Pilatus entdeckt den Absatzmarkt Ex-Jugoslawien

Aktuell

Pilatus-Direktor Oscar Schwenk befindet sich auf Tauchstation. «Herr Schwenk will gegenüber der FriZ keine Stellungnahme abgeben», lässt seine Sekretärin auf unsere Anfrage ausrichten. Beim Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mag man sich nur vage erinnern. Nach längerem Nachfragen erklärt Andreas Friedrich bloss, man könne einem Staat nicht verwehren, die nötigen Waffen zu kaufen.

Von Stefan Boss*

Gemeint ist Slowenien. Ende letzten Jahres haben die Pilatus-Werke in Stans drei Flugzeuge des Typs PC-9 mit einem kompletten Satz von Aufhängepunkten ausgerüstet und anschliessend nach Ljubljana exportiert. Dies wusste die Fachzeitschrift «Air Forces Monthly» zu berichten. Die ursprüngliche Lieferung der Flugzeuge ohne Aufhängepunkte geht auf das Jahr 1995 zurück. Die umstrittenen Punkte dienen dazu, Waffen

Ein PC-9 frisch ab Werk ­ das hier selbstverständlich unbewaffnete Flugzeug lässt sich aber leicht nachträglich bestücken



Pilatus-Werbung vor 30 Jahren

systeme an den Flügeln zu befestigen. Die Cockpits der PC-9 sind mit Auslösevorrichtungen ausgerüstet, die den gezielten Abwurf von Bomben ermöglichen. Laut dem international anerkannten Militärblatt erhielten die aufgerüsteten Flugzeuge neu eine militärische Seriennummer und einen Tarnanstrich: Um «zum Ausdruck zu bringen, dass sie eine wichtigere militärische Rolle spielen». Nur ein Jahr nach dem Abschluss des Dayton-Abkommens half die Schweiz also mit, die Krisenregion Ex-Jugoslawien wieder aufzurüsten. Gerade in jüngster Zeit haben die Spannungen in der Region ja wieder zugenommen. Und die offizielle Schweiz drückt sich um eine Stellungnahme.

Nach Rücksprache mit dem EDA

Immerhin konnte Othmar Wyss vom Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) die Lieferung inzwischen bestätigen. Nach Rücksprache mit dem EDA habe das BAWI die Bewilligung für die Nachrüstung erteilt, weil Slowenien nicht mehr am Konflikt in Ex-Jugoslawien beteiligt sei.

Für Peter Hug von der «Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot» ist der neuste Pilatus-Deal «beelendend, weil er einmal mehr die fehlende Kohärenz zwischen Aussenpolitik und Aussenwirtschafts-politik sichtbar macht»: Auf der einen Seite habe sich die Schweiz vor allem im Rahmen der OSZE stark für eine Vermittlung im Krieg in Ex-Jugoslawien eingesetzt, und nun beliefert sie ehemalige Kriegsparteien wieder mit Waffen.

Stans beliefert bereits
Kroatien

In der Tat ist Ende des letzten Jahres bereits bekannt geworden, dass Kroatien in der Schweiz ebenfalls 20 PC-9 bestellt hat. «Ohne Aufhängepunkte», wie die Pilatus-Werke und das BAWI damals betonten. Besonders brisant ist die Lieferung an Kroatien, weil dort laut Amnesty International immer wieder die Menschenrechte verletzt werden und sich der BAWI-Persilschein für Slowenien sicher nicht auf das östliche Nachbarland über

tragen lässt. Für Hug ist es gut möglich, dass dabei die eine Lieferung die andere provoziert hat. «Die Schweiz heizt auf diese Weise das lokale Wettrüsten an!» erklärt er. Auch für Line Boser von den Frauen für den Frieden sind Slowenien und Kroatien alles andere als friedliche Nachbarn.

