FriZ 4/2003

Mit friedenspädagogischen Ansätzen können in einer Schule kurz- und mittelfristig grosse Erfolge erzielt und Konflikte gewaltfrei ausgetragen werden. Doch längerfristig braucht es politische Entscheide, die allen Menschen ihre Rechte garantieren. Von Christa Zopfi

Wo liegen die Grenzen der Friedenspädagogik

Überall, wo Menschen zusammen leben, gibt es Konflikte: am Arbeitsplatz, in der Familie, in der Schule, innerhalb einer Gemeinde und zwischen Staaten. Die Interessen und Bedürfnisse der einzelnen sind verschieden, Vorurteile gegenüber dem "Andern" lassen sich nur schwer abbauen, Minderheiten werden als Bedrohung erlebt und diskriminiert. LehrerInnen, die diese Prozesse erkennen und ernst nehmen, versuchen präventiv vorzugehen. Sie legen Wert auf Zusammenarbeit, eine offene Gesprächskultur, gewaltfreie Konfliktbearbeitung. Ein Beispiel ist das Mediationsprojekt in Binningen (Seite X). Wenn sich aber durch äussere Umstände wie Krieg, Vertreibung und Flucht die Verhältnisse in einer Schule zuspitzen und ernsthafte Konflikte den Unterricht stören, sehen sich die LehrerInnen gezwungen zu handeln; wie in Ost-Slavonien, wo initiative Lehrerinnen ihr pädagogisches Repertoire in Workshops erweitern und in relativ kurzer Zeit Erfolg in ihrer Klasse erzielen.

Was Friedenspädagogik ausrichten kann

- Friedenspädagogik kann Methoden vermitteln, mit denen LehrerInnen sich, die eigene Kultur und die der Andern kennen lernen und diese Erfahrungen an ihre SchülerInnen weitergeben können.

- Friedenspädagogik kann präventiv wirken, indem sie versucht Vorurteile abzubauen, Toleranz zu entwickeln und Konflikte auf gewaltfreie Art zu lösen.

- Friedenspädagogik kann Wege aufzeigen, wie Menschen, die sich feindlich gesinnt sind, einander zuhören und verstehen lernen. Bei intensiver friedenspädagogischer Arbeit mit einer Schulklasse ist nach relativ kurzer Zeit ein Erfolg sichtbar: In einer geschlossenen Gruppe lassen sich mit entsprechendem Training Vorurteile abbauen, Regeln für ein verantwortungsbewusstes Zusammenleben einführen und Vertrauen aufbauen.

Die erste Hürde sind die LehrerInnen selbst

Sobald die Kinder aber das Klassenzimmer verlassen, treffen sie wieder auf die alten Muster. Auf dem Pausenplatz geben die Starken den Ton an und üben Gewalt aus. Friedenspädagogik darf nicht nur im Klassenzimmer stattfinden. Sie muss allen LehrerInnen ein Anliegen sein. Die erste Hürde beim Verwirklichen von friedenspädagogischen Ansätzen sind die LehrerInnen selbst. Solange in ihrem Team keine offene Kommunikation, keine echte Zusammenarbeit und kein Vertrauen besteht, können sie dies auch nicht in ihrer Klasse erwarten.

Eine weitere Hürde sind die Eltern, die oft Vorurteile haben gegenüber Menschen aus andern Kulturen und Religionen, Menschen mit andern Werten und Gewohnheiten. Auch sie müssen in die friedenspädagogische Arbeit einbezogen werden, damit die Kinder nicht in einen Konflikt zwischen Schule und Elternhaus geraten.

Der Spielraum und das Engagement der LehrerInnen ist sehr unterschiedlich. Wo zieht die einzelne die Grenzen zwischen dem täglichen Unterricht und ihrem Engagement für die gesamte Schule? Die Erwartung, dass die Schule die Fehlentscheide der PolitikerInnen ausbügeln könne, ist unrealistisch. Solange in einem Land Minderheiten diskriminiert und die Menschenrechte nicht respektiert werden, stossen friedenspädagogische Ansätze an ihre Grenzen. Nichts desto trotz sollte Friedenspädagogik in der Aus- und Weiterbildung der LehrerInnen einen wichtigen Platz bekommen. Dabei bleibt die Hoffnung, dass Kinder, die in der Schule Achtung der Mitmenschen, Toleranz und Zivilcourage erlernt haben, auch verantwortungsbewusste BürgerInnen und PolitikerInnen werden. Denn ohne Hoffnung entsteht keine Motivation, im eigenen Umfeld friedenspolitisch aktiv zu werden.


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