friZ 3/2009

Vor etwa 40 Jahren begannen die USA systematische Tests mit Uranmunition (DU), andere Nato-Staaten und die Sowjetunion folgten. Erstmals in grosser Stückzahl eingesetzt wurden Urangeschosse dann während des ersten Golfkrieges 1991. Die Angaben zum Einsatz von Uranmunition sind bis heute genauso schwer überschaubar wie die Folgen für Mensch und Umwelt. Von Beat Luder

Uranmunition - Verwendung und Verbreitung der umstrittenen Waffe

Nachdem das Thema Uranmunition im Gefolge der Kriege in Kosovo (1999) und Irak (2003) kurz in die Öffentlichkeit gelangt war, scheint es heute wieder weitgehend vom Tisch zu sein. Nach wie vor sind die Informationen dazu weder leicht zugänglich noch transparent. Es ist vor allem dem Einsatz von NGO und couragierten Insidern zu verdanken, dass die Gefährlichkeit von Uranmunition überhaupt bekannt wird.

Die besondere Gefährlichkeit von Uranmunition (DU)

Wenn ein DU-Geschoss eine Panzerwand durchbohrt, entsteht eine Reibungshitze von mehreren tausend Grad Celsius und entzündet sich selbst. Die extrem hohe Temperatur führt zu einer Explosion, bei welcher der Uranmantel zu Aerosolen verdampft. Diese werden als stark toxischer und schwach strahlender Feinstaub vom Wind über das Schlachtfeld und je nach Witterung weit darüber hinaus verteilt. Werden diese Nanopartikel eingeatmet, gelangen sie über die Lunge in die Blutbahn. DU-Geschosse, die ihr Ziel verfehlen oder liegen bleiben, erodieren und können ins Grundwasser gelangen. In welchem Ausmass dies geschieht lässt sich nicht exakt beziffern, aber Anlass zu grosser Besorgnis ist in erschreckendem Mass vorhanden.
Der bekannteste Fall von DU-Spätfolgen dürfte vermutlich das sogenannte «Golfkriegsyndrom» sein. Die Zahl der davon im ersten Golfkrieg 1991 betroffenen Soldaten ist nach wie vor ein gut gehütetes Geheimnis. Die Schätzungen über die Todesfälle bewegen sich zwischen 2000 und 80000 Soldaten. Die Zahl der invalidisierten Soldaten variiert je nach Quelle zwischen 40000 und 280000.0

Vertuschung und die Rolle der Medien

Entgegen besserem Wissen dauert der Streit über die Gefährlichkeit von Uranmunition an und wird von den USA unter Einsatz aller Mittel, d.h. Festhalten an veralteten Forschungsmethoden1, Gefälligkeitstudien und -gutachten, Druck auf die Medien und gezielte Desinformation, erfolgreich weitergeführt. Die Gründe für diese unglaubliche Haltung liefert uns Doug Rokke, einer der führenden Uranmunition-Experten: «Das Ziel war und ist noch immer, den fortgesetzten Einsatz der Uranmunition sicherzustellen und gleichzeitig die Haftung für ihren Einsatz (Anm. Red.: in Milliardenhöhe) und die möglichen diplomatischen und politischen Folgen zu vermeiden, die zu unmittelbaren weltweiten Forderungen nach einer Beendigung des Einsatzes von Uranmunition, nach der Beseitigung der darauf zurückzuführenden Kontamination der Umwelt und nach sofortiger und optimaler Gesundheitsversorgung aller militärischen und zivilen Opfer führen würden.»2

Was ist Depleted Uranium, welche Bedeutung hat es für die Militärs?

