FriZ 1+2/2011

Zivile Friedensförderung der Schweiz - These 1

Verstärkung des schweizerischen Engagements und Formulierung einer Gesamtstrategie

These 1a

In ihrer aussenpolitischen Zielausrichtung unterstreicht die Schweiz ihre Absicht, einen wesentlichen und deutlich sichtbaren Beitrag zur Verhütung von Gewaltkonflikten und zur Sicherung von Stabilität und Frieden leisten zu wollen. Da sich weltweit die Friedensförderung als ein wichtiges Instrument zur Erreichung dieser Zielsetzung erweist und weiter an Bedeutung gewinnen wird, sollte die Schweiz ihr Engagement in diesem Bereich verstärken.

Es gibt eine ganze Reihe von überzeugenden Belegen für ein signifikant verstärktes Engagement der Schweiz im Bereich der zivilen Friedensförderung: Auf der Ebene der Inputs lässt sich leicht nachweisen, dass die eingesetzten Budgetmittel wesentlich gesteigert worden sind. So ist die Budgetlinie der Politischen Abteilung IV für zivile Konfliktbearbeitung und Stärkung der Menschenrechte 2010 mit 62,8 Mio. Schweizer Franken um 25 % höher als noch im Jahr 2006.

Dazu sind die Ausgaben für die drei Genfer Zentren9 zu rechnen, welche bis in das Jahr 2010 von EDA und VBS getragen wurden. Sie sind über den fraglichen Zeitraum stabil geblieben und beliefen sich auf knapp 30 Mio. Franken pro Jahr. Weniger klar beziffern lassen sich hingegen die Aktivitäten der DEZA im Bereich der Konfliktprävention und der Friedenskonsolidierung, welche ebenfalls der zivilen Friedensförderung zugerechnet werden können. Angesichts der Zunahme von Ländern hoher Fragilität, in welchen die Schweiz über eine Gesamtstrategie verschiedene aussenpolitische Instrumente gleichzeitig einsetzt (vgl. weiter unten), kann davon ausgegangen werden, dass auch seitens der DEZA mehr Mittel in diesem Bereich ausgegeben worden sind. Interessanterweise zeigt eine andere Kennziffer nicht denselben Trend: Die Personalressourcen der PA IV bleiben über den fraglichen Zeitraum weitgehend stabil. Der permanente Personalbestand in der Zentrale hat sich trotz des Rahmenkredits zwischen 66 und 68 Stellen eingependelt. Dies ist unzweifelhaft Ausdruck einer harten Konkurrenz um Personalressourcen angesichts verschiedener gleichzeitig laufender Reformvorhaben im Departement - so der Aufbau der thematischen, hauptsächlich für Finanz- und Wirtschaftsfragen zuständigen Politischen Abteilung V oder die Verstärkung des Generalsekretariats. Angestiegen ist in der PA IV nur die Zahl der bilateral im Feld, auf Botschaften und Koordinationsbüros eingesetzten Friedens- und Menschenrechtsexperten (2006: 11; 2009: 13), der so genannten Peacebuilding und Human Rights Advisers, sowie der in der Zentrale beschäftigten Praktikantinnen und Praktikanten (2006: 13; 2009: 19). Hingegen ist insgesamt wesentlich qualifizierteres und damit auch teureres Personal angestellt worden. Dieser Trend spiegelt die Nachfrage nach hochqualifizierter Expertise auf dem äusserst kompetitiven Markt für friedens- und menschenrechtspolitische Dienstleistungen wider. Er zeigt sich beispielsweise in der Verdoppelung der Zahl von Sondergesandten im Botschafterrang10 (2010: 4) und der von Bern eingesetzten Spitzenvermittler (2010: 2) der PA IV.

Noch bedeutsamer als gesteigerte Inputs sind jedoch konkrete Resultate als Beleg für ein verstärktes Engagement in der zivilen Friedensförderung. In den unter dem Titel «Frieden und Menschenrechte in der schweizerischen Aussenpolitik» 200611 und 200712 publizierten Jahresberichten wie auch im Aussenpolitischen Bericht 200913 und 201014 sind die wichtigsten Resultate nachgezeichnet. Von den konkreten Beiträgen, welche die Schweiz in Friedensprozessen sowie auf multilateraler Ebene an Politikentwicklungsprozesse geleistet hat, sollen an dieser Stelle nur einige stichwortartig erwähnt werden:

