friZ 2/2010

Seit 65 Jahren sind Atomwaffen eine Realität in dieser Welt. Seit 1945 erschallt der Ruf nach einem Verbot und der Abschaffung dieser unmenschlichen und illegalen Waffen. Von Claudio Knüsli

Nukleare Abrüstung – für eine Zukunft!

Denken wir zurück: Der erste ausländische Arzt, der Hiroshima nach dem Atombombenabwurf besuchte, war Dr. Marcel Junod, ein Schweizer. Er war damals Delegierter des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK). Er wurde als Arzt Zeuge unglaublichen menschlichen Leidens, von Blutvergiessen, Verbrennungen, Schmerzen, Todeskampf und Tod. Unter dem Eindruck seines Besuches am Ort der Vernichtung und der unbeschreiblichen menschlichen Tragödie in Hiroshima schloss er seinen Bericht mit den beinahe beschwörenden Worten: «Verfahrt mit der atomaren Energie wie mit dem Giftgas: Verbietet sie in Kriegszeiten - wenn es überhaupt zum Schlimmsten kommen muss und der Krieg selber nicht verhindert werden kann!»1 Ich denke, dies sind die ernst zu nehmenden Worte eines realistischen Arztes mit viel harter Erfahrung, der nicht die Illusion einer konfliktfreien Menschheit hatte. Verbietet die atomare Energie in Kriegszeiten! Diese einfachen Worte sind verpflichtend.
Wir wissen alle: Seither geschah genau das Gegenteil. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg begann ein beispielloses Wettrüsten. Über- und unterirdische Kernwaffenteste erfolgten und Kernwaffen wurden in Ost und West angehäuft. Bereits 1953 standen die Zeiger der Atomic Scientists2 auf zwei Minuten vor zwölf. Seither führten ausserordentliche Anstrengungen von internationalen Experten zur Schaffung von Vertragswerken wie dem Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser (NTBT) oder dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen (NPT) sowie zur Schaffung von atomwaffenfreien Zonen (NWFZ). Dank unnachgiebigen Warnungen von Nichtregierungsorganisationen, der Arbeit von Friedensforschern sowie weisen Entscheidungen von Staatsmännern, aber auch durch glückliche Zufälle ist es seit 1945 zu keinen atomaren Konflikten mehr gekommen.

Verbindliche Nuklearwaffenkonvention dringend nötig

Dennoch drohen heute noch immer mehr als 23000 atomare Sprengköpfe die Welt innert Minuten zu zerstören. Sie müssen abgeschafft werden. Es ist höchste Zeit, eine verbindliche Nuklearwaffenkonvention (NWC) zu schaffen, um die Beseitigung der Atomwaffen zu konkretisieren.
Es besteht Grund zu vorsichtigem Optimismus, seitdem sich die Oberhäupter der beiden grössten Atommächte USA und Russland kürzlich trafen und erklärten, eine atomwaffenfreie Welt sei eine mögliche Option. Bedeutet dies nicht, dass herkömmliche Feindbilder aufgegeben werden? Die Internationalen Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges IPPNW, die in diesem Jahr ihren 30. Geburtstag feiern, rufen zur raschen Ratifizierung des Neuen START-Vertrages (New START) und des Kernwaffenteststopp-Vertrages (CTBT) auf. Dies sind die nächsten wichtigen Schritte auf unserem Weg zur nuklearen Abrüstung!

Claudio Knüsli ist leitender Arzt am Basler Claraspital und Präsident der schweizerischen Vereinigung «ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkriegs» (PSR/IPPNW).
«Nukleare Abrüstung - für eine Zukunft!» lautete der Leitspruch des Programms des diesjährigen IPPNW-Weltkongresses, der im August in Basel stattgefunden hat. Dort trafen sich rund 800 ÄrztInnen und MedizinstudentInnen aus der ganzen Welt, um mit ExpertInnen den gegenwärtigen Stand der internationalen Abrüstungsbemühungen zu erörtern. «Nuclear abolition - for a future!» hiess auch der Titel der Eröffnungsansprache von Claudio Knüsli, die wir hier auf deutsch abdrucken. Mehr zum Kongress und zu den «ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkriegs» gibt es im Internet unter: www.ippnw.ch

Fussnoten

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