FriZ 1/2009

Die Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum steht seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung der internationalen Abrüstungsgremien in New York, Genf und Wien. Doch jahrelang trat die Diplomatie auf der Stelle. Dabei müsste nicht einmal bei Null begonnen werden. Von Wolfgang Kötter

Weltraum: Abrüstung oder Wettrüsten?

Denn seit über 40 Jahren gilt der Weltraumvertrag, der wie auch der Teilteststoppvertrag und der Mondvertrag eine friedliche Nutzung des Weltalls sichern und die Ausdehnung des irdischen Wettrüstens auf den Kosmos verhindern soll. Zwar zählt das Abkommen inzwischen 105 Mitgliedstaaten, aber gegenwärtig sind weitere Bemühungen dringender den je.

Star Wars und das Wettrüsten im Weltraum

Das liegt zum einen daran, dass der Weltraumvertrag nicht alle Waffen im All verbietet, sondern lediglich Massenvernichtungswaffen. Somit weist das Völkerrecht gefährliche Lücken auf, die zukünftig mit präzisionsgesteuerten Hightech-Waffen gefüllt werden könnten. Denn, und darin besteht die zweite Gefahr, unter der Bush-Regierung strebten die USA mit einem gigantischen Aufrüstungsprogramm mit aller Macht nach einer uneingeschränkten Dominanz im Weltraum. Sie lehnten deshalb bisher hartnäckig Verhandlungen über Stationierungsverbote von Waffen jeglicher Art im Weltraum ab. Russland und China haben gemeinsam entsprechende Vertragsentwürfe vorgelegt und mehrfach überarbeitet. Doch Washington wollte sich für seine Weltraumrüstungsprojekte keine völkerrechtlichen Fesseln anlegen lassen.

Mit einer massiven Aufrüstung im All wollen die US-Weltraumstrategen eine Vision realisieren, deren Wurzeln bereits über ein Vierteljahrhundert zurückreichen. Am 23. März 1983, zur besten Sendezeit, versprach der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Ronald Reagan, in der als «Star-Wars-Rede» bekannt gewordenen Fernsehansprache dem amerikanischen Volk einen Schutzschild ewiger Unverletzlichkeit: Das aus Tausenden von - teilweise im Weltraum stationierten - Abwehrwaffen wie Laserkanonen, orbitalen Abfangraketen, kinetischen Weltraumgranaten und selbst lenkenden Kampfsatelliten bestehende System würde einst alle feindlichen Atomraketen abfangen können, verkündete er.

Die konzeptionelle Grundlage zur Umsetzung bildet die «National Space Policy». Darin wird die us-amerikanische Hegemonie im All gegenüber jedem potentiellen Rivalen zur offiziellen Doktrin erhoben. Es geht sowohl darum, gegnerische Flugkörper auszuschalten als auch vom All aus Ziele auf der Erde zu bekämpfen. «Die Handlungsfreiheit im Weltraum ist für die Vereinigten Staaten genauso wichtig wie die Macht in der Luft und zur See», heisst es in dem Strategiepapier. Die USA wollen «andere davon abbringen oder abschrecken», die Ausübung der amerikanischen Rechte im Weltraum zu stören oder auch nur Technologien zu diesem Zweck zu entwickeln. Man werde «auf Eingriffe antworten» und «falls nötig die Benutzung von Weltraumtechnologie unterbinden, die US-Interessen feindlich ist». Diese Doktrin öffne die Tür zu einer «Kriegsstrategie für den Weltraum», warnt Theresa Hitchens, Präsidentin des Washingtoner Center for Defense Information1. Der Anspruch läuft auch nach Meinung von Experten des rüstungskritischen Stimson-Center2 auf die Stationierung von Weltraumwaffen hinaus. «Das liest sich wie eine Blaupause für die Weiterentwicklung von Weltraumsystemen», befürchtet ebenfalls Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik3.