  1. Nepal: Diskrete schweizerische Fazilitation15 trug massgeblich dazu bei, dass am 21. November 2006 in Kathmandu ein umfassendes Friedensabkommen unterzeichnet werden konnte, das den zehn Jahre währenden Bürgerkrieg mit mehr als 16000 Todesopfern beendete. Bis heute spielt die Schweizer Expertise eine wesentliche Rolle bei der Ausarbeitung einer neuen demokratischen Verfassung, der Reform des Sicherheitssektors und der Vergangenheitsbewältigung. Weiterhin wird auch zwischen den Parteien zur Festigung des Friedensabkommens diskret vermittelt.
  2. Burundi: Mittels geschickter Zusammenarbeit zwischen dem schweizerischen Peacebuilding Adviser vor Ort und der Nichtregierungsorganisation Initiatives et Changement vermochte die Schweiz massgeblich dazu beizutragen, dass sich auch die letzte Rebellenorganisation, die Palipehutu-FNL, dem Friedensprozess anschloss und sich im März 2009 in eine politische Partei umwandelte. Auch dieser Tatsache war es zu verdanken, dass die Schweiz den Vorsitz der Burundikonfiguration der Peacebuilding-Kommission in New York übernehmen konnte.16
  3. Armenien-Türkei: Nachdem die Schweiz der Türkei über mehrere Jahre in der Armenienfrage Expertise angeboten hatte, wurde sie von den Parteien aufgrund ihres reichen Erfahrungsschatzes im Bereich der Vergangenheitsbewältigung zur Vermittlung eingeladen. Nach intensiven Verhandlungsrunden in den Jahren 2008 und 2009, unter anderem auch in der Schweiz, haben die Parteien im Oktober 2009 in Zürich zwei Protokolle unterschrieben, die nun von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden müssen. Die Schweiz konnte damit einen international stark beachteten Beitrag zur Normalisierung der Beziehungen der beiden Länder leisten.
  4. Kolumbien: Das seit dem Jahr 2000 immer wieder gewichtige Engagement als Fazilitatorin in den Konflikten zwischen der Regierung und der FARC, beziehungsweise zwischen der Regierung und der ELN, hat zwar keinen Durchbruch im Friedensprozess gebracht, ja 2008 gar zu einer wesentlichen Belastung der bilateralen Beziehungen geführt. Die schweizerischen Anstrengungen trugen jedoch zur Freilassung von zahlreichen Geiseln bei und bereiteten daneben Erfolge in anderen Bereichen vor: So ist die Schweiz als Beraterin von Regierung und Zivilgesellschaft bei der Vergangenheitsbewältigung im Friedensprozess mit den Paramilitärs tätig, wo sie zugunsten der Nationalen Kommission für Versöhnung und Reparationen sowie der Historikerkommission Expertise zur Verfügung stellt und Vermittlungsdienste anbietet.
  5. Uganda: Der schweizerische Vermittler hat die offizielle südsudanesische Fazilitation massgeblich in den Verhandlungen zwischen der Lord's Resistance Army (LRA) und der ugandischen Regierung unterstützt. Er skizzierte die Etappen des Verhandlungsprozesses und redigierte den Waffenstillstandsvertrag, der schliesslich abgeschlossen wurde. Dies brachte Ruhe nach Norduganda und ermöglichte die Rückkehr von hunderttausenden von Flüchtlingen. Hingegen gelang es nicht, den Friedensprozess zu Ende zu führen und mit einem Friedensabkommen abzuschliessen, so dass die LRA noch heute ihr Unwesen in den Grenzgebieten der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik und des Sudans treibt.
  6. Naher Osten: Auch in der Konfliktregion mit der vermutlich höchsten Dichte von Sondergesandten und Vermittlern gelingt es der Schweiz, regelmässig sinnvolle Nischen zu identifizieren.17 Dazu gehört die konsequente Fortschreibung der Geneva Accords, welche aus der so genannten Genfer Initiative hervorgegangen sind. Wichtige zivilgesellschaftliche Akteure auf israelischer wie palästinensischer Seite haben weitere Schlüsselaspekte eines Friedensabkommens (Sicherheitsfragen, Jerusalem, Flüchtlinge, Vergangenheitsbewältigung) in Form von Zusatzprotokollen verhandelt und damit zuhanden der offiziellen Track 1-Akteure18 deutlich gemacht, dass auch «die Mutter aller Konflikte» im Prinzip lösbar ist. Die Bereitschaft, den Dialog auch mit schwierigen Partnern zu suchen und zu pflegen, führt zudem dazu, dass die Schweiz über solide Kommunikationskanäle zu Gruppen wie der Hamas oder der Hezbollah verfügt, ohne welche Friedenslösungen in dieser Region nicht denkbar sind. Auch wenn diese Kanäle vordergründig zeitweilig lautstark kritisiert werden, werden sie von zentralen Akteuren, beispielsweise in Brüssel und Washington, durchaus geschätzt. Die Schweiz kann mit recht stolz auf diese Beiträge sein.

