Am 4. Oktober 1957 veränderte eine 58 cm grosse Kugel mit einem Gewicht von 83,6 Kilogramm die Welt. «Sputnik-1» hiess der erste künstliche Satellit, der von der damaligen Sowjetunion in eine Erdumlaufbahn geschossen wurde. Ein Schock für die westlichen Nationen, der damals das Wettrüsten zwischen Ost und West vorantrieb, aber auch viele Impulse für die Technik brachte. Sputnik hat Weltgeschichte geschrieben und auch die Technikentwicklung massgeblich geprägt. Eine der Reaktionen in den USA war 1958 die Gründung der ARPA (Advanced Research Projects Agency Network), die mit der Entwicklung des Internets sehr eng verbunden ist.
Die erste Mondlandung vor genau 40 Jahren war eine ebenso grosse wissenschaftliche wie auch politische Herausforderung. Jetzt stehen die Amerikaner vor einer neuen Herausforderung: der Entwicklung von Weltraumtransportmittel für die zukünftige Raumfahrt im erdnahen Raum und zu den Planeten.
20. Juli 1969: ein Tag, der die Menschheit veränderte! Zum ersten Mal setzte ein Mensch einen Fuss auf einen anderen Himmelskörper als die Erde. «Dies ist ein kleiner Schritt für einen Mann - aber ein grosser Schritt für die Menschheit», sprach damals Neil Armstrong vor Millionen von Fernsehzuschauern in aller Welt. Jetzt will der Mensch erneut zurück zum Mond, dazu wurde 2004 die amerikanische Mondinitiative vom damaligen Präsident George W. Bush ins Leben gerufen. Die dafür notwendige Infrastruktur soll in den nächsten Jahren geschaffen werden, damit im Jahre 2018 zum siebten Mal ein Mensch seinen Fuss in den staubigen Mondboden setzten kann. Das ganze dient aber einem noch ehrgeizigeren Ziel, dem ersten bemannten Raumflug zum Planeten Mars.
«Es ist Zeit für Amerika, die nächsten Schritte zu machen. Heute kündige ich einen neuen Plan für die Erforschung des Weltalls und für die Ausweitung der menschlichen Präsenz über unser Sonnensystem. Wir werden rasch mit diesem Vorhaben beginnen, indem wir bestehende Programme und Personal benutzen. Wir werden kontinuierliche Fortschritte machen - Mission um Mission, Flug um Flug, Landung um Landung.»1 Mit diesen Sätzen hat George W. Bush vor fünf Jahren die neue Epoche in der bemannten Raumfahrt eingeleitet.
Wie vom damaligen Präsidenten angekündigt, ist der neue Kurs für das zivile US-Raumfahrtprogramm eine Agenda zur längerfristigen Erforschung des Weltraums. Der Plan, von der Regierung als «neue Vision und Mission für die NASA» bezeichnet, besteht aus fünf Elementen:
1. Die Beseitigung technischer und organisatorischer Probleme, die zum Columbia-Desaster am 1. Februar 2003 führten, und die Wiederindienststellung der Space Shuttles.
2. Sobald die geflügelten Raumschiffe wieder in Betrieb sind, wird es ihre Haupt-, wenn nicht fast ihre einzige Aufgabe sein, die Fertigstellung der ISS (Internationale Raumstation) voranzutreiben. Nachdem die Station um 2010 herum fertig gestellt sein wird, sollen die Shuttles ausser Dienst gestellt werden.
3. Die neue Raumfahrtinitative soll der Entwicklung der Robotertechnologie neues Leben einhauchen; die neue Generation von Raumsonden soll die Astronauten auf ihren Missionen begleiten oder unbemannt zu denselben oder auch zu risikoreicheren Zielen im Weltraum aufbrechen.
4. Bush hat die Entwicklung einer neuen Generation von Raumfahrzeugen angeordnet, genannt Crew Exploration Vehicles (CEV). Diese Vehikel könnten Besatzungen zur ISS und zurück transportieren, wenn die Shuttles nicht mehr zur Verfügung stehen. Ihre Hauptaufgabe wäre es jedoch, Astronauten zur Mondoberfläche zu befördern, um dort eine permanente Basis einzurichten.
5. Nach den Mondflügen - die hauptsächlich der Entwicklung und Erprobung neuer Ausrüstungen und Technologien dienen würden - sieht Bushs Plan bemannte Missionen zum Mars und möglicherweise zu noch entfernteren Zielen vor. Dies alles im Rahmen einer langfristig angelegten Agenda für die bemannte Erforschung des Weltraums.
Eine auf Basis des Space Shuttles entwickelte Schwerlastträgerrakete bringt die Mondlandefähre und die für den Einschuss auf eine translunare Flugbahn benötigte Raketenstufe (Earth Departure Stage, EDS2) in eine Erdumlaufbahn. Die vierköpfige Besatzung fliegt separat mit dem Crew Exploration Vehicle (CEV), einem kleinen Mannschaftstransporter, in die Umlaufbahn und dockt dort an die Mondfähre an. Das CEV wird an der Spitze eines einzelnen Shuttle-Feststoffboosters3 mit leistungsfähiger neuer Oberstufe starten; auch dies ist ein auf dem Space Shuttle basierendes Trägersystem.
Das aus Raketenstufe, Mondlander und CEV bestehende Gespann wird nun, durch Zündung der Raketenstufe, auf eine Bahn zum Mond geschossen. Die ausgebrannte Stufe wird danach abgestossen. Im Mondorbit trennt sich der Lander vom CEV und die vier Astronauten landen damit auf dem Mond. Nach einem einwöchigen Aufenthalt auf der Oberfläche startet die Crew mit der Oberstufe der Mondfähre zurück in die Umlaufbahn, steigt dort in das CEV um, stösst die Aufstiegsstufe des Landers ab und beginnt den Rückflug zur Erde.