Uran ist ein toxisches und leicht radioaktives Schwermetall, das in seiner natürlichen Form aus drei Isotopen besteht: U-238, U-235 und U-234. Bei der Gewinnung (Anreicherung) des spaltbaren Uran-235 aus Uranerz, das zur Erzeugung von Kernenergie nötig ist, fällt abgereichertes Uran (Depleted Uranium, DU) als Abfallprodukt an.
Während das in der Natur vorkommende Uranerz durchschnittlich 0,7 Prozent des stark radioaktiven Uran-235 enthält, beträgt der Anteil von Uran-235 im abgereicherten Uran lediglich 0,2-0,25 Prozent, d.h. DU strahlt rund 60 Prozent weniger als Natururan. Man könnte auch sagen, DU ist Uran, welchem die Isotope U-235 und U-234 weitgehend entzogen wurden, weshalb es manchmal auch einfach als U-238 bezeichnet wird. Kommerziell wird Uran-238 u.a. in der zivilen Luftfahrt verwendet, so zum Beispiel als Schutzschild vor (Höhen-)Strahlung in der Aussenhaut der Boing-747, oder im Schiffsbau bei der Konstruktion von Ausgleichsgewichten, ebenso in der Medizin (Strahlenschutz) oder in der Ölförderung (Bohrköpfe).

Zur Herstellung von 1 kg angereichertem Uran (für die Energieerzeugung) werden fast 12 kg Natururan benötigt, das heisst es bleiben etwa 11 kg abgereichertes Uran (DU) übrig. Aufgrund dieser Tatsache ist die Herstellung von Uranmunition im Vergleich zur vergleichbaren Wolframmunition bedeutend günstiger. Der andere Grund, warum Uranmunition trotz der erwiesenermassen verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt weiterhin in Gebrauch ist, erklärt Doug Rokke wie folgt: «Uranmunition hat trotz ihrer kurz- und langfristigen schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt ein derart hohes Kampf- bzw. Zerstörungspotential, dass einige Nationen und insbesondere die USA nicht bereit sind, auf deren Einsatz zu verzichten.»4

Es gibt kaum offizielle Angaben

Offizielle Angaben über Besitz und Einsatz von Uranmunition gibt es praktisch keine. Es wird aber geschätzt, dass bereits gegen 20 Länder Waffensysteme mit DU-Geschossen besitzen. Dazu zählen: Grossbritannien, die USA, Frankreich, Russland, Griechenland, Türkei, Israel, Saudi- Arabien, Bahrain, Ägypten, Kuwait, Pakistan, Thailand, China, Indien und Taiwan. Vielen von ihnen wurde die Uranmunition von den USA verkauft, während man von anderen (dazu zählen Frankreich, Russland, Pakistan und Indien) annimmt, dass sie sie selbständig entwickelt haben.5 Offiziell bestätigt haben den Einsatz von DU-Munition bisher nur die USA und Grossbritannien.

Wie alles anfing

Zur Erinnerung: Die Anhäufung von Abgereichertem Uran (DU) begann in den 1940er Jahren zu Beginn der Atomtechnologie in den USA und in der UdSSR. Die ersten us-amerikanische Atombombe wurde im Jahr 1945 gezündet, die erste sowjetische 1949. In den 1950er Jahren entstanden die ersten Atomkraftwerke, heute betreiben 31 Länder insgesamt 436 AKW6. Das bei der Herstellung des Kernbrennstoffes entstehende Abfallprodukt heisst abgereichertes Uran (Depleted Uranium, DU) und ist waffenfähig. DU ist nicht zu verwechseln mit dem eigentlichen Atommüll, der in den so genannten Endlagern verschwindet. Die Gesamtmenge an abgereichertem Uran (DU) ist riesig.7
Die Entwicklung der Uranmunition geht bis in die 1970er Jahre zurück. Damals informierte das Pentagon über neue Panzerungen an den Panzern des Warschauer Pakts, welche die konventionelle Nato-Munition nicht mehr zu durchbrechen vermöge. Rasch geriet abgereichertes Uran (DU) als Ersatz für das teure Wolfram in den Fokus der Waffentechnologen. Ausser bei den Grossmächten USA, Sowjetunion, Grossbritannien und Frankreich wird auch in Deutschland (Rheinmetall, EADS) und in der Schweiz (Contraves) mit Urangeschossen experimentiert.8 Rückblickend fällt auf, mit welcher Unbedenklichkeit damals Forschung und Entwicklung vorangetrieben wurden, obwohl es schon früh warnende Stimmen gab!
Im Februar 1976 führte die US-Luftwaffe den neuen Kampfbomber A-10 ein, der zu ihrem wichtigsten Träger für Uranmunition werden sollte. 1978 begannen die USA mit der generellen Produktion von Uranmunition für Flugzeug- und Panzerkanonen. Ende der 1980er Jahre schliesslich kam abgereichertes Uran (DU) auch bei der Armierung von Panzern zum Einsatz.

