friZ 1/2010

Den neuen Herausforderungen, die zum Verschwinden zahlreicher Beratungsstellen für Militärverweigerung geführt haben (vgl. friZ 2/09) musste sich auch das Tessiner Zivildienstgrüppchen stellen.

Aufbruch in Bellinzona

Die Tessiner «Gruppe für den Zivildienst» (GTSC) ist tot. Damit nimmt die 33jährige Geschichte der als Tessiner Regionalgruppe der «Volksinitiative für einen echten Zivildienst» entstandenen Tessiner Friedensorganisation jedoch keineswegs ein trauriges Ende, sondern vielmehr eine neue Wendung: Gleichzeitig mit der Auflösung der GTSC wurde am 30 April in Bellinzona der Verein «Zentrum für Gewaltfreiheit der italienischen Schweiz» (CNSI) als Nachfolgeorganisation aus der Taufe gehoben.

Kontinuität in der Erneuerung

Gleichzeitig aber wird auf Kontinuität gesetzt: Der «Koordinator», Luca Buzzi, ist der gleiche geblieben und der neue Verein will die bisherigen Aktivitäten des GTSC weiter führen, die sich schon bisher keineswegs auf die Beratung potentieller Militärverweigerer beschränkten. Neben dem Einsatz für Verbesserungen im Rahmen des Zivildienstes und für dessen Bekanntmachung in der Öffentlichkeit war die Organisation schon bisher mit Stellungnahmen und Veranstaltungen zu einem breiten Spektrum friedensrelevanter Themen in Erscheinung getreten. Insbesondere auch die für viele Friedensorganisationen im italienischen Sprachraum typische Verwurzelung in der Tradition der Gewaltfreiheit ist nicht neu. Auch dieses Jahr soll wieder ein zweitägiges Sommerseminar zu ausgewählten Themen aus diesem Bereich stattfinden.
Die Abschaffung der «Gewissensprüfung» als Zulassungsvoraussetzung für den Zivildienst per Beginn des letzten Jahres war somit zwar der Auslöser für den Prozess, der jetzt zur Neugründung geführt hat, sie hat aber die Organisation, die sich nie als reine Beratungsstelle verstanden hat, nicht unvermittelt getroffen und schon gar nicht überflüssig gemacht. Der neue Name und bald auch ein neues Logo (wofür ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde) sollen diese breitere Ausrichtung nun besser unterstreichen.

Neue Zeitschrift und Dokumentationszentrum geplant

Wird der Neustart der kleinen Gruppe auch zu neuem Schwung verhelfen? Mit rund 20 Anwesenden war die Gründungsversammlung jedenfalls nicht schlecht besucht, der Vorstand ist mit einem halben Dutzend AktivistInnen besetzt und zumindest dem Giornale del Popolo war die Gründung sogar einen Artikel wert.
Die Vierteljahresschrift «Obiezione», was auf deutsch so viel wie «Einspruch» heisst, aber auch der gängige Terminus für Militärverweigerung ist und die in ihrer 77. Ausgabe die bereits letztes Jahr angekündigte Gründung der neuen Organisation vermeldete, soll selbst bald im neuen Kleid mit neuem Namen und erweiterten Inhalten daherkommen und eine neue Webseite ist ebenfalls geplant.

Dokumentationszentrum

Das ehrgeizigste Projekt der neuen Organisation ist aber zweifellos der Aufbau eines öffentlich zugänglichen Dokumentationszentrums zum Thema Gewaltfreiheit. Eine dafür geeignete Räumlichkeit im Zentrum von Bellinzona wird allerdings noch gesucht.
Auch die Zusammenarbeit im gesamtschweizerischen Rahmen soll aufrechterhalten werden: Noch in den letzten Tagen seines Bestehens war die GTSC an dem Schweizerischen Arbeitstreffen vertreten, das sich mit der Gründung einer neuen Nationalen Zivildienstorganisation beschäftigte.
CNSI will nun die weitere Entwicklung verfolgen und sich die eigenen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in diesem Rahmen überlegen mit dem Ziel, der nächsten Jahresversammlung einen entsprechenden Antrag stellen.


Zivildienst: Verband wird lanciert

Friedenspolitische Gruppen haben in der Schweiz dem Zivildienst zum Durchbruch verholfen (erinnert sei an die Abschaffung der Gewissensprüfung durch das Parlament). Armeefreunde wollten sich das nicht bieten lassen und haben in den vergangenen zwölf Monaten etliche Angriffe auf den Zivildienst gestartet. Verlangt wurde die Wiedereinführung der Gewissensprüfung oder die Verlängerung der Zivildienstdauer. Begründung: Der Zivildienst schade der Armee, der höchste Soldat des Landes, Armeechef André Blattmann, fürchtete gar eine Verhöhnung der Militärdienstleistenden. Um solchem Unsinn in Zukunft von Anfang an den Wind aus den Segeln zu nehmen und vor allem um den Zivildienst in der Gesellschaft weiter zu verankern, wird am 20. August 2010 in Zürich ein gesamtschweizerischer Verband gegründet. Die Lancierung wird unter anderem vom Friedensrat, der Beratungsstelle des Vereins zivildienst.ch und von der GSoA unterstützt. Zivildienst ist aber nicht nur in Linken Augen eine sinnvolle Sache. Die Junge CVP befürwortet den Zivildienst als sinnvolle Form der Diensterfüllung. Auch Bürgerliche sehen im sozialen Aspekt des Zivildienstes positive Impulse für den Zusammenhalt der Gesellschaft. (rz)


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