FriZ 5/2003

In der Uno macht sich die Schweiz für eine Kontrolle der Kleinwaffen stark, im eigenen Land tut sie sich schwer damit. Justizministerin Ruth Metzler verzögert die längst überfällige Revision des Waffengesetzes um ein weiteres Jahr. Dabei geht es vorläufig nur um eine bessere "Missbrauchs"-Kontrolle, von einem Abbau des ungeheuren Waffenarsensals in den Schweizer Haushalten ist noch keine Rede. Von Peter Weishaupt

Geburtswehen einer verstärkten Waffenkontrolle

Der Schwung, den vor einem Jahr der Uno-Beitritt der Schweizer Diplomatie versetzt hat, ist noch nicht ganz vorbei. Bundespräsident Pascal Couchepin selbst reiste im September an die Eröffnung der 58. Uno-Generalversammlung nach New York und setzte sich in seiner Rede für eine Reform der Uno-Institutionen, vor allem des Sicherheitsrates, ein. Er wies auch auf einen Schwerpunkt schweizerischer Aktivitäten hin, die Eindämmung der Kleinwaffen. Seit der ersten Uno-Konferenz über die Kontrolle von "Small Arms" vor zwei Jahren ringt die Weltgemeinschaft (bisher vergeblich) um eine solche Konvention; eine erste Überprüfungskonferenz fand im Juli 2003 statt. Zusammen mit Frankreich arbeitet die Schweiz an Initiativen zur Kennzeichnung von Feuerwaffen, von der man sich die Rückverfolgung und Identifizierung illegaler Waffen und ihrer Handelsströmen erhofft. Die Schweiz würde gerne den Vorsitz einer Uno-Arbeitsgruppe übernehmen, die mit der Entwicklung eines entsprechenden Identifikations- und Auffindungssystems betraut wird.

Kleinwaffen-Supermarkt Schweiz

Immer krasser im Widerspruch zu diesem internationalen Engagement erweist sich jedoch die Waffenkontrolle im eigenen Land. Es ist in der Schweiz kinderleicht, an eine Schusswaffe oder gar an ein ganzes Arsenal zu kommen, Einschränkungen für deren Erwerb gibt es praktisch keine. Eine behördliche Kontrolle des Erwerbs und Besitzes ist kaum vorhanden. Weder Bund, Kantone noch Gemeinden wissen, wie viele und welche Waffen wo in der Schweiz zu welchem Zweck lagern. Eine Übersicht über den Waffenmissbrauch fehlt. Dazu kommt, dass die in Privathaushalten aufbewahrten Armeewaffen nicht dem Waffengesetz unterstehen. Selbst Bundesrätin Metzler "ist beunruhigt, wie viele Waffen wir in der Schweiz haben" und kann nur sehr grob schätzen: "Zwischen einer und drei Millionen." Zudem greife man "heute schneller zu Waffen, wird schneller gewalttätig".1

Die minimalen Vorschläge für eine Teilrevision des Waffengesetzes, die vor einem Jahr von Bundesrätin Metzler in die Vernehmlassung gegeben wurden, stiessen auf den absehbaren heftigen Widerstand der in der "Pro Tell" vereinigten Waffen- und Schützenlobby - aber auch seitens der ansonsten so auf Sicherheitspolitik festgelegten Parteien SVP und FDP. Dabei geht es in der Vorlage um reine Selbstverständlichkeiten wie

Verzögerung mittels Detailklauberei

Anstatt nun die längst überfällige Revision des Waffengesetzes, wie ursprünglich angekündigt noch in diesem Jahr mit einer Botschaft ans Parlament voranzutreiben, hat Ruth Metzler im September 2003 eine zweite Vernehmlassung über einen einzelnen weiteren Punkt, die Einführung eines Waffenregisters, eröffnet. Sämtliche Schusswaffen in privatem Besitz (Armeewaffen ausgenommen) sollen in einem einfachen Verfahren beim Bund oder bei den Kantonen registriert werden. Damit erhofft sich die Polizei, dass sie dereinst bei einem Verbrechen zurückverfolgen kann, wer der letzte legale Besitzer war. Diesen eher technischen, aber für eine wirksamere Kontrolle unabdingbaren Vorschlag hätte Metzler jedoch einfach in die Botschaft übernehmen können. Gegenüber der ersten Vernehmlassung hat sie in der zweiten Fassung bereits zwei Vorschläge zurückgenommen: Auf eine Munitionskontrolle bei Schiessanlässen will sie verzichten Und selbst beim Verdacht auf verbotenen Waffenbesitz soll die Polizei Hausdurchsuchungen auch künftig nur im Rahmen einer Strafuntersuchung durchführen dürfen.