Waffen im All - bisher ein Tabu

Allen Friedensbeteuerungen zum Trotz betreiben die Vereinigten Staaten schon seit geraumer Zeit eine bisher beispiellose Militarisierung des Weltalls. Sollten die Pläne wirklich umgesetzt werden, würde im Weltraum eine militärische Teststätte entstehen und bewaffnete Satelliten zu Erprobungszwecken ins All geschossen werden. Ausserdem würden Radiowellen-Energiewaffen im Kosmos platziert werden, die von Himmelskörpern aus feindliche Satelliten und Kommunikationssysteme stören oder vernichten können. Nach Informationen des Online-Dienstes «Spacedaily»4, erprobte Lockheed Martin bereits an Bord einer Boeing 747 das Feuerleitsystem für einen hochenergetischen Laser, der aus der Luft ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpfen kann.

Wenn es also nicht sehr schnell gelingt, das bestehende Rechtssystem zu erhalten und die juristischen Schlupflöcher zu schliessen, droht ein kosmischer Rüstungswettlauf von bisher nicht gekanntem Ausmass. Hoffnungen auf eine militärische Monopolstellung haben sich bisher zwar immer als trügerisch erwiesen, jedoch jedes Mal das Wettrüsten eskaliert. Sollten die Vereinigten Staaten weiterhin nach militärischer Alleinherrschaft im All streben, wird das andere Länder wie Russland, China, Frankreich und Japan, aber auch Brasilien, Indien, Iran, Nigeria und Pakistan zum Nachziehen bzw. zu Kontermassnahmen veranlassen. Der Weltraum wird von den im Kosmos aktiven Staaten schon immer auch militärisch genutzt, so z.B. für Spionage-, Navigations- und Kommunikationssatelliten. Doch wer damit beginnt, Waffen im All zu stationieren bricht ein bisheriges Tabu. Das würde das Wettrüsten endgültig in den Weltraum tragen und die Gefahr eines Krieges im Kosmos enorm verschärfen.

Gefährliche Kollisionen

Immer wieder verdeutlichen militärische Aktionen, Zwischenfälle und Beinahe-Katastrophen die Gefahren im All. So sichteten Anfang des Jahres Bewohner über Texas angeblich mehrere Feuerbälle. Einige Menschen meinten zudem, laute Knallgeräusche gehört zu haben. Doch bei dem Phänomen handelte es sich weder um Ufos noch um Halluzinationen. Die wahrscheinliche Erklärung lieferten zunächst der US-Sender CBS und andere Medien: «Satelliten-Crash in fast 800 Kilometern Höhe!», so die Spitzenmeldung. Am 10. Februar waren ein kommerzieller amerikanischer Kommunikationssatellit und der seit Jahren abgeschaltete russische Himmelskörper «Kosmos-2251» im Weltall über dem Norden Sibiriens zusammengestossen. Nach der Kollision der Satelliten habe sich ein weites Trümmerfeld gebildet, liess die US-Weltraumbehörde NASA5 wissen. Erste Radar-Untersuchungen hätten rund 600 Wrackteile registriert. Für die internationale Raumstation ISS entstände jedoch nur ein geringes Risiko, von den Trümmern getroffen zu werden, fügt ein NASA-Sprecher beschwichtigend hinzu.

Weltraumexperten sehen die Situation allerdings nicht so entspannt. Die Trümmer könnten leicht mit alten sowjetischen Aufklärungssatelliten, die so genannte Atombatterien an Bord haben, zusammenstossen, so die Warnung aus Moskau. Dabei besteht die Gefahr, dass Wolken mit radioaktiver Strahlung im All austreten. Zwar war der jetzige Crash der erste «Kosmos-Unfall» dieser Art, doch könnten bald weitere folgen, denn durch das All fliegen zurzeit schätzungsweise 18000 Teile von Weltraum-Schrott. Die US-Militärs erwarten, dass die im All aktiven Länder bald «Weltraum-Völkerball» spielen müssen, um herumfliegendem Schrott auszuweichen. «Meine Sorge ist, dass das Trümmerfeld noch eine Weile da oben sein wird», fürchtet Vizegeneralstabschef General James Cartwright.

