FriZ 2/2004

"Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass faire Preise gezahlt werden", sagt Katrin Braun, die seit vier Jahren im Stadtladen St. Gallen arbeitet und Präsidentin des claro Weltladens in Gossau ist. Von Monika Allenspach

Friedensarbeit, täglich und unspektakulär

Katrin Braun, 34, ist im Thurgau aufgewachsen. Sie ist ausgebildete Buchhändlerin und hat sich nach verschiedenen Stellen in der Deutsch- und Westschweiz und längeren Reisen 1996 in Gossau SG niedergelassen. Die Weltläden in Frauenfeld und Weinfelden kannte sie schon lange und fühlte sich zu den Produkten, die hier angeboten wurden, hingezogen. Als Katrin in den 90er Jahren für die Zweit-Weg-Matura arbeitete, begann sie im damaligen "3.Welt-Laden", heute claro Weltladen, in Gossau mitzuarbeiten; zuerst im Verkauf, bald im Vorstand und seit vier Jahren als Präsidentin.

Der Weltladen organisiert auch immer wieder Informationsveranstaltungen zu Fair Trade-Themen. Anhand von Bildern und Berichten lernten die Mitarbeitenden und KundInnen so z.B. die Bedingungen der Reisproduktion in Thailand kennen. Sie erfuhren aus welchen Gründen sich die BäuerInnen zu einer Produktionsgemeinschaft zusammengefunden hatten, wie sie sich organisiert haben und welche Auswirkungen dies auf ihr Leben und das ihrer Familien hat. So bekommen die angebotenen Produkte eine Geschichte, die ProduzentInnen auch in fernen Ländern erhalten Gesichter und werden als Menschen spürbar.

"Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass faire Preise gezahlt werden. Faire Preise, die den BäuerInnen oder HandwerkerInnen erlauben, davon zu leben, ihre Familien zu ernähren, die Kinder zur Schule zu schicken", sagt Katrin. Dass fairer Handel möglich ist, zeigt auch der Stadtladen in St. Gallen, wo sie nun seit vier Jahren arbeitet.

Angebot und Nachfrage gilt auch für Fair Trade

Katrin erzählt mit offensichtlichen Fachkenntnissen, viel Freude und Engagement aus ihrer Arbeit als Teammitglied des Stadtladens, dem Bio-Fachgeschäft in St.Gallen, das fast alle Produkte des täglichen Bedarfs führt. "Ich bin u.a. für den Einkauf von claro-Produkten zuständig. Die claro fair trade AG in Orpund ist auf den Handel mit fair gehandelten Produkten spezialisiert und beliefert hauptsächlich Weltläden, daneben aber auch Bioläden," sagt Katrin.

Auch im Stadtladen spielt das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Kaum etwas wird gekauft, bloss weil es ein Fair Trade- oder Bio-Produkt ist. Auch im Stadtladen gilt: Qualität und Geschmack müssen sehr gut sein und auch in einem Bio-Laden muss der Preis stimmen.

Der Stadtladen ist als Genossenschaft organisiert und wird nach bestimmten Grundsätzen geführt. Das beginnt schon bei der personellen Zusammensetzung der sechs Mitglieder der Verwaltung: Sie besteht nämlich aus je zwei VertreterInnen des Ladenteams, der KonsumentInnen und der ProduzentInnen, deren Erzeugnisse im Laden verkauft werden. In die Festlegung der strategischen Ausrichtung des Stadtladens sind somit die Interessen aller wichtigen "stakeholders" eingebunden. Katrin und die anderen fünf Teammitglieder sind nicht einfach VerkäuferInnen: Sie tragen die Verantwortung für das gesamte operative Geschäft und sind massgeblich an der strategischen Ausrichtung beteiligt. "So bleibt die Arbeit im Stadtladen immer spannend," sagt Katrin.

Kein Bio per Luftpost

Der überwiegende Teil der Produkte im Stadtladen haben Bio- oder Demeter-Qualität. Bei den angebotenen Fair Trade-Produkten sind die meisten mit dem Max Havelaar-Label ausgezeichnet. "Auch im Fairen Handel wird auf eine ökologische Produktionsweise Wert gelegt. Es gibt schon viele Fair Trade-Produkte, die zusätzlich das Knospe- oder ein anderes Bio-Label tragen," sagt Katrin. Neben den herkömmlichen Fair Trade-Produkten wie Kaffee, Honig und Reis, führt der Stadtladen seit einiger Zeit auch Fertigprodukte, wie z.B. fair gehandelte Currysauce.