Bei aller Relevanz dieser Leistungen gilt es jedoch immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass die Schweiz in einem Friedensprozess nur eine katalytische oder unterstützende Rolle spielen kann. Es ist nicht die externe Drittpartei, welche «den Frieden macht», sondern es sind die Parteien vor Ort, das heisst die Nepali, die Burunder oder die Sudanesen. Es sind die Armenier und Türken, die sich angenähert haben und den politischen Willen aufbringen müssen, diesen Prozess weiter zu tragen. Die Schweiz kann sie dabei unterstützen. Zudem ist sie dabei immer auch auf Unterstützung angewiesen. Friedensprozesse sind heute dermassen komplexe Prozesse, dass sie in den meisten Fällen als Joint Ventures einer Vielzahl von Akteuren konzipiert werden müssen, zu deren Umsetzung es starke Allianzen braucht. Allianzen, bei welchen es in der Regel auch auf eine geschickte Verbindung von soft und hard power ankommt. Dies gilt grundsätzlich natürlich ebenso für multilaterale Prozesse der Politikentwicklung, die ebenfalls zum Kerngeschäft der zivilen Friedensförderung der Schweiz gehören. Auch hierzu einige Stichworte zu wichtigen Resultaten seit 2006:

  1. UNO-Markierungs- und Rückverfolgungsinstrument für Kleinwaffen und leichte Waffen: Im Kampf gegen den Missbrauch und die Weiterverbreitung von Kleinwaffen hat die Schweiz die Schaffung eines Markierungs- und Rückverfolgungsinstruments initiiert und dieses im Rahmen der UNO ausgehandelt.
  2. Genfer Erklärung zur bewaffneten Gewalt und Entwicklung: Mit der im Juni 2006 lancierten «Genfer Erklärung zur bewaffneten Gewalt und Entwicklung» hat die Schweiz das Phänomen der bewaffneten Gewalt als fundamentales Entwicklungshemmnis mit Erfolg auf die internationale Agenda gebracht. Dabei geht es insbesondere um die Erkenntnis und die daraus abzuleitenden praktischen Konsequenzen, dass heute von jährlich rund 740000 Opfern bewaffneter Gewalt rund ein Drittel direkte und indirekte Konfliktopfer darstellen, während zwei Drittel aus einem Nichtkonfliktumfeld (Jugend- und Bandenkriminalität, organisierte Kriminalität u.a.) stammen.19
  3. UNO-Menschenrechtsrat: Die Schaffung des UNO-Menschenrechtsrates im Jahr 2006, die zweifache Wahl der Schweiz in dieses Gremium sowie eine ganze Reihe von im Rat lancierten Initiativen gehören zu den grossen Erfolgen der Schweizer UNO-Politik. Selbstkritisch gilt es allerdings festzuhalten, dass der UNO-Menschenrechtsrat noch lange nicht so funktioniert, wie wir uns dies wünschen. Er stellt zwar eine deutliche Verbesserung gegenüber der früheren Kommission dar, trotzdem bedarf es aber weiterhin grosser Anstrengungen, um bestehende Defizite zu korrigieren.
  4. Engagement gegen die Todesstrafe: Die Schweiz hat ihr Engagement zugunsten der Abschaffung der Todesstrafe in den letzten Jahren stark intensiviert. Einen Höhepunkt ihrer Anstrengungen stellt der 4. Weltkongress gegen die Todesstrafe dar, der im Februar 2010 in Genf über die Bühne ging und klare Zeichen setzte, unter anderem mit der spanischen Initiative für ein weltweites Hinrichtungsmoratorium bis 2015, die Bemühungen zur totalen Abschaffung der Todesstrafe zu beschleunigen.
  5. Verhaltenskodex für private Militär- und Sicherheitsfirmen: Die Schweiz setzte sich unter der Leitung der Direktion für Völkerrecht seit 2005 für die Klärung der völkerrechtlichen Verpflichtungen von Staaten beim Einsatz privater Militär- und Sicherheitsfirmen ein. Dies führte im September 2008 zur Verabschiedung des so genannten Montreux Document durch eine Reihe von Staaten.20 Um das Verhalten der privatwirtschaftlichen Akteure direkt zu beeinflussen, fiel im Juni 2009 in Nyon der Startschuss zur Erarbeitung eines Verhaltenskodexes für die entsprechende Branche. Der Prozess wurde von den wichtigsten Sicherheitsfirmen mitgetragen und von der Schweiz fazilitiert. Gestützt auf die Expertise der Genfer Akademie für Humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte und des Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces (DCAF) wurde der Verhaltenskodex am 9. November 2010 von rund 60 Sicherheitsfirmen unterzeichnet.21 Der Aufbau eines Sekretariates und eines internationalen Rechenschaftsmechanismus zur Umsetzung und Kontrolle dieses globalen Industriestandards ist geplant.