DU-Tests in Friedenszeiten

USA: Die Anzahl DU-Testgelände in den USA wird nach Angaben der Umweltgruppe Military Toxics Project (MPT9) auf 14 geschätzt, die Zahl der DU-Truppenübungsplätze sogar auf 59. Wie gross die Verseuchungen durch Herstellung und Einsatz von Uranmunition in den USA ist, lässt sich nur schwer beziffern. Für einige wenige der Testgelände der US-Streitkräfte liegen entsprechende Zahlen vor: So sollen auf dem Jefferson Proving Ground im Bundesstaat Indiana zwischen 1984 und 1992 rund 91 Tonnen DU-Munition verschossen worden sein, von denen lediglich 22 Tonnen wieder geräumt und entsorgt wurden. Die Kosten für die Dekontaminierung des gesamten Geländes werden auf 4 bis 5 Milliarden US-Dollar geschätzt. Für das Gelände in Los Alamos (New Mexico) wird die Menge der seit Anfang der 1970er Jahre verschossenen DU-Munition auf rund 100 Tonnen geschätzt, für die Eglin Air Force Base (Florida) werden ebenfalls 100 Tonnen genannt, für das Testgelände in Aberdeen (Maryland) 70 Tonnen.
Keineswegs besser sieht es für die amerikanischen Militärgelände in Übersee aus: Ohne Rücksicht auf Zivilisten und Umwelt haben die US-Streitkräfte nach Angaben der MPT ihre DU-Munition auch auf ihren Stützpunkten ausserhalb der USA getestet. Im Dezember 1995 und im Januar 1996 verschossen amerikanisch AV-8B-Bomber auf der Insel Torishima, einem unbewohnten Eiland nahe der Insel Okinawa (Japan), «irrtümlich» 1520 25-mm-Geschosse mit insgesamt 222 Kilogramm Uran-238, von denen später nur 29 Kilogramm geräumt wurden. Auf dem Übungsgelände Koon Ni in Südkorea verschossen die US-Streitkärfte 1997 in zumindest zwei bestätigten Fällen Uranmunition. Auch hier dementierte die US-Armee zuerst sogar die Lagerung von DU-Munition, musste aber später einräumen, dass diese Munition dort nicht nur gelagert, sondern eben auch verschossen worden war. Auch in diesem Fall sprach man von einer «versehentlichen Verwendung». Anwohner berichten aber auch von Luft-Boden-Schiessübungen mit A-10-Kampfbombern in Koon Ni.
Im Februar 1999 wurden nach Angaben der US Navy auch auf der Insel Vieques (Puerto Rico) «versehentlich» 263 25-mm-Geschosse mit rund 40 Kilogramm Uran-238 verschossen. Nach Aussagen von US-Marine-Angehörigen hatte die US Navy dort jedoch schon seit Jahren Uranmunition verwendet; der Einsatz 1999 sei nur das erste Mal gewesen, das dies öffentlich geworden sei. Darüberhinaus wurde auch in Panama Uranmunition zu Übungszwecken verschossen, wahrscheinlich sogar über einen längeren Zeitraum.

