Rund 20 Heks-Mitarbeitende und eine Kollegin des Kompetenzzentrums für Friedensfragen (KOFF) hören dem äthiopischen Kursleiter zu und stellen kritische Fragen. Der Konsulent aus dem Horn von Afrika ist Fachmann in Sachen "Do no harm", einer Art Friedensverträglichkeitsprüfung für Nothilfe-, Entwicklungs- und Friedensprojekte. Am "Do no harm"-Workshop vom vergangenen September haben der äthiopische Experte, die Heks-Leitung, -Programmbeauftragten und -KoordinatorInnen aus Lateinamerika, Afrika und Asien an Ideen gearbeitet, wie diese Friedensverträglichkeitsprüfung in die Programm- und Projektarbeit integriert werden kann.
Während einer Woche im September lassen sich 19 Schülerinnen, zwei kolumbianische Musiker und eine Tänzerin aus Kolumbien auf ein Experiment ein. Die Jugendlichen aus Lateinamerika rappen zu Hause für den Frieden. Sie sehen ihre Musik als direkten Beitrag gegen die Gewalt. Mit ihren Songtexten fordern sie die Einhaltung der Menschenrechte und den Respekt der Menschenwürde ein. Aufgewachsen im Klima der Gewalt und durch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Armee, Paramilitär und Guerilla aus ihrer Heimat vertrieben, glauben sie trotz allem an eine friedlichere Welt und teilen diese Hoffnung mit den jungen Schweizerinnen. In die Vorbereitung des Besuchs, der die MusikerInnen auch in Schweizer Kirchgemeinden führt, ist das Kolumbiensolidaritätsnetz eingebunden. Die Erfahrung dieser Begegnungen wird nun ausgewertet und die Erkenntnisse fliessen in die weitere Öffentlichkeits- und Programmarbeit ein.
Diese Beispiele machen deutlich, wie Heks den Lernprozess in der Friedensförderung versteht. Praktische Erfahrungen aus dem Alltag der Menschen in Konfliktregionen werden mit neuen Instrumenten der Friedensforschung verknüpft. Lernen wird als gegenseitiger Prozess verstanden, in dem alle ihr Wissen gleichwertig einbringen können.
An der Zusammenarbeit in Simbabwe lässt sich aufzeigen, wie sich die Hilfswerksarbeit durch eine stärkere Konfliktsensibilität und eine intensive Auseinandersetzung mit Friedensfragen verändert. Heks unterstützt bisher in Simbabwe, einem Land, in dem sich der soziale und politische Konflikt in den vergangenen Jahren massiv zugespitzt hat, Projekte zur Friedenserziehung, Ernährungssicherung und Jugendarbeit.
Die Kombination von Dürre und wirtschaftlicher und politischer Misere hat im vergangenen Jahr die Nahrungsmittelknappheit in einigen Regionen Simbabwes verstärkt. Die Verteilung von Nahrungsmitteln erfordert in einem politisch heiklen Umfeld besondere Aufmerksamkeit. Wer erhält die Hilfe? Wie wird sie verteilt? Wer profitiert davon? Wird Hilfe für andere Zwecke missbraucht? Im Wissen darum, dass insbesondere Nothilfe, Konflikte verschärfen oder gar selbst Teil eines Konflikts werden kann, hat die Heks-Partnerorganisation ein spezifisches Monitoring eingeführt, das diesen Fragen regelmässig und systematisch nachgeht. Um die Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit der Hilfe zu gewährleisten, mussten die Partner aber auch handeln und hart verhandeln: z.B. wenn begünstigten Familien Nahrungsmittel gestohlen wurde oder wenn die dominierende Partei die Hilfe für eigene Zwecke vereinnahmen wollte.
Wie viele andere Hilfswerke hat Heks bisher einzelne Projekte in verschiedenen Regionen unterstützt, die von den Partnerorganisationen zur Finanzierung vorgeschlagen werden. Die Entwicklung von Landesprogrammen, seit einigen Jahren ein Trend in der Internationalen Zusammenarbeit, erfordert jedoch eine gesamtheitliche Sicht. Das zunehmende Konfliktbewusstsein führt ebenfalls dazu, dass dem Projektumfeld besser Rechnung getragen und immer wieder die Frage nach der Wirkung gestellt wird (nach der gewünschten und allenfalls nach der unbeabsichtigten negativen).
Parallel zu den Überlegungen über die Friedensverträglichkeit ("Do no harm"-Ansatz/Stärkung lokaler Friedenskräfte) ist die Überzeugung bei Heks in der Schweiz und bei den Partnern in Simbabwe gewachsen, vermehrt in Projekte der Friedensförderung zu investieren. So hat eine der wichtigsten lokalen Partnerorganisationen eine Stelle für Friedensförderung geschaffen und lotet mit den Gruppen an der Basis immer wieder den Handlungsspielraum aus. Sie führt zum Beispiel Workshops über Umgang mit Gewalt und Konflikten durch und vermittelt Informationen über Menschenrechte.
In der Schweiz hat Heks einerseits das Gespräch mit den staatlichen Stellen der schweizerischen Aussenpolitik gesucht, um die Friedensbemühungen auf eine Ebene auszuweiten, zu der eine Nichtregierungsorganisation kaum Zugang hat. Gerade in Simbabwe hat die Schweiz als neutrales Land möglicherweise einen besondere Chance, sich in der Friedensförderung aktiv einzusetzen.
