Als in den Neunzigerjahren die Spannungen zwischen MazedonierInnen und AlbanerInnen in Mazedonien stiegen, initiierte die DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) zusammen mit der US-amerikanischen Organisation "Search for Common Ground" das Mozaik-Projekt: ein Modell für zweisprachige Kindergärten. Damit wollen sie über das Erziehungssystem nachhaltig in ein friedliches Miteinander der jungen Generation in Mazedonien investieren. Betreut wird das Projekt durch "Search for Common Ground" Mazedonien. Es sucht nach Möglichkeiten, wie Elemente aus den Projektkindergärten in staatlichen Bildungseinrichtungen genutzt werden können.
Die ersten MOK entstanden 1997/98; mittlerweile sind es fünf. Sie befinden sich in den gleichen Räumen wie die staatlichen Kindergärten. MOK unterscheiden sich jedoch im wesentlichen in drei Punkten von diesen:
- Altersgemischte Klassen mit Vier- bis Siebenjährigen, damit die Kinder vermehrt voneinander lernen können.
- Ethnisch gemischte, zweisprachige Gruppen (Mazedonisch/Albanisch), doppelte Anzahl BetreuerInnen.
- Die Lehrpersonen werden in kindorientierter Pädagogik, Kommunikation und Konfliktlösung ausgebildet.
In der Regel spricht in einer Mozaik-Klasse die eine Hälfte der Kinder mazedonisch, die andere albanisch. Von den vier LehrerInnen, die in Schichten arbeiten, sind ebenfalls je zwei mazedonischer oder albanischer Muttersprache. Damit beide Sprachen gleichwertig vorkommen, wurde eine Methode erarbeitet: das Paraphrasieren. Zwei LehrerInnen mit der jeweiligen Muttersprache unterrichten gemeinsam und gleichzeitig. Wenn sie beispielsweise eine Geschichte erzählen, beginnt die Albanerin in ihrer Sprache. Dann fasst die Mazedonierin zusammen, was ihre Kollegin auf Albanisch erzählt hat, und fährt auf Mazedonisch weiter. Diesen Teil fasst nun die Albanerin zusammen und fährt auf Albanisch fort. Die Sprachen greifen ineinander - es soll keine Haupt- und Zweitsprache geben. Hingegen ist immer klar, welche Kindergärtnerin welche Sprache spricht.
Die Zweisprachigkeit ist eine Möglichkeit die verschiedenen Kulturen zusammenzubringen. Es wird nicht erwartet, dass die Kinder beide Sprachen beherrschen, doch mit der Zeit werden alle das Wichtigste (oder auch mehr) der anderen Sprache lernen. Grundsätzlich thematisieren die Kindergärtnerinnen immer wieder die Kulturen, aus denen die Kinder stammen. Sie sollen die eigene Kultur und die der anderen bewusst wahrnehmen, kennen lernen und Vorurteile abbauen. Durch Elternarbeit entstehen gemischte Kontakte auch zwischen den Erwachsenen. Beispiele:
- Wichtige Feste und Bräuche werden besprochen und gemeinsam gefeiert.
- Immer wieder wird die ganze Klasse zu einem Kind nach Hause eingeladen, um Spezialitäten und unterschiedliche Lebensweisen kennen zu lernen.
- Geburtstage werden gefeiert, das betreffende Kind steht im Mittelpunkt und darf Eltern, Geschwister und Verwandte mitbringen.
- Wie in Mazedonien üblich, werden die Eltern einmal im Monat zu einem Treffen eingeladen, an welchem sie aktuelle Themen besprechen können und über das Konzept von Mozaik informiert werden.
Das MOK-Konzept geht davon aus, dass jedes Kind seine eigene Persönlichkeit hat. Daraus ergeben sich Schwerpunkte beim Unterrichten:
- Das Individuum stärken: Nicht nur die kulturelle Identität, auch die Persönlichkeit soll gefestigt werden, damit ein partnerschaftliches Neben- und Miteinander möglich ist.
- Wenn ein Kind etwas sagen will, wird es angehört und nicht unterbrochen oder abgewiesen.
- Persönliche Interessen werden unterstützt.
- Emotionen dürfen gezeigt werden. Die Kinder sollen lernen, damit umzugehen.
- Spielerisches Lernen: Die Kinder werden auf spielerische Art mit den Themen vertraut gemacht und vertiefen diese im Spiel.
- Entwicklung berücksichtigen: Die Lehrpersonen beobachten die Kinder, halten ihre Entwicklungsschritte fest und fördern sie entsprechend.
Grundsätzlich werden Konflikte zwischen Kindern wahrgenommen. Durch die Vermittlung der LehrerInnen sollen die Betroffenen selbst Möglichkeiten finden, den Konflikt zu lösen. Die VermittlerInnen - wenn nötig zweisprachig - nehmen die Kinder zur Seite. Wer zuhören will, ist willkommen. Konflikte werden immer nach dem gleichen Ablauf behandelt:
1. Problem anhören: Die betroffenen Kinder erhalten die Möglichkeit, den Konflikt aus ihrer Sicht zu schildern, zum Beispiel wenn sie sich um einen Ball streiten. Sie haben das Recht auf volle Aufmerksamkeit (keine Kommentare und Unterbrechungen). Sie sollen auch mitteilen, wie sie sich dabei fühlen.
2. Fokussieren der Interessen: Durch gezieltes Fragen und Spiegeln der Aussagen versucht die Vermittlerin mit den Kindern herauszufinden, welches die gemeinsamen Interessen sind (in unserem Beispiel der Ball). Sie überlegt sich, welche Absicht die Kinder verfolgen (sich profilieren, Macht ausüben, Zuneigung gewinnen). Die Kinder sollen sich überlegen, welche Konsequenzen der Konflikt hat, wenn er weitergeht; warum der/die andere nicht das Gleiche will; und wie sie sich in der Situation des anderen fühlen würden. Nachdem die gemeinsamen Interessen und Unterschiede geklärt sind, werden Lösungen gesucht.
3. Brainstorming: Ziel ist es, eine Win-Win Situation zu schaffen. Die Kinder sollen Vorschläge bringen, wie beide ihre Interesse befriedigend wahrnehmen können. Alle Vorschläge werden mit Symbolen aufgezeichnet, damit sie sichtbar bleiben.
4. Ideen diskutieren und auswerten: Die Vorschläge werden geprüft, ob sie "Tschip" (+) oder "Tschop" (-) sind. Die Schlüsselfrage lautet: Ist diese Idee für beide Parteien zufriedenstellend? Wenn nein, dann wird sie ausgeschieden. Anschliessend versuchen die beiden, sich auf einen Vorschlag zu einigen. Ist er ausgehandelt, fragt die Vermittlerin nochmals nach, ob ihn die Kinder als fair empfinden und sie ihn auch einhalten wollen und können.
5. Klärung: Zum Schluss überprüft die Vermittlerin, ob alles klar ist und von allen gleich verstanden wird. Sie klärt Einzelheiten wie wann, was, wer, wie lange, womit, wo, wie? Ganz wichtig ist die Frage, ob alle das Problem als gelöst empfinden. Sonst beginnt es wieder von vorn.
Bis jetzt läuft das MOK-Konzept nur auf Kindergartenstufe. In den mazedonischen Schulen gibt es aber zumindest einzelne Projekte zu Konfliktbewältigung und -prävention.
Daniela Erb ist Primarlehrerin, lebt seit drei Jahren in Skopje, Mazedonien. Letztes Jahr organisierte sie im Auftrag der DEZA eine Studienreise für Mozaik-LehrerInnen in die Schweiz.
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