FriZ - Kolumne aus Nr. 1/2003

Von Hunden und Kriegen

Eigentlich will ich nur eine Auskunft. Vor einigen Wochen fuhr ich mit dem Zug von Zürich nach Pavia und wollte dort in den Bus steigen. Dies aber verweigerte mir der Chauffeur wegen meinen beiden Hündinnen. Er dürfe keine Tiere mitnehmen, ausgeschlossen. Oder allenfalls, wenn sie einen Maulkorb trügen. Und in einem gut verschlossenen Käfig eingesperrt seien. Und auch dann nur in einem abgetrennten Busabteil, ein Abteil, dass gerade sein Bus nicht habe. Ich nickte verständnisvoll zu all seinen Ausführungen, er habe ja wohl recht, sagte ich, nur, was ich jetzt hier in Pavia - ich muss abfahren, unterbrach er mich mit einem Blick auf die Uhr, machen Sie schon. Ich stieg ein mit meinen Hündinnen, und als der Chauffeur später durch den Bus ging, um einzukassieren, verlangte er für die beiden nichts.

Trotzdem will ich es nun genau wissen, da ich diese Strecke öfters fahre. Ich will wissen, ob es eine Regel, ein Gesetz gibt bezüglich Hunden und Bussen. Die betreffende Busfirma hat ihren Sitz in "meinem" Dorf, besitzt ungefähr fünf Busse und gehört zu dem Teil des italienischen öffentlichen Verkehrs, der schon lange privatisiert ist.

Hunde? fragt der Mann am anderen Ende. Hunde? Kann sein, warum nicht. Mit Maulkorb. Und bezahlen müssen Sie natürlich. Was? Zwei Hunde? Die Menschen haben einfach zuviel Geld. Heute sind wir soweit, dass wir lieber die Kinder verhungern lassen als die Hunde, eine Schande ist das. Und noch besser wäre ein richtiger Käfig, so etwas stabiles, wegen der Gefahr. Ich liebe Hund ja nicht, aber andere lieben sie offenbar, Gott weiss warum, vermutlich weil sie zu viel Geld haben und keine Bescheidenheit mehr.

Ich unterbreche ihn und versuche, das Gespräch zusammenzufassen: Also Hunde ja, aber mit Billet und Maulkorb. Richtig?

Wenn Sie meinen, aber ich sage Ihnen, es fehlt überall an Bescheidenheit. Wir brauchen einen Krieg, jawohl. Ein polnischer Staatsmann, ich weiss grad nicht mehr welcher, der hat das gesagt: Jede Generation braucht ihren Krieg. Und wissen Sie was, er hat recht. Wir brauchen einen Krieg, damit die Menschen sparen lernen. Und mehr Bescheidenheit. Hunde? Bah...

Ich bin nicht Ihrer Meinung, sage ich und hänge auf, bevors noch schlimmer kommt.

Überall begegne ich dem Krieg, das Radio ruft Krieg, die Zeitungen schreien Krieg. Wir scheinen einen Krieg zu brauchen. Krieg um den Frieden zu sichern. Krieg um Ideen zu verteidigen. Krieg um Menschen zu retten. Krieg um Schlimmeres zu verhüten. Ich weiss nicht, wie ich mit Krieg und der Forderung danach umgehen soll. Ich will keinen Krieg.

Keine der zehn Frauen, die Angelika Reutter und Anne Rüffer in ihrem Buch "Frauen mit Idealen"[P1]1.porträtieren, wollte Krieg. Sie setzten sich ein für Frieden und Gerechtigkeit, und jede von ihnen bekam den Friedensnobelpreis. Ist Frieden eine Angelegenheit der Frauen? Trotz ihres Einsatzes ist stets und überall Krieg.

Der neue Krieg wird mir schmackhaft gemacht als Rettung vor einem drohenden Krieg, was alle anderen Kriegsgelüste kaschiert: Die Lust nach Beherrschung, die Lust auf Bereicherung. Ich will keinen weiteren Krieg, auf welche Art getarnt er auch immer daher kommt.

Das hat der Herr der Busfirma noch nicht begriffen: Dass in meiner und seiner Generation alle Menschen genug Kriege erlebt haben: hautnah die einen, über TV die anderen. Kriege waren seit ich mich erinnern kann.

Wie sie verhindern? Emily Green Balch, die Friedensnobelpreisträgerin von 1946, fordert uns auf, bei uns selbst zu beginnen: "Die härteste Arbeit liegt noch vor uns. Nicht die Überwindung von Zeit und Raum, sondern von uns selbst: Von unserer Dummheit und Trägheit, von unserer Furcht und unserem intoleranten Dogmatismus."2

Ich bin mit ihr völlig einverstanden. Und wenn wir das alles überwunden haben, hätte ich gerne eine Antwort auf meine Frage: Hunde in italienischen Bussen - ja oder nein?

Esther Spinner
1 Angelika U. Reutter, Anne Rüffer: Frauen mit Idealen. Zehn Leben für den Frieden. R&R Sachbuchverlag, Zürich 2001

2 ebd. Seite 103

[P1]


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