Anderseits klärt Heks zur Zeit zusammen mit anderen Hilfswerken Möglichkeiten für ein gemeinsames Friedensprogramm ab. Dabei sollen lokale Friedenskräfte und Partnerorganisationen die zentrale Aufgabe übernehmen. Unter Friedensförderung verstehen die Hilfswerke nicht nur kurzfristige Kriseninterventionen. Viel mehr wollen sie die Menschen vor Ort darin unterstützen, Perspektiven für eine friedlichere Zukunft zu entwerfen und umzusetzen. Mögliche Aktionslinien könnten sein: Diskussionen über die Rolle und Verantwortung der Gemeinden, Stärkung demokratischer Entscheidungsprozesse, Menschenrechts- und Bürgerrechtsbildung oder die Förderung der Sozialkompetenz, die auch den konstruktiven Umgang mit Konflikten beinhaltet.
Nicht zuletzt hat Heks als kirchliches Hilfswerk mit teilweise kirchlichen Partnern die Chance und die Verantwortung, sich über die besondere Rolle der Kirchen als wichtigem gesellschaftlichen Akteur in Simbabwe Gedanken zu machen. Auch hier geht es vor allem darum, die friedensfördernden Kräfte zu unterstützen sowie im Rahmen der Möglichkeiten, zum Beispiel über das internationale Netz der Ökumene, den Dialog zu suchen und einzufordern.
Von Erfahrungen wie Heks sie in Simbabwe macht, profitieren auch andere Programme des Hilfswerks. Zur Zeit steht denn auch der interne Wissensaustausch im Vordergrund. Die "Friedensgespräche", bei denen verschiedene Aspekte der Friedensförderung präsentiert und diskutiert werden, haben sich zu spannenden inhaltlichen Debatten entwickelt und, sozusagen als Nebenprodukt, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Heks-Abteilungen der Ausland- und Inlandarbeit verstärkt. Mit einem Mainstreamingkonzept für Friedensverträglichkeit wird in den nächsten Monaten auf allen Ebenen überprüft, wie Heks mit seinen Partnerorganisationen dem hohen Anspruch der Friedensverträglichkeit gerecht werden kann.
Maya Krell betreut die Projektstelle Friedensarbeit des HEKS und ist freiberufliche Kommunikationsberaterin und Mediatorin
Friedensförderung ist sowohl ein Arbeitsschwerpunkt der Heks-Auslandarbeit mit konkreten Friedensprogrammen und Projekten sowie ein transversales Thema für die gesamte Institution. Dies bedeutet, dass in allen Bereichen konfliktsensibel vorgegangen und immer wieder überprüft wird, ob das Potenzial für friedensfördernde Initiativen ausgeschöpft wird. Ein Beispiel dafür sind die 11 Friedensthesen, die seit 1995 für alle Nothilfeaktivitäten in Konfliktregionen gelten.
Zu den Arbeitsbereichen der Friedensförderung im Ausland gehören:
* Förderung einer Friedenskultur insbesondere durch Dialog und Friedenserziehung und in Krisensituationen durch die Zusammenarbeit mit lokalen Friedenskräften
* Schutz der (potentiellen) Gewaltopfer durch Präsenz und Zeugenschaft (durch enge Partnerbeziehungen, anwaltschaftliches Engagement, wo immer nötig und sinnvoll mit Allianzpartnern, Friedensmonitoring oder Delegationen)
Demobilisierte Soldaten und ihre Familien in Bosnien-Herzegovina erhalten therapeutische Unterstützung, damit sie sich in der Nachkriegsgesellschaft zurechtfinden können. Von Kriegserlebnissen traumatisiert, gelingt vielen die Rückkehr ins Zivilleben nicht. Häufig haben die ehemaligen Soldaten den Arbeitsplatz verloren, die eigene Wohnung wurde zerstört und die Familie vertrieben. Diese Kriegserlebnisse arbeiten sie mit therapeutischer Begleitung auf. Sie lernen, ihr Selbstvertrauen in der veränderten Umwelt neu aufzubauen und wieder eine aktive und konstruktive Rolle bei der Gestaltung ihres Lebens zu übernehmen. Zusammen mit den TherapeutInnen werden konkrete Möglichkeiten gesucht, im Alltag neu Fuss zu fassen. So werden die KlientInnen beispielsweise zu einer Erwerbstätigkeit durch berufliche Umorientierung ermutigt. Das Projekt findet in der Öffentlichkeit grosse Beachtung: Lokale TV- und Radiostationen sowie verschiedene Zeitungen und Zeitschriften berichten über das von Heks unterstütze CORRIDOR-Programm.
Heks führt in Zusammenarbeit mit Mission 21 und dem Romero-Haus Luzern sowie im Zusammenschluss mit Bethlehem Mission Immensee und Brot für Alle einen Jahreskurs für Friedensarbeit und Konfliktlösung durch. Das Schweizerische ökumenische Friedensprogramm (SÖF) spricht damit Frauen und Männer an, die in ihrem beruflichen oder persönlichen Engagement mit Konflikten konfrontiert sind und die ihre Kompetenzen in diesem Bereich erweitern bzw. vertiefen möchten. Die meisten SÖF-AbsolventInnen arbeiten mit ihrem zusätzlichen Wissen weiterhin in ihrem Beruf in der Schweiz. Einige haben sich jedoch durch den Kurs auch für Auslandaufenthalte, z.B. für Monitoringprogramme, qualifiziert. Der nächste Jahreskurs beginnt Anfang 2004. Weitere Infos bei: Heks-Inlandzentrale, SÖF-Sekretariat, Postfach 722, 8029 Zürich, Tel. 01 422 44 55.
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