Grossbritannien: Auch Grossbritannien verfügt über die Fähigkeiten, Uranmunition selbst herzustellen. Die derzeit einzige derartige Fabrik, die Granaten für die britischen Challenger-Panzer herstellt, befindet sich in Featherstone (Staffordshire) und ist im Besitz von British Aerospace. Darüber hinaus importiert Grossbritannien aber auch DU aus den USA.
Das britische Militär testet die Munition vor allem auf zwei Geländen: in Eskmeals (Cumbria) im Nordwesten Englands und in Dundrennan bei Kirkcudbright (Dumfries & Galloway) im Südwesten Schottlands. An beiden Orten wurden ausserhalb der Testgelände deutlich erhöhte Strahlenwerte im Boden gemessen, wie aus einem im Juli 1993 veröffentlichten Strahlenbericht des britischen Verteidigungsministeriums hervorgeht.10 Obwohl in der Regel strikte Vorsichtsmassnahmen gelten - wie beispielsweise auf dem Schiessplatz in Eskmeals, wo die Granaten in einen Tunnel hinein abgefeuert werden und der entstehende Staub aufgefangen und in Behältern aus Beton versiegelt und begraben wird - wird doch immer wieder auch Munition in die Umwelt verschossen. Allein 1421 DU-Geschosse wurden seit 1995 bei Schiessübungen in den Solway Firth, eine grosse Bucht bei Carlisle, abgefeuert, was ungefähr 390 Kilogramm Uran-238 entspricht.

Andere Staaten: Im Gegensatz zu den Krieg führenden Staaten USA und Grossbritannien ist von den anderen DU-produzierenden Ländern wenig über den Einsatz von Uranmunition bekannt. Die Zahlen dürften sich aber - vielleicht mit Ausnahme von Russland, dessen Umgang mit der Natur ein Thema für sich ist - unterhalb der britischen Zahlen bewegen.

Kampfeinsatz von abgereichertem Uran

Panzerbrechende DU-Munition wird heute für verschiedene Waffensysteme verwendet. Neben Granaten für Panzer und Kriegsschiffe gibt es auch Geschosse für Bordkanonen von Kampfbombern sowie kleinkalibrige Munition (bis 30 mm). Zu den Waffensystemen, die kleinkalibrige Urangeschosse verwenden können, gehören: der US-Kampfbomber vom Typ A-10 Thunderbolt, der speziell für diese Munition konzipiert wurde und der rund sechzig 30 mm-Geschosse pro Sekunde verschiessen kann; ferner der US-amerikanische Kampfhubschrauber AH-64 A (Apache) sowie der britische Tornado-Jagdbomber.
Grosskalibrige Uranmunition (in der Regel sind das Geschosse mit 105 mm bis 120 mm Durchmesser!) kann u.a. von den US-Kampfpanzern M1/M1A1 Abrams verschossen werden. Französische Panzer vom Typ AMX-30 B2 verwenden 105 mm-Granaten. Die britischen Streitkräfte benutzen 120 mm-Geschosse für ihre Challenger-Panzer sowie für das Vulcan-Phalanx-Waffensystem, mit dem einige Schiffe der Royal Navy zur Raketenabwehr ausgerüstet sind.
Der Kampfeinsatz von Uranmunition wird von den betreffenden Regierungen in der Regel möglichst nicht publik gemacht, weil das Thema so umstritten ist. Es existieren deshalb kaum offizielle Angaben dazu. Mittlerweile gilt als sicher, dass DU-Munition in grösseren Mengen im Golfkrieg 1991, auf dem Balkan und im zweiten Irakkrieg 2003 zum Einsatz gekommen ist. Als höchst wahrscheinlich gilt , dass Uranmunition auch im indisch-pakistanischen Grenzgebiet sowie in Afghanistan (sowohl 1979 bei der sowjetischen Invasion wie auch 2001 durch die USA) im grösseren Stil verschossen wurde.11

Golfkrieg 1991 (Operation Desert Storm unter US-Präsident Bush sen.)

