Von Stefan Boss*
Gemeint ist Slowenien. Ende letzten Jahres haben die Pilatus-Werke in Stans drei Flugzeuge des Typs PC-9 mit einem kompletten Satz von Aufhängepunkten ausgerüstet und anschliessend nach Ljubljana exportiert. Dies wusste die Fachzeitschrift «Air Forces Monthly» zu berichten. Die ursprüngliche Lieferung der Flugzeuge ohne Aufhängepunkte geht auf das Jahr 1995 zurück. Die umstrittenen Punkte dienen dazu, Waffen
systeme an den Flügeln zu befestigen. Die Cockpits der PC-9 sind mit Auslösevorrichtungen ausgerüstet, die den gezielten Abwurf von Bomben ermöglichen. Laut dem international anerkannten Militärblatt erhielten die aufgerüsteten Flugzeuge neu eine militärische Seriennummer und einen Tarnanstrich: Um «zum Ausdruck zu bringen, dass sie eine wichtigere militärische Rolle spielen». Nur ein Jahr nach dem Abschluss des Dayton-Abkommens half die Schweiz also mit, die Krisenregion Ex-Jugoslawien wieder aufzurüsten. Gerade in jüngster Zeit haben die Spannungen in der Region ja wieder zugenommen. Und die offizielle Schweiz drückt sich um eine Stellungnahme.
Immerhin konnte Othmar Wyss vom Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) die Lieferung inzwischen bestätigen. Nach Rücksprache mit dem EDA habe das BAWI die Bewilligung für die Nachrüstung erteilt, weil Slowenien nicht mehr am Konflikt in Ex-Jugoslawien beteiligt sei.
Für Peter Hug von der «Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot» ist der neuste Pilatus-Deal «beelendend, weil er einmal mehr die fehlende Kohärenz zwischen Aussenpolitik und Aussenwirtschafts-politik sichtbar macht»: Auf der einen Seite habe sich die Schweiz vor allem im Rahmen der OSZE stark für eine Vermittlung im Krieg in Ex-Jugoslawien eingesetzt, und nun beliefert sie ehemalige Kriegsparteien wieder mit Waffen.
In der Tat ist Ende des letzten Jahres bereits bekannt geworden, dass Kroatien in der Schweiz ebenfalls 20 PC-9 bestellt hat. «Ohne Aufhängepunkte», wie die Pilatus-Werke und das BAWI damals betonten. Besonders brisant ist die Lieferung an Kroatien, weil dort laut Amnesty International immer wieder die Menschenrechte verletzt werden und sich der BAWI-Persilschein für Slowenien sicher nicht auf das östliche Nachbarland über
tragen lässt. Für Hug ist es gut möglich, dass dabei die eine Lieferung die andere provoziert hat. «Die Schweiz heizt auf diese Weise das lokale Wettrüsten an!» erklärt er. Auch für Line Boser von den Frauen für den Frieden sind Slowenien und Kroatien alles andere als friedliche Nachbarn.
Laut dem Jahrbuch «Military Balance» verfügte Slowenien bisher über
keine Kampfflugzeuge. Die Schweizer Flugzeuge dürften für die slowenische
Armee also von grossem militärischem Nutzen sein. Der kroatischen Armee dienen
die Pilatus-Flieger auch ohne Aufhängepunkte nachweislich zum Üben für
die Kampfflugzeuge MiG-21. Muss nun schon bald damit gerechnet
werden, dass auch das Tudjman-Regime Aufhängepunkte in Stans nachbestellt?
Für Wyss vom BAWI schafft der Slowenien-Entscheid jedoch kein Präjudiz für
Kroatien. Ein Nachrüstungsgesuch für
Zagreb müsste separat geprüft werden.
Entscheidend wäre Wyss zufolge die Frage, ob Kroatien zum gegebenen
Zeitpunkt mit Schweizer Kriegsmaterial beliefert werden dürfe. Bisher hat der
Bundesrat allerdings erst in einem einzigen Fall
gegen die Pilatus-Werke entschieden: Im Jahre 1995 wurde ein Gesuch für die
Belieferung Mexikos mit Verweis auf Artikel 102 der Bundesverfassung
verweigert. Dieser Artikel schreibt dem
Bundesrat eine generelle Kompetenz für die Aussenpolitik zu.
Darauf wird sich der Bundesrat jedoch in Zukunft nicht mehr stützen können. Das Parlament hat Ende letzten Jahres die Pilatus-Flugzeuge nicht dem Kriegs-materialgesetz, sondern bloss dem largeren Güterkontrollgesetz unterstellt. Im Klartext heisst dies: Eine Bewilligung für Pilatus-Exporte kann nur verweigert werden, wenn das Ausfuhrland einem Embargo der UNO oder der EU untersteht. Eine Einstufung des Exportlandes als Spannungsgebiet was nach dem Kriegsmaterialgesetz für eine Verweigerung der Bewilligung genügen würde reicht nicht aus. Die Schweiz verzichtet in diesem Fall also auf eine eigenständige Aussenpolitik. Zwar besteht im Augenblick noch ein EU-Embargo gegen Kroatien, laut Hug ist es aber gut möglich, dass dieses schon bald aufgehoben wird. Die USA drängen die EU seit längerem zu diesem Schritt. Danach stünde einer Nachrüstung von Pilatus-Flugzeugen auch für Kroatien nichts mehr im Wege.
* Stefan Boss war bis vor kurzem Pressesprecher der
Friedens-politischen Initiativen
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