Das CEV besteht aus einem Servicemodul und einer Crewkapsel, der Aufbau ist also dem Apollo-Raumschiff ähnlich. Vor der Landung auf der Erde wird das Servicemodul abgetrennt. Die Crewkapsel landet an Fallschirmen im Westen der USA, im Notfall ist auch eine Wasserung möglich.
Nach derzeitigen Planungen sollen pro Jahr mindestens zwei solcher Missionen durchgeführt werden, die erste Landung soll 2018 stattfinden.
Jedem Raumfahrt-Interessierten, der sich mit dem Apollo-Programm beschäftigt hat, werden die Ähnlichkeiten des neuen Plans mit den Mondflügen vor über dreissig Jahren ins Auge fallen. Die NASA setzt erneut auf ein Rendezvous im Mondorbit, erneut wird der Mondlander aus einer Aufstiegs- und einer Abstiegsstufe bestehen, erneut wird es ein Orbitalmodul geben, das sich aus einer Crewkapsel und einem Servicemodul zusammensetzt, und erneut wird die Ausrüstung nicht wieder verwendbar sein.
Ein neues Element in der Missionsarchitektur ist der Zusammenbau des Mondraumschiffs (bestehend aus Raketenstufe EDS, Mondlander und Mannschaftstransporter CEV) im Erdorbit: Bei Apollo wurde alles mit einem einzigen Start der mächtigen Saturn V-Rakete in den Weltraum gebracht.
Die NASA-Planer haben, genau wie ihre Vorgänger vor vierzig Jahren, andere Optionen untersucht, beispielsweise die Möglichkeit, auf ein Orbitalmodul zu verzichten und mit dem gesamten Raumschiff auf dem Mond zu landen. Letztlich kamen sie jedoch zu dem Schluss, dass der Apollo-Missionsplan alles in allem immer noch die beste Lösung darstellt.
Anders als bei Apollo jedoch ist das erklärte Ziel des neuen Plans der Aufbau einer Mondbasis, wahrscheinlich am Südpol des Mondes, weil dort Wassereis vermutet wird. Dieses könnte nutzbar gemacht werden, beispielsweise um daraus Treibstoff (Wasserstoff und Sauerstoff) zu gewinnen.
Die NASA hat neue Namen für die Startsysteme der nächsten Generation bekannt gegeben. Mit Hilfe dieser Startsysteme und dem Crew Exploration Vehicle (CEV) soll die Menschheit wieder einen Schritt auf den Mond setzen und den Mondflug zur Routine werden lassen. Später soll auch der Mars als Ziel ins Auge gefasst werden. Das Startsystem, welches das CEV ins All transportieren soll, wird Ares I genannt. Das Startsystem für schwerere Nutzlasten wird nun als Ares V bekannt werden. «Es ist absolut angebracht, dass wir diese Startsysteme Ares nennen, denn Ares ist ein Pseudonym für Mars4 - unser erklärtes Ziel», sagt Scott Horowitz, Mitarbeiter in der NASA Exploration System Mission Direction in Washington. «Wir finden die alten Nummerbezeichnungen sehr gut und begrüssen somit die grosse Zukunft des NASA Exploration Programms und die damit verbundenen Missionen.»
Aber warum gerade I und V? Die Antwort auf diese Frage ist auch leicht zu geben und liegt in der Vergangenheit, genauer gesagt in der Apollo-Zeit. Die I und V sollen an die erfolgreichen Apollo-Startsysteme erinnern. Damals arbeitete man mit Saturn-I- und Saturn-V-Raketen; sie waren die ersten amerikanischen Raketen, die explizit für die bemannte Raumfahrt konzipiert wurden. Die NASA hat auch dem CEV, dem offiziellen Shuttle-Nachfolger, einen neuen Namen gegeben: Orion. Das Orion-CEV wird von einer Ares I in den Weltraum getragen. Deren erste Stufe ist nicht neu entwickelt, sondern eine Verbesserung und Ableitung der jetzigen Shuttle-Feststoffbooster (SRB). Es wird fünf Segmente hoch statt wie beim Space Shuttle vier und mit einem wesentlich verbesserten Lagekontrollsystem ausgestattet sein. In der zweiten Raketenstufe wird ein Antrieb namens J-2X (basierend auf flüssigem Wasser- und Sauerstoff) für Geschwindigkeit sorgen, der seinerseits eine Weiterentwicklung des legendären J-2 Triebwerks von Apollos zweiter Raketenstufe ist. Ares I wird mehr als 24 Tonnen Nutzlast in einen niedrigen Erdorbit schiessen können.
Ares V dagegen ist für Schwerlasten ausgelegt. Diese Rakete wird fünf RS-68-Triebwerke besitzen, die auf einer grösseren Version des externen Shuttle-Tanks montiert sind. Dazu kommen zusätzlich noch einmal fünf «normale» Raketenantriebe für die erste Raketenstufe. Die weiteren Raketenstufen verwenden denselben J-2X Antrieb wie Ares I, aber aufgrund der grösseren und stärkeren Antriebe ihrer ersten Raketenstufe kann Ares V viel mehr Nutzlast transportieren (bis zu 128 Tonnen). Dieses System wird verwendet werden, um mögliche Elemente für eine Mondbasis oder für Mondflüge in den Weltraum zu bringen.
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