Kolumne aus Nr. 5/98

Was wird?

Von Dragica Rajcic*

Jeden Morgen schaue ich von weiten in richtung Schultaxi, wenn ich seine kleine Kopf hinter dem Fenster erblicke, jublle ich innerlich, er ist da, der Tag hat Sonne bereit…

Von wem schreibe ich? Soll ich ihm beschreiben mit der Augen der Liebe gesehen oder mit dem Fakten des Realitäts? Er ist ein Junge von sechs Jahren, wurde in Kosovo geboren, drei Tage nach der Geburt in Spital nach Pristina eingeliefert, erstes Sohn, der Vater in der Schweiz wusste noch nichts von Spital, nur Sohn, Sohn und Grossvater ebenfalls in der Schweiz… Der Sohn weint viel zu viel, sagte die Mutter, der Vater dachte, es ist überempfindlich seine Frau. Das Kind war anderes, kleiner, zarter, schöner. Was wird?

Jeden Morgen packe ich seine sorgfältig geschälte Apfel Apfel aus dem Schulrücksack, sehe seinem Vater Schulter tief ziehen: "Er wird nie wie die anderen Kinder, hier in der Schweiz hat er Elektroden auf dem Kopf gehabt, Eolilepsie haben sie gesagt."

Dort in Pristina… Der Vater möchte die Tage in diesem Spital sehen, den Augenblick erwischen, wo es passiert ist, das sein Kind so ist, wie er ist.

Wenn ich ihm an der kleine Hand halte, kommt mir vor, als ob ich ihm beschützen möchte von grausamen Schiksal, welche ihm in Kosovo diese Tage erwischt hätte. Nein, ihm könte man nicht zu irgendwelche Armee ziehen, aber seine Mutter musste mit ihm und Schwestern flüchten, und sein vater musste im Dorf bleiben, um sein Haus zu verteidigen. Die Bilder, welche ich am Fernsehen sehe, sind zweite Reprise, nach Kroatien und Bosnien, die anfängliche Empörung macht dem Stumpfsinn der Ohnmacht Platz. Wenn ich Leute aus dem Kosovo Frage, was sie von allem halten, sagen sie: Schlimm, zersplittert, traurig, viele parteien. Eine sagte: Rugava nicht gut. Andere sagen: UHC nicht gut. Der Weg zur Frieden führt wieder einmal über die Europa, ohne demokratisirung Serbiens keine ruhe in Kosovo.

Wenn ich mit dem gestreiften Ball am Spielwiese spiele und er rennt ihm nach, scheint es unmöglich, das es heute und jetzt Detonationen und Schüsse gibt. Diese Unwirklichkeit ist es, welche mich erschrekt. Ob das gesunde Überlebensinstinkt ist? Ich meine nein. Wie kann ich gesund überleben, während Mord in meinem ersten Land an der Tagesordnung ist? Und doch die Wirklichkeit widerspricht mir, schweigt, schweigt… beunruhigt nicht sich und die anderen, wie das an jedem Hauswand geschrieben stehth. Aber für den Frieden muss gestritten werden, die Trauer muss Platz haben und das Geständniss "ich weiss nicht wie, aber…"

Als ich kürzlich telefonierte, sagte mit Stimme an anderer Seite des Telefons: "Die Projekte im Ex-Jugoslawien laufen aus, wie die Moden, welche paar Jahre dauern und dan anderen Farben vortritt lassen, ändern auch sich auch Schauplätze der Projekte für hilfe. Der Geduld wäre angesagt, das zuhören, gediehen lassen, zeit lassen, damit man nicht in fünfzig Jahren von Lärm Ohren vierfach aufmachen muss.

Ausharren auch bei der uindankbare Aufgabe, den eigenen Augen und dem Herz zuzutrauen, servierte Mikrowellen Werte werten, nach-fragen, hinter-fragen und endlich laut, ganz laut aufschreien wegen Volkermördes in Kosovo… ist das ein Traum von mir?

*Dragica Rajic stammt aus Kroatien und lebt zurzeit in der Schweiz. Texte von Dragica Rajic werden auch in den folgenden fünf Ausgaben der FriZ an dieser Stelle erscheinen.

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