FriZ - Editorial aus Nr. 1/2004

"Waffen ausser Kontrolle"

"Verschieben - verwässern - versenken" hat der Schweizerische Friedensrat im vergangenen Juni in einem Infoblatt zu den Aussichten der Waffengesetzrevision geschrieben. Die ersten beiden Einschätzungen sind inzwischen wirklich und die dritte wird immer wahrscheinlicher.

Es gibt nicht wenige Stimmen, die behaupten, Ruth Metzlers Einsatz für eine verschärfte Waffenkontrolle sei einer ihrer "Sargnägel" gewesen. Die abgewählte Bundesrätin hatte nicht nur eine Revision des Waffengesetzes in die Wege geleitet, die vor allem den Handel unter Privatpersonen erfassen sollte. Sie schlug im vergangenen Herbst auch noch ein zentrales Waffenregister vor und handelte sich damit erhebliche Feindschaft bei SVP, FDP und der Waffenlobby ein. Mit Christoph Blochers Amtsnachfolge als Justizminister könnte die eingeleitete Revision definitiv zur Makulatur werden und damit das lockerste Waffenrecht Europas bestehen bleiben.

Vor dem Totalabsturz der Waffengesetzrevision

Bereits endgültig vom Tisch ist die Registrierung aller Waffen. Das EJDP wird die für eine strengere Waffenkontrolle unabdingbare Massnahme "aufgrund der zu 93 Prozent negativen Vernehmlassungsantworten" nicht in die angekündigte Revisionsbotschaft aufnehmen. Die zentrale Forderung, die Waffenerwerbsscheinpflicht für den An- und Verkauf unter Privaten, wurde von Christoph Blocher am 18. Februar 2004 vor der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates als "Maximalvariante" abqualifiziert. Weshalb er die Vorlage, die für ihn sowieso nicht prioritär sei, "unter Berücksichtigung des im Rahmen einer reduzierten Revision Möglichen und Wünschbaren" nochmals evaluieren lässt.

Ist damit der verwaltungsinterne Fahrplan mit einer Behandlung der Revision im Erstrat in der kommenden Dezembersession noch realistisch? Und wie viel Sinn macht sie noch nach der von Blocher angeordneten "Reduzierung"? Setzt der neue EJPD-Vorsteher damit die Forderungen seiner Partei um, die die ganze Revision rabiat ablehnt, und macht zugleich das von der Waffen- und Schützenlobby gegen die Revision vorsorglich angedrohte Referendum ("Grosskampf um die Entwaffnung des Bürgers") überflüssig? Dabei war das Revisionsvorhaben keineswegs revolutionär, es wollte nur die stossendsten Schlupflöcher des Waffengesetzes beseitigen (siehe Artikel Seite 11). Das absehbare Ende auch nur bescheidener Reformen bei der Waffengesetzgebung durch Regierung und wohl auch im Parlament stellt die Frage, auf welchen Wegen eine stärkere Waffenkontrolle erreicht werden kann. Denn das Problem ist ja mit seiner Versenkung nicht verschwunden.

Kleinwaffen bleiben ein Thema

Daran möchten wir mit diesem Schwerpunkt erinnern, der sich mit aktuellen Fragen der Waffenkontrolle beschäftigt. Ruedi Tobler skizziert die Leidensgeschichte des Waffengesetzes und untersucht den zunehmenden Widerspruch zwischen der Schweizer Aussen- und Innenpolitik auf dem Gebiet der Kleinwaffen, der sich aus der Reformblockade ergibt - belebt durch ein Kurzinterview mit der Koordinatorin für Kleinwaffen im EDA, Heidi Grau. Im Interview mit der Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer gehen wir aktuellen Entwicklungen im Umgang mit Waffengewalt nach. Peter Lock beschreibt die internationalen Bemühungen um Kleinwaffenkontrolle und stellt einige kritische Fragen dazu. Tobias Gasser liefert eine weitere Leidensgeschichte zur Streumunition.

Peter Weishaupt, Geschäftsleiter Schweizerischer Friedensrat


*Im "Argumentenkatalog" (48 Seiten, Dezember 2002) der Kampagne gegen Kleinwaffen sind die eigentlich längst selbstverständlichen Revisionspunkte ausführlich dokumentiert, ergänzt vom "Vademekum Waffenregister" (24 Seiten, Dezember 2003), das auch die Leidensgeschichte der Revision zusammenfasst. Beide Publikationen können bei der Kampagne gegen Kleinwaffen, Postfach 6386, 8023 Zürich, e-mail info@friedensrat.ch bestellt werden.


Waffen unter Kontrolle!

Die internationale Kampagne von Amnesty, Oxfam und IANSA für eine Kleinwaffen-Konvention

Ziel der vor einem halben Jahr gemeinsam lancierten Kampagne von amnesty international (ai), dem englischen Oxfam-Hilfswerk und dem Kleinwaffen-Aktionsnetzwerk IANSA ist die strikte Kontrolle und Transparenz aller Rüstungstransfers durch ein rechtlich verbindliches internationales Abkommen. Ein solches Abkommen würde einheitliche Standards für den Waffenhandel schaffen und alle Exporte verbieten, die zu Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts beitragen - eine globale Lösung für ein globales Problem. Spätestens zur nächsten großen UN-Kleinwaffenkonferenz 2006 soll dieser Pakt durch die Vereinten Nationen verabschiedet werden!

"Zerstörte Leben"

Unter www.controlarms.org findet man sämtliche Informationen zur grossen Kleinwaffen-Kampagne, so die 84-seitige Broschüre "Shattered Lives - the case for tough international arms control" als pdf-Dokument. Auf der Homepage von Amnesty Deutschland ( www.amnesty.de ) respektive Oxfam ( www.oxfam.de ) sind die wichtigsten Argumente auf deutsch aufgeführt. Die Kampagne wird in über 60 Ländern durchgeführt, auch die Schweizer Amnesty-Sektion wird das Thema zusammen mit weiteren Gruppen aufnehmen, startet aber erst in den kommenden Monaten.


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