Im Golfkrieg 1991 (Operation Desert Storm unter US-Präsident Georg Bush sen, vom 17. Januar bis 28. Februar 1991) wurden nach Angaben des World Information Service on Energy (WISE) knapp 851000 Geschosse von Flugzeugen (A-10 und V-8B Harrier) und mindestens 9600 Geschosse von Panzern (M1/M1A1 Abrams u.a.) abgefeuert; insgesamt errechnet die Studie 324,6 Tonnen an freigesetztem U-238.12 Gemäss anderen Angaben sollen damals sogar über 940000 kleinkalibrige Urangeschosse von Kampfbombern sowie mehr als 14000 grosskalibrige DU-Geschosse von Panzern verschossen worden sein - jeweils zur Hälfte in Kuwait und im Süden des Irak.13 Von den britischen Streitkräften wurden im Golfkrieg 1991 lediglich 88 120 mm-Geschosse von Challenger-Panzern in Kampfhandlungen abgefeuert.14 Der Einsatz von Uranmunition im ersten Golfkrieg wurde erstmals von Professor Siegwart-Horst Günther im Juli 1992 enthüllt. Ausserdem ist ein Fall belegt, bei dem eine Verseuchung durch Uranmunition noch nach Kriegsende stattfand. Dabei handelt es sich um einen Grossbrand auf dem US-Stützpunkt in Doha (Kuwait) am 11. Juli 1991, bei dem 9720 30-mm-Geschosse und 660 grosskalibrige Geschosse in Flammen aufgegangen sein sollen, die insgesamt bis zu 6,4 Tonnen DU enthielten.15

Bosnien 1994/1995

Nach dem Beschuss des Marktpatzes von Sarajewo durch bosnisch-serbische Truppen WANN? und nach vergeblichen Warnungen griff die Nato serbische Stellungen, Munitionsfabriken und -depots aus der Luft an. Bis zum 14. September 1995 wurden mehr als 3500 Einsätze bei Tuzla, Gora_de, Stolice, am Berg Majevica und nahe Mostar geflogen. US-Kriegsschiffe feuerten 13 Tomahawk-Marschflugkörper ab und zerstörten das Hauptquartier der Bosnisch-Serbischen Armee in der Nähe von Banja Luka. Die Schnelle Eingreiftruppe der Nato beschiesst serbische Stellungen mit Artillerie. In Bosnien wurden rund 10800 Schuss DU-Munition auf bosnisch-serbische Stellungen verschossen. Das entspricht etwas über 2,9 Tonnen Uran-238.16 Offizielle eingestanden haben die USA den Einsatz von DU-Munition in Bosnien erst 1999. Interessant ist eine kürzlich auf der Nato-Website veröffentlichte Liste der mit Uranmunition beschossenen Ziele in Bosnien, in der auch die einzelnen Mengen der eingesetzten Geschosse angegeben sind. Demnach wurden bei den insgesamt 19 Angriffen allein siebenmal Militäreinrichtungen in Hadzici und viermal in Han Pijesak im September 1995 bombardiert.

