FriZ 1+2/2011

Zivile Friedensförderung der Schweiz - These 6

Intensivierte Zusammenarbeit mit Wissenschaft und NGO

a) Die in der zivilen Friedensförderung tätigen Verwaltungseinheiten müssen auf internationaler Ebene die Zusammenarbeit mit NGO und wissenschaftlichen Institutionen weiter ausbauen.
b) Der Aufbau von Expertise muss weiter unterstützt und der personelle Austausch von Wissensträgern zwischen Verwaltung, Praxis und Wissenschaft gefördert werden. Dadurch wird langfristig ein umfassender Wissenspool für den weiteren Ausbau der zivilen Friedensförderung aufgebaut.

Das entsprechende Konzept der PA IV definiert die strategische Partnerschaft als «strukturierte Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnerinstitutionen, welche im Bereich der Friedenspolitik, der zivilen Friedensförderung und Konfliktbearbeitung sowie der Menschen-rechtsförderung über besondere Kompetenzen verfügen und die einen substanziellen Beitrag zur Erfüllung der in der Botschaft Rahmenkredit festgehaltenen strategischen Ziele leisten.»43 Laut Konzept bezweckt eine strategische Partnerschaft insbesondere

  1. der Schweiz Zugang zu Schlüsselakteuren zu ermöglichen;
  2. die Allianzbildung und Kooperation mit anderen Akteuren zu fördern;
  3. Schlüsselwissen für unsere Politikformulierung und -entwicklung verfügbar zu machen;
  4. politische Schwerpunkte einzubringen, zu testen und zu verbreiten;
  5. Einstiegspunkte für bilaterale oder multilaterale Aktionen zu identifizieren;
  6. das Profil der zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechts-förderung auf nationaler und internationaler Ebene zu erhöhen und zu schärfen; sowie
  7. einen Beitrag zur Stärkung des multilateralen Systems zu leisten.
In der Tat hat es dieses Konzept ermöglicht, mit ausgewählten Partnern aus Wissenschaft und Nichtregierungskreisen eine langfristig angelegte und produktive Zusammenarbeit aufzubauen. Wie aus den Kapiteln 2 und 4 hervorgeht, bilden die strategischen Partnerschaften auch die Basis für die meisten Erfolge auf der operationellen und der politischen Ebene. Die Projekte zum Aufbau von rasch und flexibel abrufbarer Expertise sowie alle umfassenderen Aus- und Weiterbildungsvorhaben werden ebenfalls praktisch ausnahmslos mit diesen Partnern durchgeführt. Dabei handelt es sich nicht um eine einfache Aufgabendelegation, sondern um eine enge inhaltliche Kooperation. Auch wenn nicht jede der eingegangen Partnerschaften zu jeder Zeit gleich ergiebig und wirksam ist, so hat sich das Konzept über die mittlere und längere Frist bewährt. Es lohnt sich also durchaus, rund 16 Prozent der Budgetmittel für die zivile Konfliktbearbeitung sowie für die drei Genfer Zentren zugunsten dieser Partnerschaften aufzuwenden. Skeptiker kritisieren zwar zuweilen, dass somit Nichtregierungsorganisationen gar viele Ressourcen zufliessen würden, oder sehen gar einen Widerspruch zum Gebot des akteursorientierten Handelns. Ein genauerer Blick auf konkrete Aktionen macht dann jedoch rasch deutlich, dass das EDA ohne die Unterstützung der Partner oft gar nicht zum Handeln käme oder dies nicht mit der nötigen Kompetenz tun könnte. Der Bericht des Bundesrates vom 25. März 2009 unterstreicht unter dem Titel «Wissensaufbau» zudem die Durchlässigkeit zwischen Diplomatie, Forschung und Praxis: Er erläutert, dass sich die mit der zivilen Friedensförderung betraute Politische Abteilung IV des EDA zu einem Drittel aus Diplomaten und zu zwei Dritteln aus wissenschaftlichen Mitarbeitern zusammensetzt, die unter anderem aus Hochschulen, NGO, dem IKRK, der Entwicklungszusammenarbeit, den Medien, aktiven Friedenseinsätzen oder internationalen Organisationen kommen. Die vielfältigen Qualifikationen und Erfahrungen des Personals sowie die Durchlässigkeit zwischen Diplomatie, Verwaltung, Praxis und Forschung haben so den Aufbau eines soliden und nachhaltigen Wissens ermöglicht. Kritisch ist allerdings anzumerken, dass die Durchlässigkeit zwischen Diplomatie, Forschung, Zivilgesellschaft und insbesondere der Politik in einem Land wie Norwegen noch wesentlich weiter entwickelt ist. Dies gilt gerade auch für die Spitzenchargen im Aussenministerium, in Forschungsinstitutionen und bei Nichtregierungsorganisationen. Ebenfalls kritisch festzuhalten ist, dass es jenseits der oben geschilderten Investitionen in strategische Partnerschaften bisher nicht gelungen ist, die klassischen schweizerischen Forschungsförderungsinstrumente für die Friedens- oder Menschenrechtspolitik zu gewinnen. So haben Swisspeace und die PA IV seit 2002 insgesamt vier vergebliche Versuche für die Lancierung eines Nationalen Forschungsprogramms (NFP) «Friedensförderung» unternommen. Auch dem Versuch, einen Nationalen Forschungsschwerpunkt «Humanitäres Völkerrecht / Menschenrechte» unter Genfer Führung zu schaffen, blieb der Erfolg versagt. Da hat bisher auch die Unterstützung prominenter Parlamentarier nicht geholfen, wie die vom damaligen Ständerat Didier Burkhalter 2007 eingereichte Interpellation zum Thema «Evaluation und Forschung im Bereich Frieden» zeigt. Der Bundesrat bestätigte zwar, dass «ein Ausbau der Friedensforschung zur Stärkung der Schweizer Friedenspolitik sowie zur besseren Koordination und Kommunikation beitragen» würde, und erwähnte auch explizit die Möglichkeit eines entsprechenden NFP44, doch ist diese prinzipielle Unterstützung bisher ohne konkrete Wirkung geblieben.

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