K wie Kolumne

Von Esther Spinner*

Zunächst schien es mir einfach. Ich freute mich über die Anfrage, für die FriZ sechs Kolumnen zu schreiben. Ich freute mich über das Interesse an meinen Texten und darüber, die Gelegenheit zu haben, meine Meinung zu sagen, frank und frei, leicht und luftig. So stellte ich mir das Schreiben einer Kolumne vor.

Seither ist es nicht mehr so einfach. Ich sei ganz und gar frei in meiner Wahl des Themas, sagte man mir. Doch ist nicht der Name FriZ irgendwie verpflichtend? Bindet mich nicht das Hauptthema? Und wenn ich mich löse – welches Thema wähle ich dann?

Nachdem ich diese Fragen während einigen Tagen auf meinen Hundespaziergängen durchgekaut hatte, wusste ich nicht mehr als zuvor. Im Gegenteil. Eine neue Frage tauchte auf: Was eigentlich ist eine Kolumne? Doch diese Frage ist ein Ansatzpunkt, Wörter zu untersuchen, der Umgang mit Buchstaben, mit Wörtern und Sätzen ist mein Beruf, sozusagen mein "Kerngeschäft".

Eine Kolumne sei eine Säule, sagt das Wörterbuch und fügt an: Satzspalte. Und ein Kolumnist, heisst es weiter, sei ein Leitartikler. Dass Wörterbücher nicht dem nichtsexistischen Sprachgebrauch verpflichtet sind, wissen wir spätestens seit Luise Pusch. Noch immer wird in vielen Wörterbüchern die Meisterin als "Frau des Meisters" definiert. Sie ist dem meister eine Stütze, so wie meine Kolumne der FriZ eine Stütze sein sollen, die mithilft, den drohenden Zusammenbruch zu verhindern.

Soweit das Wörterbuch. Doch meine Untersuchungen gehen weiter: Kennen Sie das Kinderspiel, das darin besteht, Wörter in Wörtern zu suchen? Im Kinderspiel zum Beispiel stecken nicht nur Kinder und Spiel, sondern auch Spindel und Rind. In der Kolumne finde ich das Lumen, die Luke und der Kulm. Lumen heisst Licht, sagt der Fremdwörterduden, und bedeute auch "kluger Mensch, Könner, hervorragender Kopf". Heisst das, dass eine Kolumne eine Luke aufstossen soll, die Licht hereinlässt und einen Ausblick eröffnet auf den Kulm?

Nachgerade erschlagen mich meine eigenen und die fremden Ansprüche. Nicht nur eine Stütze, auch erhellend soll eine Kolumne sein. Erst jetzt entdecke ich, dass hinter dem "hervorragenden Kopf" steht "veraltet". Welch ein Glück. Kluge Menschen sind nicht mehr gefragt. Eine Kolumne muss also weder klug noch gekonnt sein. Es reicht, wenn sie kompetent, kreativ, kritisch und konkret ist. Und das führt mich zum Buchstaben-Orakel.

Das Orakel als Götterspruch, als Weissagung, Rat gibt Hinweise auf die Zukunft. Und wen interessiert nicht, was auf uns zukommt. Wer möchte nicht gerne auf den Bush klopfen und hoffen, nur Hasen sprängen heraus.

Populär sind heute Bücher als Ratgeber. Ob es ums Essen, ums Geld, ums Einrichten der Wohnung oder ums Lieben geht: Ratgeber haben Hochkonjunktur. Das Glück liegt nahe, verkünden sie, es brauche wenig, um glücklich zu werden. Man sollte nicht zu sehr lieben, aber auch nicht zu wenig, sich als starke Frau nach dem starken Mann sehnen (seltener nach der starken Frau), seine Wohnung entrümpeln, sich der eigenen Blutgruppe gemäss verköstigen und wissen, dass Männer vom Mars sind und Frauen von der Venus. Aus Büchern kann gelernt werden, wie wir mit Engeln in Kontakt kommen und mit Gnomen, und Karten zeigen uns die Zukunft.

Billiger als Bücher sind Buchstaben und Buchstaben-Orakel. Ein Sack voller Scrabble-Buchstaben genügt. Früher wurden Stäbchen aus Buchenholz, Buchen-Stäbchen, in die Luft geworfen. Daraus, wie sie fielen, konnte die Zukunft gedeutet werden. Diese Buchen-Stäbchen waren Zeichen, wurden zu Schriftzeichen, zu Buchstaben.

Ich greife nun in den Scrabble-Sack und ziehe zum Beispiel das A. In freier Assoziation entsteht eine Wortkette: A wie Anfang und Abendrot, A wie Alpenblick und Augenblick, A wie Aggression, Arbeitslosigkeit, Alter. Welche Interpretation lässt dies zu? Wohl nur die, dass ich jetzt endlich mit dieser Kolumne anfangen soll, nicht länger warten auf Abendrot oder Alpenblick, sondern den Augenblick nutzen soll. Ein bisschen Aggression brauche es dazu. Und hüten soll ich mich vor Arbeitslosigkeit im Alter. So klar spricht das Buchstaben-Orakel. Das F wie FriZ zum Beispiel ruft nach Frieden und Freude – aber Achtung: Die FriZ soll sich vor Falschheit und Fernsehern in acht nehmen. Und die Kolumne eben soll kompetent, klar, kritisch und konkret sein.

Ob sie das nun geworden ist? Auch ich habe mich an Ratgeber gehalten, an Bücher übers Schreiben, und darüber geschrieben, was mich interessiert. Nur dann, so heisst es dort, werde ein text spannend. Ich liebe Sprachspiele. Und die Zukunft interessiert und ängstigt mich. Zum K wie Krieg sagt Buchstaben-Orakel: Kommandant, Kadett, Kaserne, Kommerz, Kapital – und Katastrophe. Wie sich dagegen wehren? Mit Wut, Würde und Witz…

Mit dem K komme ich nun doch auf das Thema dieser FriZ zu sprechen. Ein Teil der männlichen Sozialisation geschieht da, wo das Kriegshandwerk gelernt wird, im Militär: "… wo sich die Kaserne mit ihren Küchen und Latrinen, den kampferduftenden Lattenverschlägen im Dachstock, als nichts anderes als ein von uniformierten Männern betriebener Haushalt entpuppte."1 Schade nur, dass die meisten Männer dieses Haushaltwissen im Alltag vergessen.

*Esther Spinner über Esther Spinner: "Seit ich zu schreiben begonnen habe, lebe ich im Spagat zwischen Brotberuf und Schreibtisch. Seit 1997, seit ich Schreibkurse gebe, hat sich der Schritt verkleinert. Meine beiden Berufe haben mehr miteinander zu tun als früher. In meinen Schreibkursen lehre berufliches und kreatives Schreiben und lerne selbst von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ich lebe in Zürich mit meiner Lebensgefährtin und meinen beiden Hündinnen – und oft auch in Italien, wo mir scheint, die Zeit verrinne langsamer."

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