Laut dem Jahrbuch «Military Balance» verfügte Slowenien bisher über keine Kampfflugzeuge. Die Schweizer Flugzeuge dürften für die slowenische Armee also von grossem militärischem Nutzen sein. Der kroatischen Armee dienen die Pilatus-Flieger auch ohne Aufhängepunkte nachweislich zum Üben für die Kampfflugzeuge MiG-21. Muss nun schon bald damit gerechnet werden, dass auch das Tudjman-Regime Aufhängepunkte in Stans nachbestellt? Für Wyss vom BAWI schafft der Slowenien-Entscheid jedoch kein Präjudiz für Kroatien. Ein Nachrüstungsgesuch für Zagreb müsste separat geprüft werden. Entscheidend wäre Wyss zufolge die Frage, ob Kroatien zum gegebenen Zeitpunkt mit Schweizer Kriegsmaterial beliefert werden dürfe. Bisher hat der Bundesrat allerdings erst in einem einzigen Fall gegen die Pilatus-Werke entschieden: Im Jahre 1995 wurde ein Gesuch für die Belieferung Mexikos mit Verweis auf Artikel 102 der Bundesverfassung verweigert. Dieser Artikel schreibt dem
Bundesrat eine generelle Kompetenz für die Aussenpolitik zu.

Seit 1996 kein Kriegsgut mehr

Darauf wird sich der Bundesrat jedoch in Zukunft nicht mehr stützen können. Das Parlament hat Ende letzten Jahres die Pilatus-Flugzeuge nicht dem Kriegs-materialgesetz, sondern bloss dem largeren Güterkontrollgesetz unterstellt. Im Klartext heisst dies: Eine Bewilligung für Pilatus-Exporte kann nur verweigert werden, wenn das Ausfuhrland einem Embargo der UNO oder der EU untersteht. Eine Einstufung des Exportlandes als Spannungsgebiet ­ was nach dem Kriegsmaterialgesetz für eine Verweigerung der Bewilligung genügen würde ­ reicht nicht aus. Die Schweiz verzichtet in diesem Fall also auf eine eigenständige Aussenpolitik. Zwar besteht im Augenblick noch ein EU-Embargo gegen Kroatien, laut Hug ist es aber gut möglich, dass dieses schon bald aufgehoben wird. Die USA drängen die EU seit längerem zu diesem Schritt. Danach stünde einer Nachrüstung von Pilatus-Flugzeugen auch für Kroatien nichts mehr im Wege.

* Stefan Boss war bis vor kurzem Pressesprecher der Friedens-politischen Initiativen

