Männliche Sozialisation

"Eine radikale sozioökonomische und politische Veränderung ist eine Grundbedingung für die Beendigung der Männergewalt," sagt Michael Kaufmann, Vordenker und Aktivist der kanadischen Männerbewegung und -forschung1. Positiv könnte sich eine solche radikale Veränderung in der Kinderbetreuung in unserer Gesellschaft auswirken. Womit wir beim FriZ-Thema wären: Abwesende Väter und fehlende männliche Betreuungspersonen im Alltag nennen mehrere Autoren als Hauptursache, weshalb Knaben schon früh versuchen, wie "richtige" Männern zu werden. Aus Angst, sonst kein Mann zu sein, schlagen Knaben früher und öfter zu, interessieren sich bald schon für Waffen und Uniformen. Da Kinderbetreuung noch immer vor allem von Frauen geleistet wird, identifizieren Knaben unbewusst zahlreiche positive Eigenschaften, die in der Erziehung eine wichtige Rolle spielen (Zärtlichkeit, Liebe, Gefühle etc.), als "weiblich". Männlich, folgern sie, ist das, was draussen stattfindet: der tägliche Kampf am Arbeitsplatz, die Rücksichtslosigkeit im Strassenverkehr, der Zynismus in der Politik - kurz, überall dort, wo Männer den Ton angeben.

Doch, wie gesagt, ohne gewaltige ökonomische Veränderungen wird sich im Bereich der Kinderbetreuung nicht so schnell etwas ändern. Solange der ökonomische Stellenwert der privaten und öffentlichen Kinderbetreuung marginal bleibt, werden sich die meisten Männer davor drücken... ja, drücken müssen, wollen sie nicht als Sonderling (oder schlimmer) gelten.

Detlev Bruggmann

 

1 "Die Konstruktion von Männlichkeit und die Triade männlicher Gewalt", in: Kritische Männerforschung (3. Auflage), 2001, Argument Verlag


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