Mehrheit der Bevölkerung ist dafür

Ohne Zweifel, die Polizei hat ein Interesse an einer besseren Waffenkontrolle. Aber auch die Bevölkerung äussert sich immer wieder mit erdrückender Mehrheit für striktere Gesetze. So stellten Martin Killias und Philippe Lamon kürzlich fest, dass "die Ergebnisse zur Verschärfung des Waffengesetzes eher überraschend sind, indem drei besonders strittige Forderungen auf nahezu einhellige Zustimmung stossen. Dies gilt für das grundsätzliche Verbot von Waffenverkäufen unter Privaten, für das Verbot automatischer Waffen und dafür, dass jeder Käufer über einen Waffenerwerbsschein verfügen muss. Eine Mehrheit von jeweils 90 oder mehr Prozent befürwortet die erwähnten drei Vorschläge. Es gibt hier nur geringfügige Unterschiede zwischen Männern und Frauen, verschiedenen Alterskategorien, politischen Richtungen oder Bildungsschichten."2

Meinungsumfragen ändern aber noch nichts daran, dass die Revision erst mal über die Bühne gehen muss. Ob nächstes Jahr Ruth Metzler noch federführende Bundesrätin ist, ob ihre Nachfolge die Sache vorantreibt oder entsorgt, ob und wann eine griffige Botschaft an das Parlament erfolgt, ob sich das neue, nicht zwingend weitsichtigere Parlament zur Reform entschliesst - alle diese Fragen sind offen. Selbst wenn dies irgendwann nächstes Jahr passiert, die Waffenlobby wird die Revision mit allen Mitteln bekämpfen. Bereits heute droht sie mit einem Referendum einen "Grosskampf um die Entwaffnung des Bürgers" an.

Nachvollziehbar ist dieser Widerstand nicht ganz. Denn es geht in erster Linie um eine bessere Kontrolle. Weder sollen mit der Gesetzesrevision Waffen konfisziert noch deren Kauf gross eingeschränkt werden; es wird weiterhin kein Nachweis verlangt, wozu eine Waffe gebraucht wird, und sie kann nach wie vor problemlos weiterverkauft werden. Von einer Räumung der Millionen in Schweizer Privathaushalt lagernden Schussgeräte ist schon gar nicht die Rede.

Die Schweiz würde sich damit lediglich vergleichbaren Regelungen in anderen Ländern und internationalen Vereinbarungen annähern. Denn trotz ihrer internationalen Kleinwaffenarbeit hat die Schweiz bisher die wichtigen Uno- und europäischen Vereinbarungen nicht ratifiziert, ja teilweise nicht einmal unterschrieben. So wurde das europäische Feuerwaffenprotokoll zwar unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert. Und das dritte "Zusatzprotokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Schusswaffen, dazugehörigen Teilen und Komponenten und Munition und gegen den unerlaubten Handel damit" des Uno-Übereinkommens gegen transnationale organisierte Kriminalität wurde noch nicht einmal unterzeichnet. Es wird auch nicht in die Ratifizierung des Abkommens mit den beiden anderen Zusatzprotokollen gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel einbezogen, sondern muss laut EJPD erst mit dem Schengen-Abkommen koordiniert werden.

Peter Weishaupt ist Geschäftsleiter des Schweizerischen Friedensrates und betreut die Kleinwaffenkampagne.


Gemeinsame Kleinwaffen-Kampagne

Amnesty International lanciert zusammen mit der englischen Entwicklungszusammenarbeitsorganisation Oxfam und dem IANSA-Netzwerk (Internationales Aktions-Netzwerk zu Kleinwaffen) während des nächsten Halbjahrs eine Kampagne gegen den Waffenhandel, die sich vor allem für eine internationale Kleinwaffenkonvention einsetzt.

Die Schweizer Amnesty-Sektion ist daran, ebenfalls in Zusammenarbeit mit weiteren Gruppen, diese Kampagne regional umzusetzen. Dabei wird sich auch die Kleinwaffenkampagne des Schweizerischen Friedensrates beteiligen. Es wird nächstes Jahr jegliche Unterstützung brauchen, eine auch nur minimale Waffenkontrolle durchzusetzen.

Aktuelle Informationen: http://www.friedensrat.ch/kleinwaffen.hauptseite.html

1 Sonntags-Zeitung 21.9.03

2 "Univox-Trendberichtes 03 zu Recht/Kriminalität" - Quelle?


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