Eine kleine Pilatus-Chronologie

  • 1939 Gründung der «Pilatus»-Flugzeugwerke im obwaldnerischen Stans.
  • 1942 Offizielle Werkeinweihung durch Emil Georg Bührle.
  • 1949 Der Bundesrat erlässt den Kriegsmaterialbeschluss, der «Flugmaterial und Flugzeugtriebwerke für militärische Verwendung» einer Bewilligungspflicht unterstellt.
  • 1953 Die Pilatus Flugzeugwerke steigen ins Export-geschäft ein. Die erste Lieferung (Modell P-3) geht an die brasilianische Marine. Bis 1973 bleibt die Ausfuhr von Pilatus-Flugzeugen jedoch bewilligungspflichtig.
  • 1962 Der amerikanische Geheimdienst CIA kauft Pilatus Porter PC-6 und setzt sie im damals noch verdeckten Krieg in Laos zum Transport von Opium, Waffen, Agenten und Gold ein.
  • 1973 Das EMD greift der skandalgeschüttelten Stanser Flugzeugfabrik unter die Arme und streicht in der Kriegsmaterialverordnung die Ausfuhrbewilligungspflicht für Leichtflugzeuge.
  • 1975 Die Flugwaffe von Burma bestellt den an der Pariser Luftfahrtschau als Prototyp präsentierten brandneuen Militärtrainer aus der Stanser Flugzeugschmiede ­ und spricht dafür ein gewichtiges Wort bei der Ausgestaltung des PC-7 zum leistungsstarken Waffenträger mit.
  • 1976 Die Pilatus Flugzeugwerke werben bereits ab 1976 in einer ausführlichen Verkaufsdokumentation für die zahlreichen Bewaffnungsmöglichkeiten des PC-7, obwohl dieser erst drei Jahre später serienmässig ausgeliefert wird.
  • 1979 Die ersten regulären PC-7 werden nach Burma überflogen. Auch Guatemala erhält die ersten seiner später insgesamt zwölf PC-7.
  • 1984 «Le Matin» enthüllt die Pilatus-Dokumentation. Trotz mittlerweile nachgewiesenen Kampf-einsätzen von PC-7 (u.a. in Guatemala), halten EMD und Parlament am «grundsätzlichen zivilen Charakter» der Pilatus-Flugzeuge fest.
  • Im gleichen Jahr bestellt erneut Burma als erste Kundin die neuen Pilatus-Modelle PC-9.
  • 1985 Auch der Bundesrat verzichtet darauf, die Pilatus-Maschinen dem KMG zu unterstellen.
  • 1987 Änderung der Kriegsmaterialverordnung punkto Chemiewaffen durch den Bundesrat: Dabei wird erstmals auf den Verwendungszweck und nicht auf die technische Beschaffenheit abgestellt.
  • 1989 EMD-Chef Villiger bestätigt erstmals vor dem Nationalrat, dass in Burma und Guatemala Pilatus-Flugzeuge gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wurden.
  • 1991 Pilatus muss nach dem Ende des Kalten Krieges 200 Stellen abbauen.
  • 1992 Die irakische Luftwaffe bombardiert mit Pilatus-Flugzeugen im Süden des Landes SchiitenInnen.
  • Im gleichen Jahr protestiert der UNO-Sicherheitsrat gegen den geplanten Export von sechzig
  • PC-7-Maschinen nach Südafrika.
  • 1993 Der Bundesrat erteilt für den Südafrika-Export die Bewilligung, obwohl dieser gegen bindendes UNO-Recht verstösst.
  • Im gleichen Jahr enthüllt die ARW, dass Flugzeugtechniker der Pilatus-Werke bei der Bewaffnung von PC-7- und PC-9-«Militärtrainern» in Burma mitwirkten; Pilatus entlässt ihren Direktor Walter Gubler.
  • Die Pilatus-Führung gibt in ihrem im August veröffentlichten Weissbuch zu, dass ihre «Trainingsflugzeuge» in Angola, Burma, Guatemala und im Irak gegen unbewaffnete Personen eingesetzt wurden.
  • Im Dezember bewilligt der Bundesrat den Export von zwanzig PC-9 mitsamt den umstrittenen Aufhängepunkten für Waffen nach Südkorea sowie die Lieferung von sieben PC-7 nach Nigeria.
  • 1995 Der Bund verweigert der Lieferung neuer Pilatus-Flieger nach Mexiko die Bewilligung; im Kampf gegen die ZapatistInnen setzt die Armee nichtsdestotrotz ihre alten PC-7 ein.
  • Slowenien bestellt drei PC-9 ohne Aufhängepunkte.
  • 1996 Bundesrat und Nationalrat beschliessen, PC-7 und PC-9 nicht auf die Kriegsmaterialliste zu setzen.
  • Gleichzeitig wird bekannt, dass Burma erneut Pilatus-Flieger gegen Aufständische einsetzt.
  • Die Pilatus-Werke überstellen drei PC-9-Flieger nach Slowenien ­ mit Aufhängungspunkten.
  • Auch Kroatien bestellt in Stans zwanzig PC-9.
  • Quelle: Mario Poletti, «Der Pilatus Schwindel. PC-7 und PC-9 im Sturzflug», 1993, ARW-Verlag, Bern

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