Diese Produkte werden nicht nur unter fairen Bedingungen in den Anbauländern produziert. Auch die Verarbeitung erfolgt im Herkunftsland, was Arbeitsplätze schafft und die Wertschöpfung erhöht. Daneben achtet der Stadtladen darauf, dass die geführten Produkte möglichst regional produziert werden, um die Anlieferfahrten möglichst kurz zu halten. Faire Preise werden sowohl an die ProduzentInnen in der Region, in Europa wie auch in Übersee bezahlt. Es benötigt einiges an Fachkenntnissen und Fingerspitzengefühl, die Balance zu finden zwischen den Bedürfnissen unterstützenswerter Projekte auf ProduzentInnenseite, den KundInnenwünschen, der Rentabilität des Ladens und den ethisch/politischen Grundsätzen, nach denen der Laden geführt wird.

So hat das Ladenteam zum Beispiel entschieden, einen Fair Trade-Wein aus Chile nicht ins Sortiment aufzunehmen, obwohl das Projekt sicher unterstützenswert wäre. Aber, Bio-Wein ist aus Europa erhältlich und der deutlich längere Transportweg fiel zu stark ins Gewicht. Auch verzichtet der Stadtladen aus denselben Gründen darauf, Bio-Produkte anzubieten, die eingeflogen werden müssen.

Der Erfolg dieser Strategie zeigt sich auch im Umsatz. Seit dem Umzug im Jahr 1997 in ein helleres und freundlicheres Ladenlokal ist der Umsatz stetig gewachsen und beträgt nun über eine Million Franken jährlich.

Erdbeeren im Januar?

Übrigens: Im Stadtladen einkaufen macht den wöchentlichen Einkauf zu einem angenehmen Ausflug. Die Atmosphäre im Laden ist freundlich und persönlich, die Produkte werden attraktiv präsentiert und machen "gluschtig" und die Preise sind durchaus konkurrenzfähig. Allerdings werden Sie dort im Januar keine Erdbeeren oder Spargeln finden, lange bevor in Europa Saison dafür ist. Statt dessen lernen Sie die Reize und die Abwechslung der saisonalen Küche wieder kennen. Und eines ist sicher: Der Apfel vom Bauernhof nebenan oder der fair gehandelte Honig haben eine ausgezeichnete Qualität und schmecken beim Gedanken an die fairen und biologischen Produktionsbedingungen noch besser. Katrin jedenfalls, lädt Sie herzlich in den Stadtladen ein!


Stadtladen St. Gallen

Katharinengasse 12, 9000 St. Gallen, Telefon 071 244 20 55, www.stadtladen.ch

Öffnungszeiten: Mo: 14.00-18.30 Uhr, Di-Fr: 9.00-18.00 Uhr, Sa: 8.00-17.00 Uhr

Labels

Bio / Knospe: Knospe Produkte stammen aus vollumfänglich biologisch bewirtschafteten Betrieben. Es ist das verbreitetste Biolabel in der Schweiz. Fast 6500 inländische Betriebe (11%) lassen sich bereits nach den strengen Vorschriften der Knospe jährlich zertifizieren. Unter diesem Label sind Flugtransporte strikt verboten. www.bio-suisse.ch

Demeter: Das Demeter-Label steht für biologisch-dynamisch produzierte Lebensmittel. Die Richtlinien sind gleichwertig wie für die Knospe, darüber hinaus werden spezielle bio-dynamische Präparate eingesetzt. Flugtransporte sind grundsätzlich nicht erlaubt, doch sieht Demeter eine bewilligungspflichtige, definierte Ausnahmeregelung vor, die bisher jedoch noch nie beantragt wurde. www.demeter.ch

Max Havelaar: Die Max Havelaar-Stiftung führt genaugenommen das einzige Label für Fair Trade. Sie vergibt ihr Label auf Antrag nach der unabhängigen Kontrolle der Kriterien der FLO (Fair Trade Labelling Organisations), handelt selbst jedoch nicht mit den Produkten. Max Havelaar Produkte werden grundsätzlich nicht mit dem Flugzeg importiert, eine Ausnahme bilden die Ananas aus Ghana. www.maxhavelaar.ch

Was heisst fair?

Die Kriterien des Fairen Handels der claro fair trade AG lauten:

Weitere Informationen:www.claro.ch


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