These 1b

Aufgrund der zunehmenden Notwendigkeit der Kooperation von ziviler Friedensförderung, militärischer Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit erscheint die konzeptionelle Zusammenführung dieser drei Bereiche in einer schweizerischen Gesamtstrategie «Friedensförderung» sinnvoll und gewinnbringend.

Seit 2006 ist von Seiten des Bundes viel konzeptionelle und praktische Arbeit geleistet worden, um das Zusammenspiel von ziviler und militärischer Friedensförderung sowie der Entwicklungszusammenarbeit zu verbessern. In seinem Bericht vom 25. März 2009 verweist der Bundesrat dabei auch auf das Kapitel 3.2 der «Botschaft vom 15. Juni 2007 über die Weiterführung von Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte», welches sich ausführlich mit der gegenseitigen Ergänzung der verschiedenen Instrumente der Friedenspolitik des Bundes, ihrer Akteure sowie mit den Führungs- und Koordinationsmassnahmen befasst. Der Bundesrat stellt in diesem Bericht wie auch in seiner Antwort auf ein Postulat der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats22 einen «Gesamtbericht über seine künftige Strategie für Friedensförderung und Abrüstung» in Aussicht. Nach heutigem Wissensstand wird die geforderte Gesamtstrategie jedoch nicht in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen.

Der Aussenpolitische Bericht 2010 macht Aussagen zu Einsatz und Koordination der drei Instrumente, zur Schaffung eines eigentlichen «Leitbildes Frieden»23 aber leistet er kaum einen nennenswerten Beitrag. Dies ist zwar grundsätzlich bedauerlich, zumal auf Stufe Verwaltung umfassende Vorarbeiten geleistet wurden. Nach den jüngsten Erfahrungen mit dem Sicherheitspolitischen Bericht, der unter dem Fazit «viel Politik, wenig Strategie»24 zusammengefasst werden kann, ist es jedoch mehr als fraglich, ob die geforderte friedenspolitische Gesamtschau den Ansprüchen einer «Gesamtstrategie» hätte gerecht werden können. Ein «Leitbild Frieden» könnte wohl positive Impulse für weitere Fortschritte im Sinne eines kohärenten und wirkungsvollen Einsatzes aller friedenspolitischen Instrumente des Bundes geben, in letzter Instanz kann es jedoch kein Substitut für den fehlenden politischen Willen sein, einzelne dieser Instrumente besser zu nutzen und auszubauen. Mit anderen Worten: Solange die Bereitschaft, die militärische Friedensförderung stärker zu engagieren, politisch nicht besser abgestützt ist, riskiert eine friedenspolitische Gesamtschau zum Feigenblatt zu werden. Der politische Wille ist dabei aber nicht einfach eine unabänderliche Funktion der öffentlichen Meinung in unserem Land, sondern stark abhängig vom Leadership seitens der Politik. Mit je einem Kontingent und einem Detachement im Westbalkan und einer Reihe von Militärbeobachtern, Minenräumungs- und weiteren Spezialisten in rund einem Dutzend weiterer Operationen ist heute das militärische Engagement der Schweiz qualitativ zwar beeindruckend, quantitativ aber weit unterdurchschnittlich.25 Für die aussen- und sicherheitspolitische Abstimmung deren Einsatzes genügen die bestehenden Strategien und Koordinationsmechanismen vollumfänglich.

