FriZ - Editorial aus Nr. 2/2003

Geldströme: Geöffnete Schleusen

Noch immer gilt: Money makes the world go round. Die Macht des Kapitals ist ungebrochen, daran haben auch 50 Jahre "soziale Marktwirtschaft" wenig geändert. Im Zuge der Globalisierung - und nicht zuletzt dank dem Wegfall des Eisernen Vorhangs - hat das Kapital in den vergangenen Jahren neue Freiheiten gewonnen. Der Finanzbereich ist der am stärksten globalisierte Teil der Weltwirtschaft. Jeden Tag werden unvorstellbare Summen kreuz und quer durch die Welt transferiert. Dieses Geld wird aber schon lange nicht mehr dafür eingesetzt, um damit Waren oder Dienstleistungen zu bezahlen. Zur Hauptsache geht es bei diesen Transaktionen um Gewinne aus reinen Finanzgeschäften: Gewinne aus Währungsdifferenzen, spekulative Käufe und Verkäufe, Kreditgeschäfte etc.

IWF und Weltbank im Zentrum

Die grössten öffentlichen Einrichtungen des internationalen Finanzsektors sind die so genannten Bretton Woods-Institutionen: der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Ihre ursprüngliche Aufgabe war zunächst die Finanzierung des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und später die "Starthilfe" für die zahlreichen ehemaligen Kolonien, die in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Christine Eberlein (S. 12) und Richard Gerster (S. 14) zeigen auf, welche Bedeutung IWF und Weltbank in einer globalen Entwicklungszusammenarbeit zukäme - und weshalb die beiden Institutionen noch weit davon entfernt sind.

Aber auch die kleineren Geldflüsse der unilateralen Entwicklungshilfe werden nach wie vor primär von den Bedürfnissen der Geberländer bestimmt. Was aber kein Argument für deren Abschaffung sein darf, wie Bruno Gurtner (S. 18) fordert.

Auch die Schweiz profitiert

Der grösste Teil der geschätzten 300 bis 500 Billionen US-Dollar, die weltweit pro Jahr auf den Finanzmärkten umgesetzt werden, entfällt jedoch auf Vermögen Privater und auf die Privatwirtschaft. Ihnen bietet die seit den 1980er Jahren bestehende Liberalisierung und Deregulierung der internationalen Geldflüsse immer neue Anlagemöglichkeiten. Welche Auswirkungen die "neuen" Freiheiten des Kapitals auf einzelne Länder haben kann, schildert Kai Mosebach (S. 17). Er verweist auf die zentrale Rolle, welche der rasche Zu- und Abfluss von grossen Geldmengen für die Wirtschaftskrisen der letzten zehn Jahre spielte.

Die speziellen Interessen, die ein Land wie die Schweiz an den weltweiten Geldflüsse hat, beleuchtet Rudolf Strahm (S. 21): Unser Finanzplatz "beherbergt" heute etwa 4,5 Billionen Franken an Privatvermögen aus der ganzen Welt; und die offizielle Politik der Schweiz (z.b. in den WTO-Verhandlungen) bemüht sich, "unseren" Anteil am weltweiten Finanzkuchen weiter zu erhöhen.

Auch wir als Einzelpersonen sind in den weltweiten Geldfluss eingebunden. "Wir alle", so die Ökonomin Mascha Madörin (S. 23) "finanzieren Politik mit - und damit auch Kriege - als SteuerzahlerInnen, als KonsumentInnen, als InhaberInnen von Bank- und Postfinancekonten, als Angehörige von Pensionskassen und als EinwohnerInnen einer Provinz des Weltmarktes."

Detlev Bruggmann


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