich auch für Militärflugplätze nicht ausschliessen, können doch in den vergangenen Jahrzehnten ganz erhebliche Mengen, z.B. an Treibstoff oder Enteisungsmitteln, in den Boden gesickert sein.
Es lässt sich keine Rangliste der militärischen Problemflächen aufstellen, weil dafür heute schlicht die wissenschaftlichen Grundlagen fehlen, die eine klare Bewertung darüber zulassen würden, wie "umweltschädigend" oder "gefährlich" welche Art von militärischer Anlage ist.
Welche Bedeutung kommt der Stillegung respektive der Umnutzung militärischer Anlagen in der Arbeit der Arbeitsstelle Militär und Ökologie im Vergleich zu militärischen "Neubauprojekten" zu?
Urs Höltschi: Ich bin der festen Überzeugung, Neuchlen-Anschwilen war die letzte grössere intakte Fläche, die der militärischen Landnahme zum Opfer fallen muss-te. Aber auch wenn kaum mehr neue Flächen im grösseren Stil fürs Militär genutzt werden, wird der Arbeitsstelle Militär und Ökologie die Arbeit nicht ausgehen, da auf den heute bestehenden militärischen Flächen fleissig weiter- und ausgebaut wird. Daneben erhält die Aufgabe und Umnutzung militärisch genutzter Flächen aber eine zunehmende Bedeutung. Diese zehn Militärflugplätze, die bis Ende 1999 aufgegeben werden, stellen nur einen kleinen Vorgeschmack dessen dar, was hier in Zukunft auf uns zukommen wird.
Die zehn Militärflugplätze, welche das VBS bis Ende 1999 aufgeben will, sind: Ambri (TI), Frutigen, Reichenbach, Saanen, St. Stephan, Zweisimmen (alle BE), Kägiswil (OW), Münster, Raron, Ulrichen (alle VS). Mit Ausnahme von Frutigen, St. Stephan und Ulrichen werden heute alle auch von der Zivilluftfahrt genutzt. Aus der Studie der Arbeitsstelle Militär und Ökologie geht klar hervor, dass die bisherige Umnutzungsdebatte vor allem durch drei Faktoren bestimmt wurde: Zum einen durch das Interesse des VBS daran, durch Aufgabe eines Drittels der heutigen Flugplätze die Betriebskosten der Luftwaffe zu reduzieren und gleichzeitig allfällige Kosten für einen Rückbau dieser Anlagen einzusparen. Zweitens durch die Interessen einer starken Zivilluftfahrtlobby, die bei fast allen Militärflugplätzen Druck für eine Weiterführung oder Neueinführung des zivilen Flugbetriebs macht. Und drittens die oft kurzsichtigen Interessen von Standortgemeinden und Standortkantonen. Das Resultat dieser sich (leider) optimal ergänzenden Interessen: Bei 7 der 10 aufzugebenden Militärflugplätzen wird eine künftige zivile fliegerische Nutzung kaum mehr ernsthaft in Frage gestellt, in zwei weiteren Fällen kann sie nicht ausgeschlossen werden. Dabei drängt sich allein die Hälfte der zehn Militärflugplätze auf wenigen Quadratkilometern im Berner Oberland, drei weitere liegen im Oberwallis.
Bisher nur ungenügend geltend gemacht wurden im ganzen Verfahren dagegen die Interessen des Umwelt- und Naturschutzes. Ursachen dafür sind einerseits fehlende Transparenz der Behörden (vor allem bei Bund und Kantonen) sowie der Nichteinbezug aller Interessengruppen. Folge davon ist, dass es in der Schweiz noch immer eine Gesamtsicht punkto der zunehmenden Umnutzung militärischer Flugplätze fehlt. Welches Potential dabei für ökologische Aufwertungen respektive für das Ausbügeln früherer Sünden verloren geht, wird dann wohl in wenigen Jahrzehnten wieder an dieser Stelle rapportiert werden müssen.
(db)
Urs Höltschi: "Ökologische Aspekte bei der Umnutzung von Militärflugplätzen". Arbeitsstelle Militär und Ökologie, Zürich 1998, 97 Seiten.Militärische und zivile Flugbewegungen 1996
auf den zehn aufzuhebenden Militärflugplätzen
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zivil1 |
militärische2 |
Ambri |
3352 |
200 |
Frutigen |
0 |
2 |
Kägiswil |
13278 |
78 |
Münster |
1344 |
34 |
Raron |
5263 |
114 |
Reichenbach |
3601 |
48 |
Saanen |
4767 |
94 |
St. Stephan |
0 |
1216 |
Ulrichen |
0 |
504 |
Zweisimmen |
4981 |
56 |
1
Quelle: Jahresberichte Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL2
Quelle: Bundesamt für Betriebe der Luftwaffe BABLW (militärische Flugbewegungen = Zahl der Landungen verdoppelt)
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