Dies will nicht heissen, dass sich die friedenspolitischen Akteure unseres Landes nicht national wie international ernsthaft mit der Zusammenarbeit der drei grossen D - Diplomacy, Defense und Development - auseinandergesetzt hätten. Zeugnis dafür ist eine diplomatische Initiative der DEZA, welche zur Durchführung einer viel beachteten internationalen Konferenz im März 2009, umfangreichen Follow-up-Aktivitäten sowie einer Referenz im G-8-Gipfel-Dokument geführt haben. Die Veranstaltung beziehungsweise der Prozess, welcher unter dem Titel «3C Conference» (coherent - coordinated - complementary) zusammengefasst wurde, strebt bessere Resultate bei der Bewältigung von Konfliktsituationen durch eine kohärentere, koordiniertere und komplementärere Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Akteuren der Sicherheit, Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und Finanzen an.26 Die Konferenz verhalf der Schweiz nicht nur zu internationaler Anerkennung, sondern erlaubte es ihr auch, im Rahmen der Vorbereitungen eigene Erfahrungen im Bereich der Koordination und Kooperation relevanter Akteure kritisch aufzuarbeiten. So wurde beispielsweise anhand einer Fallstudie untersucht, inwiefern das schweizerische Engagement im Sudan dem Anspruch des «Whole of Government»-Ansatzes gerecht wird.27 Eine Empfehlung der genannten Untersuchung lautete, dass eine für alle im Sudan tätigen Akteure des Bundes verbindliche Mittelfriststrategie zu erarbeiten sei - ein Postulat, das übrigens mittlerweile erfüllt worden ist. Ein anderes für die Konferenz geschaffenes Arbeitspapier untersuchte die Zusammenarbeit der relevanten Verwaltungseinheiten in der Gestaltung der Kleinwaffenpolitik.28 Auch hier resultierten nützliche Empfehlungen insbesondere für die Interdepartementale Arbeitsgruppe Kleinwaffen (IDAG SALW). Was das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure im Rahmen von multilateralen Friedensoperationen anbelangt, verabschiedete das EDA 2009 ein internes Konzeptpapier zu den relevanten Ansätzen der UNO (Integrated Missions), der EU beziehungsweise der NATO (Comprehensive Approach).29 Wenn auch noch keine Gesamtstrategie am Horizont zu erkennen ist, so sind die Koordinationsmechanismen zwischen den relevanten Bundesakteuren seit 2006 dennoch kontinuierlich weiterentwickelt worden. Dazu gehören gemeinsame Mittelfriststrategien für geografische Kontexte, in welchen mehrere friedenspolitische Instrumente zum Einsatz gelangen. Heute liegen solche Strategien für Nepal, Sri Lanka, das Gebiet der Grossen Seen und den Sudan vor. Für weitere relevante Regionen wie den Nahen Osten, den Westbalkan oder Kolumbien sind zumindest breit konsultierte und bewusst komplementär ausgestaltete Amtsstrategien erarbeitet worden. Die Koordination der operationellen Arbeit erfolgt über länderspezifische Arbeitsgruppen oder Task Forces, welche in unterschiedlichem Grad formalisiert sind. Neben den geografisch ausgerichteten Koordinationsgremien gibt es auch eine Reihe thematisch orientierter Mechanismen. Dazu gehören die bereits erwähnte IDAG Kleinwaffen, die IDAG Sicherheitssektorreform und Regionale Militärische Kooperation sowie die IDAG Minen, welche über je einen eher operationell und einen politisch tätigen Arm verfügen. Die Gesamtkoordination aller friedenspolitischen Akteure auf der Policy-Ebene obliegt der Kerngruppe (KG) Frieden. Sie wird vom Chef der PA IV geleitet und umfasst die regionalen Politischen Abteilungen sowie das Politische Sekretariat des EDA, die relevanten Bereiche von DEZA und VBS ebenso wie vom Bundesamt für Polizei. Interessanterweise sind die Nachrichtendienste bisher in keiner dieser friedenspolitischen Koordinationsinstanzen systematisch vertreten. Ebenfalls bemerkenswert ist der Umstand, dass sich die Steuerungsinstanzen der Sicherheitspolitik, der Sicherheitsausschuss des Bundesrates wie auch die Lenkungsgruppe Sicherheit, bisher nicht mit dem friedenspolitischen Auslandengagement beschäftigt haben. Eine Ausnahme bildete lediglich die Operation «SUMA» zugunsten der Tsunami-Opfer in Indonesien, die zwar in erster Linie humanitären Charakter hatte, aber doch auch als friedenspolitisch relevanter Stabilisierungsbeitrag gesehen werden kann. Dies macht deutlich, dass diese Gremien zum einen weiterhin mit einer stark auf die innere Sicherheit ausgerichteten Perspektive arbeiten und zum anderen wohl friedenspolitische Auslandengagements noch nicht als sicherheitspolitisch relevante Aktionen wahrnehmen.

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