Antisatellitenwaffen und ihre Gefahren

Ein anderer Zwischenfall mit weit reichenden Konsequenzen ereignete sich im Februar vergangenen Jahres. Die US-Marine schoss vom Aegis-Kriegsschiff «Lake Erie» aus mit einer erstmals mit Wärmeleittechnik eingesetzten SM-3-Antiballistikrakete den eigenen Himmelskörper US-193 in einer Höhe von etwa 250 km über dem Pazifik ab. Seine Stromversorgung hatte bereits kurz nach dem Start im Dezember 2006 versagt und der 1,3 Tonnen schwere Spionagesatellit von der Grösse eines Kleinbusses irrte seither unkontrollierbar im Weltraum umher. Offiziell lautet die Rechtfertigung, man hätte Menschen vor eventuell abstürzenden Satellitenteilen und dem giftigem Treibstoff Hydrazin schützen wollen. Kritiker aber sehen in dem 40 Millionen Dollar teuren Abschuss eher die Absicht, zu testen, ob das umstrittene Raketenabwehrsystem NMD6 zum Abschuss von Satelliten fähig ist. Die USA wollten «den Rüstungswettlauf ins All verlegen», hiess es denn auch aus Moskau. «Unabhängig von der Begründung», meint Jeffrey Lewis, Direktor der rüstungskritischen «Initiative für Nuklearstrategie und Nichtverbreitung» in Washington7, «wird die Aktion dem Pentagon höchstwahrscheinlich nützliche Daten über die Durchführung von Antisatelliten-Missionen liefern.»

Auch China stand wegen seiner militärischen Aktionen im Weltraum bereits in der Kritik. Im Januar 2007 schoss eine bodengestützte Mittelstreckenrakete den eigenen veralteten Wetter-Satelliten «Feng Yun-1C» in rund 850 km Höhe ab. Ein solcher Test einer Anti-Satellitenwaffe vom südwestchinesischen Raumfahrtbahnhof Xichang erregte weltweit Besorgnis, denn er gefährdete nicht nur die friedliche Nutzung des Weltraums, sondern kündete auch von einem bereits begonnen Wettrüsten im All. Mit der Ankündigung des neuen US-Präsidenten Barack Obama für ein Verbot von Waffen im Kosmos einzutreten, könnten sich nun nach langer Zeit der Stagnation neue Möglichkeiten eröffnen.

Wolfgang Kötter ist Dozent an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam. Zu seinen wissenschaftlichen Arbeitsgebieten zählen u.a. Friedens- und Konfliktforschung.

Fussnoten

  1. Center for Defense Information (CDI): www.cdi.org
  2. Henry L. Stimson Center: www.stimson.org
  3. Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg: www.ifsh.de
  4. Online-Nachrichtendienst «Spacedaily»: www.spacedaily.com
  5. NASA, National Aeronautics and Space Administration: www.nasa .gov
  6. NMD, National Missile Defense (Nationale Raketenabwehr): während der Regierungszeit von George W. Bush angestrengtes Rüstungsprojekt der USA, zu dem auch die umstrittenen Raketenstationierungen in Polen und Tschechien gehören. NMD gilt als Nachfolgeprojekt der Strategic Defense Initiative (SDI) von Ronald Reagan.
  7. Nuclear Strategy & Nonproliferation Initiative: www.newamerica.net/programs/american_strategy/nuclear_strategy_and_nonproliferation_initiative

Weltraumabkommen

Weltraumvertrag (1967): Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschliesslich des Mondes und anderer Himmelskörper (105 Mitgliedstaaten):

Weitere völkerrechtliche Vereinbarungen zum Kosmos:

(wk)


Inhaltsübersicht nächster Artikel