FriZ 5/2003

Wie sind die Hilfswerke eigentlich zur Friedensarbeit gekommen? Die friZ hat bei Peter Aeberhard, dem Leiter der Caritas-Fachstelle für Konfliktbewältigung und Friedensförderung nachgefragt.

Entwicklungshilfemodelle den realen Konflikte anpassen

Das Thema Frieden taucht bei den Hilfswerken seit einigen Jahren immer häufiger auf. Wie sind die Hilfswerke zur Friedensarbeit gekommen?

Peter Aeberhard: Ich sehe zwei Hauptgründe dafür. Zum einen stellte sich im Lauf der 90er Jahre heraus, dass die Hoffnung auf mehr Frieden durch den Wegfall der Blockkonfrontation eine Illusion war. Es erfolgte keine globale Entspannung, sondern ein Auseinanderbrechen in Einzelinteressen. Gleichzeitig veränderte sich der Charakter der meisten Konflikte weltweit: Die "neuen Kriege" sind gekennzeichnet durch eine oft verwirrende Vielzahl beteiligter Konfliktparteien und starker Gewichtung direkter lokaler Bereicherung, oft im Verbund mit international tätigen "Mafias" (Stichwort Kriegsökonomie, Warlords). Dies führt zu einer Verflechtung der Konflikte in alle Lebensbereiche betroffener Gesellschaften, und somit unserer PartnerInnen.

Dies erhöhte die persönliche Betroffenheit der HilfswerkmitarbeiterInnen wenn z.B. durch einbrechende Konflikte die Erfolgschancen von Entwicklungszusammenarbeitsprojekten gemindert werden. Aber auch der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien trug dazu bei, dass die Hilfswerke in unmittelbarer Nähe mit den Abgründen und Herausforderungen dieser neuen Kriege konfrontiert wurden und den engen Zusammenhang zwischen Aufbauhilfe und Konfliktbewältigung zu erkennen lernten.

Welche Rolle spielte dabei die offizielle Schweiz? Seit Ende 90er Jahre anerkennt der Bund die Friedensförderung als öffentliche Aufgabe und setzt mittlerweile einen zweistelligen Millionenbetrag dafür ein?

Peter Aeberhard: Es ist kaum mehr auszumachen, wer beim Stichwort "Friedensarbeit" wen wie beeinflusst hat. Viele Friedensorganisationen (Schweizerische Friedensrat, Friedensstiftung, Frauen für den Frieden, Pax Christi, etc) und die Anti-Apartheidbewegung sind schon sehr lange aktiv.

Das Umdenken in der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) begann Mitte der 90er Jahre, nicht zuletzt dank der zunehmenden Aktivitäten der Schweizerischen Friedensstiftung (heute: swisspeace) unter Günther Bächler. Eine Katalysatorwirkung hatte auch eine damals unbedeutend erscheinende Fachtagung der Deza zum Thema Konfliktbewältigung in der Entwicklungszusammenarbeit. 1999 veröffentlichte die Caritas ihr Positionspapier "Allianzen für den Frieden" und bis zum Jahr 2001 wurden bei einzelnen Hilfswerken Friedens-Fachstellen eingerichtet. Parallel dazu entwickelte sich der Bereich Friedensförderung beim Bund mit der Schaffung einer spezifischen Fachsparte (COPRET). Mit dem Kompetenzzentrum Friedensförderung (KOFF) wurde schliesslich Anfang 2001 eine Zusammenarbeits-Plattform für NGO und staatliche Stellen geschaffen.

Ist das Thema "Frieden" für die Hilfswerke lukrativ? Erreicht Caritas damit zusätzliche Spendeneinnahmen?

Peter Aeberhard: Natürlich sind wir mit unserem Engagement Teil davon, dass das Thema Frieden langsam "en vogue" kam. Aber rein finanziell ist der Frieden auch heute kein "Geschäft" für die Hilfswerke. Meiner Einschätzung nach decken die Spendeneinnahmen kaum die Kosten für die Aufarbeitung des Themas, geschweige denn den erkannten Bedarf vor Ort.

Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?

Peter Aeberhard: Zur Hauptsache berate und begleite ich Projektverantwortliche bei Caritas Schweiz. Dies ist ein schrittweiser Prozess, der von der Konfliktanalyse über die Begleitung beim Projektbesuch bis zur Diskussion von Änderungsvorschlägen reicht. Ausserdem bin ich für die Weiterbildung der Caritas-MitarbeiterInnen auf diesem Gebiet verantwortlich: Dies geschieht sowohl intern (z.B. Kurse zur Konfliktanalyse oder zu Trauma) wie extern (z.B. Mediationsausbildung bei der Deza). Daneben berate ich die Caritas beim gemeinsamen Friedensprogramm der Schweizer Hilfswerke für Mexiko und den von Caritas lancierten Jugendclub.

Friedensarbeit betrifft aber nicht nur Konflikte in den Entwicklungsländern, sondern auch bei uns: Die Weiterbildung punkto Konfliktbewältigung erhöht auch die Sozialkompetenz der Caritas-MitarbeiterInnen. Dadurch lassen sich auch hausinterne Konflikte und solche mit Partnern konstruktiv austragen. Die grundsätzlichen Konfliktmuster und -strategien lassen sich von einzelnen auch auf Gesellschaften übertragen und haben universellen Charakter.

Wie wird Ihre Arbeit von Seiten der Caritas aufgenommen?

Peter Aeberhard: Unterschiedlich. Vor allem Projektverantwortliche für Länder mit aktuellen Konflikten schätzen die Unterstützung durch die Fachstelle. Auf der anderen Seite bedeutet die Einführung von Konfliktbewusstsein in die Entwicklungszusammenarbeit auch mehr Komplexität: In den letzten Jahren hat sich die Maxime für die Hilfswerkarbeit, die Effektivität beim Einsatz der Spendengelder, verändert. Gerade in einem Konfliktgebiet ist ein noch so effektives Hilfsprogramm trotzdem fragwürdig, wenn es z.B. nur einer Konfliktpartei zugute kommt. Bisherige Entwicklungshilfemodelle müssen den neuen konfliktiven Realitäten angepasst werden.

Sie haben die Fachstelle Ende September 2003 verlassen: Wie geht es weiter mit der Friedensarbeit bei der Caritas?

Peter Aeberhard: Zurzeit ist die Stelle vakant, aber die Weiterführung der Friedensarbeit ist mit der Verabschiedung der Positionierung beschlossene Sache. Caritas hat sich damit der Friedensarbeit verpflichtet.

Peter Aeberhard war bis August 2003 Leiter der Caritas-Fachstelle für Konfliktbewältigung und Friedensförderung. Das Gespräch mit Peter Aeberhard fand im September 2003 statt. Die Fragen stellte Detlev Bruggmann.


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