Jugoslawien/Kosovo 1999

Im Nato-Luftkrieg gegen Jugoslawien vom 24. März bis 9. Juni 1999 wurden bei insgesamt 112 Einsätzen mindestens 31000 Schuss DU-Munition gegen Ziele im Kosovo, aber auch in Serbien und Montenegro abgefeuert. Das ergibt eine Menge von knapp 8,6 Tonnen Uran-238. Erstmals eingestanden wurde der Einsatz von DU-Munition gegen Jugoslawien seitens der Nato in einem Interview ihres Sprechers Giuseppe Marani mit einer japanischen Tageszeitung.17 UN-Generalsekretär Kofi Annan wurde von der Nato jedoch erst am 7. Februar 2000 offiziell über den Einsatz von DU im Kosovo und über die Zahl der dabei verschossenen Projektile informiert.18
Die einzelnen Angriffe - die am 6. April 1999 begannen - und die Koordinaten der Ziele wurden mittlerweile von der NATO im Internet veröffentlicht.19 Dabei wird ersichtlich, dass lediglich für 89 der 112 Angriffe die Anzahl der DU-Geschosse genau benannt wird. Bei diesen 89 Angriffen wurden rund 30520 Uranprojektile abgefeuert, was in etwa der Zahl entspricht, die man allenthalben in den Zeitungen nachlesen kann. Legt man die durchschnittliche Menge der je Angriff verschossenen Projektile auch für die restlichen 23 Attacken zugrunde, so ergibt sich rein rechnerisch eine Gesamtzahl von 38460 Urangeschossen, die über Jugoslawien niedergingen. Dies entspräche einer Menge von knapp 10,5 Tonnen U-238. Im einzelnen wurden gemäss Nato-Angaben rund 33630 Projektile gegen 98 Ziele im Kosovo verschossen, weitere 4350 Geschosse gegen 12 Ziele in Serbien und 480 Geschosse gegen zwei Ziele in Montenegro. Nicht in diesen Zahlen enthalten sind die Marschflugkörper vom Typ Tomahawk, die auch auf Ziele in anderen Teilen Jugoslawiens abgefeuert wurden.

Afghanistan 2001

Sowohl die USA als auch Grossbritannien streiten den Einsatz von DU-Munition im Afghanistankrieg gegen die Taliban und Al-Quaida offiziell noch immer ab. Allerdings lassen mittlerweile an die Öffentlichkeit gelangte Transportunterlagen vermuten, dass die US-Streitkräfte damals Uranmunition eingesetzt haben. Der anhaltende Einsatz von A-10-Kampfbombern zur Unterstützung der Nato-Bodentruppen deutet darauf hin, dass möglicherweise auch heute noch DU-Munition in Afghanistan eingesetzt wird. 20

Irakkrieg 2003

Zum Einsatz von Uranmunition während des zweiten Irakkrieges - Operation Iraqi Freedom unter US-Präsident George W. Bush jun, 19. März bis 1. Mai 2003 - gibt es bisher praktisch keine zuverlässigen Zahlen. Für die nur drei Wochen dauernde Periode der Hauptkampfhandlungen, die durch die amerikanische «Shock and Awe»-Strategie bestimmt war, gehen die Schätzungen jedoch von mehr als 1000 Tonnen DU-Munition aus, die zu einem grossen Teil in den irakischen Städten verschossen worden sind.

Zusammenfassend lässt sich über die Verwendung und die Verbreitung und von Uranmunition folgendes festhalten: Nebst den «Testgebieten» in den USA, in Puerto Rico und Panama (wo nebenbei auch noch eine Zivilbevölkerung lebt und jetzt vor allem leidet), kann gemäss Doug Rokke davon ausgegangen werden, dass die USA und Grossbritannien Uranmunition im Irak, in Afghanistan, in Somalia sowie auf dem Balkan eingesetzt haben; vermutet wird ausserdem, dass Urangeschossee in Georgien (von Russland) und im Libanon (von Israel) verwendet wurden. Anders gesagt: Uranmunition ist noch immer in vielen Armeebeständen vorhanden und wird - mittlerweile wider besseres Wissen - auch eingesetzt. Die rund dreissigjährige Geschichte dieser Waffe bleibt eine Geschichte von Geheimniskrämerei und Skrupellosigkeit im Namen einer menschenverachtenden Militärräson.

Nachtrag: ...und sie bewegt sich doch!

