friZ 1/2008


Der Busstreik von Montgomery in Alabama

Am 1. Dezember 1955 weigerte sich die 42-jährige schwarze Näherin Rosa Parks, ihren Sitzplatz im Bus an einen weissen Fahrgast abzugeben. «Ich bin einfach müde; meine Füsse schmerzen. Ich habe den ganzen Tag schwer gearbeitet.» Der Fahrer rief die Polizei, die Rosa Parks verhaftete. Dies war das Signal zum Widerstand. Am nächsten Tag versammelten sich fast 50 angesehene schwarze Bürger und beschlossen, ab dem 5. Dezember, dem Tag an dem Rosa Parks vor Gericht zitiert wurde, ihre Leute aufzufordern, die rassengetrennten Busse Montgomerys zu boykottieren. Etwa 7000 Flugblätter wurden verteilt. Und das Wunder geschah: Am Montagmorgen fuhren die Busse leer. Kein Schwarzer stieg in einen Bus. Auf alle nur möglichen und unmöglichen Arten gelangten sie zur Schule, an die Arbeit, ins College: zu Fuss, per Autostopp, per Einspänner. Am Abend hielt King an einer Massenversammlung eine leidenschaftliche Rede: «Wir sind heute abend hier versammelt, um denen, die uns so lange misshandelten zu sagen, dass wir genug haben - genug davon, segregiert und erniedrigt zu sein, genug davon, herumgestossen und brutal unterdrückt zu werden. Wir haben keine andere Möglichkeit, wir müssen protestieren. Viele Jahre haben wir eine unglaubliche Geduld gezeigt. Heute abend kommen wir hier zusammen, um von jeder Art von Geduld frei zu werden, die weniger einbringt als Freiheit und Gerechtigkeit. (...) In unseren Demonstrationen wird kein Weisser von einem maskierten Negerpöbel aus seinem Haus verschleppt und brutal ermordet werden. Es wird weder Drohungen noch Einschüchterungen geben. Unser Handeln soll von den höchsten Grundsätzen des christlichen Glaubens diktiert sein. (...)»
Auch in den nächsten Tagen und Wochen ging der Busstreik ungebrochen weiter. Autobesitzer übernahmen freiwillig Fahrten, schwarze Taxis nahmen Passagiere zum Bustarif mit. Tausende zogen es vor, lieber jeden Tag ein bis zwei Stunden zu Fuss zur Arbeit zu gehen als weiter diskriminiert zu werden. Eine alte schwarze Frau meinte, als man sie fragte, warum sie sich nicht mitnehmen lassen wolle: «Ich laufe nicht für mich, ich laufe für meine Kinder und Enkel.» Schliesslich zeigte der Streik Wirkung: Die Einnahmen der Busgesellschaften gingen um 65% zurück.
Aber auch der Hass vieler Weissen stieg. King erklärte: «Was wir tun, tun wir nicht allein für die Schwarzen. Indem wir den Schwarzen befreien, befreien wir auch den Weissen von seinen falschen Anschauungen und unbewussten Schuldgefühlen gegenüber jenen, denen er Unrecht tut.» Am 30. Januar wurde eine Bombe auf die Betonveranda von Kings Haus geworfen; zum Glück blieb seine Familie unverletzt. King rief der erregten Menge von seiner zerstörten Veranda aus zu: «Bitte legt eure Waffen weg. Wir können dieses Problem nicht durch Vergeltung lösen. Wir müssen der Gewalt mit Gewaltlosigkeit begegnen. Wir müssen unsere weissen Brüder lieben, gleichgültig, was sie uns antun. (...)»
Inzwischen gewann der Busboykott landesweit an Publizität. Am 22. März 1956 verurteilte ein Gericht King zu 500 Dollar Strafe; dieser zog das Urteil weiter. Endlich am 20. Dezember 1956 kam der Durchbruch: Das oberste Bundesgericht erklärte die Rassentrennung in Bussen für rechtswidrig. Nach über einem Jahr hatte der Busstreik sein Ziel erreicht!

Ueli Wildberger
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