Am 2. Dezember 2008 wurde in der UN-Vollversammlung ein Antrag auf Ächtung der Uranmunition (DU) gestellt. Das Ergebnis war beeindruckend: 141 Nationen forderten, gestützt auf die internationale Rechtslage, ein Verbot für Herstellung, Verbreitung und Anwendung von Uranmunition und -waffen. Und genauso entlarvend: Die Atommächte Frankreich, Grossbritannien, Israel und USA votierten dagegen; Russland enthielt sich der Stimme und China blieb der Abstimmung fern. Eine Resolution erging an die verantwortlichen UN-Organisationen, die gesundheitlichen Folgen zu prüfen.
Es ist ein Skandal, dass Uranmunition nicht längst verboten ist23, immerhin wird die lange unterdrückte Frage der Ächtung endlich gesellschaftsfähig; die zähen Bemühungen der International Coalition to Ban Uranium weapons (ICBUW)24 und vieler gleichgesinnter Organisationen kann zwar erste Erfolge aufweisen, aber der Weg bleibt wohl lang und steinig - um nicht zu sagen vergiftet und verstrahlt!

Beat Luder ist Mitarbeiter des Schweizerischen Friedensrates.

Fussnoten


Uranmunition

Uranmunition ist panzerbrechende Munition, deren Projektile abgereichertes Uran (englisch: DU, Depleted Uranium) enthalten. Verglichen mit Natururan besteht DU zu einem geringeren Teil aus dem spaltbaren Uranisotop 235 und damit grösstenteils aus dem nicht spaltbaren Isotop Uran-238. Abgereichertes Uran (DU) fällt in grossen Mengen als Abfallprodukt bei der Anreicherung von Uran für die Energieerzeugung oder Waffenproduktion an.
Über den Einsatz von Uranmunition und deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt gibt es auch nach bald 20 Jahren nur wenig gesicherte Erkenntnisse. Einzelne Vorkommnisse wie das «Golfkriegsyndrom» 1991 oder die Rückkehr verstrahlter Kfor-Soldaten 1999 führen kurzzeitig zu öffentlichen Diskussionen über das Thema. Von einer umfassenden Information über diese besonders perfiden Waffen sind wir noch weit entfernt, ganz zu schweigen von ihrer Ächtung.
In loser Folge berichtet die friZ über das Thema Uranmunition. Den Anfang machte Beat Luder mit dem Artikel «Uranmunition - eine verbrecherische Waffe» über die technischen Grundlagen (friZ 4/08).

DU auf dem Ochsenboden

Auf dem Ochsenboden in Studen, in der Nähe von Einsiedeln, führt Oerlikon-Contraves regelmässig Schiessversuche durch. Heute geschieht das mit Munition, die sich vor dem Ziel in 162 Wolfram-Subprojektile zerlegt, eine moderne Art von Streumunition, die sich unter anderem sehr gut eignet zur massenhaften Tötung von Bodentruppen.
Ende der sechziger Jahre testete die Firma Oerlikon Contraves auf dem schwyzerischen Ochsenboden aber auch Uranmunition. Vor fünf Jahren trat Thierry Lauffenburger von der staatlichen Schweizerischen Unfallversicherungsgesellschaft (Suva) Befürchtungen entgegen, diese Schiessversuche könnten Spätfolgen für Mensch und Tier gehabt haben. Bei den damals eingesetzten äusserst geringen Dosen seien Spätschäden unwahrscheinlich, meinte er. Eine Gefährdung von Personal und Bevölkerung könne ausgeschlossen werden. Vor dieser Stellungsnahme waren Zeitungsmeldungen erschienen, wonach der damalige Leiter der Schiessanlage von Oerlikon Contraves an Leukämie erkrankt sei.
Peter Haag vom Bundesamt für Gesundheit relativierte damals auch Berichte über ein Kuhsterben auf dem Ochsenboden im Jahre 1975, das mit dem Einsatz von gefährlicher Munition in Zusammenhang gebracht worden war. Die Ursache für den Tod von fünf Rindern sei gemäss einer Untersuchung die Verwendung von Trocken- oder Silofutter gewesen, das zuviel Alpenkreuzkraut enthalten habe. Die dadurch bewirkte tödliche Leberzirrhose bei den Rindern sei auch andernorts aufgetreten. Heinrich Frei

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