Raum für Neues im Friedensdorf
Der Geist des Aufbruchs, aus dem das Friedensdorf 1981 im Flüeli-Ranft entstanden ist, ist ihm nach dem Umzug 1997 ins Greyerzerland abhanden gekommen. Der für Januar 2003 angekündigte Rücktritt des Vereinsvorstandes will es "Leuten mit frischen Kräften" ermöglichen, dem Friedensdorf neue Impulse zu verleihen.
Von Stefan Bittner*
Friedensdorf - der Name lässt Idyllisches vermuten, verführt zum Träumen: Im Friedensdorf, so könnte man sich vorstellen, versammeln sich die DorfbewohnerInnen morgens zum Friedenstanz, arbeiten tagsüber mit einem Lächeln auf den Lippen am inneren und äusseren Frieden, um sich abends zu politischen Gesprächen und der abschliessenden Meditation zusammenzusetzen. Das Friedensdorf als Laboratorium des friedlichen Zusammenlebens - in diesem Geist ist es entstanden, diesen Anspruch hat es in seiner ersten Phase konkret zu leben versucht, diese Vision ist vereinzelt noch immer lebendig. Zurzeit aber singt das Friedensdorf dasselbe Klagelied wie so viele andere friedensbewegte Gruppierungen: Es mangelt an aktiven Leuten und am Geld, damit sich am neuen Ort wieder eine Dynamik mit gesellschaftlicher Ausstrahlung entfalten könnte.
Biotop der Hoffnung
Der Öffentlichkeit ist das Friedensdorf noch aus dem Flüeli-Ranft bekannt. 1981 als Projekt der kirchlichen Jugendverbände Blauring und Jungwacht gegründet, entwickelte sich in der Heimat des Friedensstifters Bruder Klaus eine Gemeinschaft, die für viele DeutschschweizerInnen zu einer Alternative zum traditionellen Kirchenleben geworden ist. Die Dorothea-Schwestern stellten einen Teil ihrer Gebäude den Familien der MitarbeiterInnen zur Verfügung und führten daneben einen Hotelbetrieb, der es "BürgerInnen" und Gästen erlaubte, bei einem Besuch im Friedensdorf neue Impulse für die eigene Arbeit am Frieden zu erhalten. Mit Projektarbeiten, Kampagnen und vielfältigen Angeboten für alle Altersgruppen gelang es immer wieder neu, Frieden in all seinen Facetten zu entdecken und konkret zu leben. In die Schlagzeilen geriet das Friedensdorf insbesondere mit der Beherbergung hungerstreikender kurdischer Flüchtlinge im Januar 1991.
Einschneidender Exodus in die Romandie
Der Entscheid der Schwestern, die Gebäude ab 1995 wieder selber zu nutzen, versetzte die Vereinsmitglieder in Wut und Trauer; ein Grossteil sah das "Biotop der Hoffnung" auf ewig austrocknen. Jene, die sich zur Weiterführung entschieden hatten, erwarben zwei Jahre später die Liegenschaft der Salettiner im freiburgischen Broc, bestehend aus einem grossen Gästehaus, diversen Schulungsräumen, einer Mehrzweckhalle und einer vielseitig nutzbaren Kapelle. Das Friedensdorf war auferstanden - aber ein anderes: Das familiäre Dorfleben war verschwunden, das Budget für die inhaltliche Arbeit auf weniger als ein Drittel geschrumpft, die Anreise für die überwiegend aus der Deutschschweiz stammenden "BürgerInnen" um einiges länger. Auch die Mystik des Ranftes, die während 14 Jahren die spirituelle Klammer des Friedensdorfes gebildet hatte, liess sich nicht mitnehmen.
Gewaltprävention als Werbeplattform
Nach den nötigsten Renovationsarbeiten wurde mit reduzierten Kräften das traditionelle Workshop-Angebot zu den Themenkreisen Frieden, Konfliktmanagement und Versöhnung und die beliebten "Familienferien mit Tiefgang" wieder aufgenommen. Der Zulauf von Friedenssuchenden blieb allerdings vergleichsweise bescheiden. Denn obschon das Publikationsorgan und die Broschüre zum Welttag des Friedens seither zweisprachig erscheinen, wollte der erhoffte Brückenschlag zur Romandie nicht recht gelingen; die lokale Bevölkerung scheint es nicht eilig zu haben, das Misstrauen gegenüber der "Sekte aus der Deutschschweiz" abzubauen. Zunehmenden Erfolg verbuchen kann hingegen das 2001 angelaufene Projekt "Jugendliche und Gewaltfreiheit", das sich allmählich als neues Aushängeschild des Friedensdorfes etabliert. Das Angebot, unter der Leitung eines jungen Animationsteams einen Tag lang mit kreativen Konfliktlösunsstrategien zu experimentieren, wird von Schulklassen aus der ganzen Schweiz genutzt.
Neuer Vorstand, neuer Aufbruch?
Alles in allem hat es das Friedensdorf seit dem unfreiwilligen Neubeginn 1997 nicht mehr geschafft, sich in der Friedensszene unentbehrlich zu machen. Für eine Neuprofilierung, die sich am gesellschaftlichen Wandel orientiert, für eine professionelle Vermarktung seiner Dienstleistungen oder für eine wegweisende Vernetzung mit ähnlich ausgerichteten Organisationen fehlte es bislang an personellen und finanziellen Ressourcen. Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand des Vereins kürzlich seinen Rücktritt auf Januar 2003 angekündigt. Er möchte damit "Leuten mit frischen Kräften die Chance geben, im Friedensdorf neue Schwerpunkte zu setzen" - und damit zu einem neuen Aufbruch herausfordern. An den Gebäuden in Broc, die eine hervorragende Infrastruktur für die praktische Friedensarbeit bieten, soll's nicht scheitern. Sie warten darauf, von weiteren zukunftsträchtigen Ideen belebt zu werden.
*Stefan Bittner hat den Sommer 2002 als Zivildienstleistender im Friedensdorf verbracht.
"Möglichkeiten gibt es genug, jetzt brauchen wir Leute."
Ein Gespräch mit Sibylle Ackermann (27), die sich in der Arbeitsgruppe Aktivitäten und als Animatorin des Projektes "Jugendliche und Gewaltfreiheit" fürs Friedensdorf engagiert.
Was bedeutet der Rücktritt des Vorstandes fürs Friedensdorf?
Mit dem Vorstand verlieren wir drei Leute, die am neuen Ort für die nötige Stabilität gesorgt haben. Vielleicht war diese Sicherheit auch trügerisch, da man es kaum geschafft hat, neue Aktive für die Idee Friedensdorf zu gewinnen. Der Rücktritt hat eine Signalwirkung, indem er allen Interessierten in Erinnerung ruft, dass es für die Zukunft des Friedensdorfes wieder viel mehr Leute braucht, die bereit sind, Verantwortung mitzutragen.
Woher könnte der frische Wind kommen?
Der neue Vorstand müsste häufiger vor Ort sein können, um gezielt auf die aktuellen Bedürfnisse eingehen zu können, dann aber auch, um das Friedensdorf stärker in der Region zu verankern. Zusätzlich müssen über persönliche Kontakte und über den vertieften Kontakt zu ähnlichen Organisationen oder Kirchgemeinden neue Kräfte gefunden werden. Ihnen gilt es aufzuzeigen, welche vielfältigen Möglichkeiten sich an diesem Ort bieten.
Welche Möglichkeiten siehst du hier?
Ein wichtiges Standbein neben dem Kursangebot werden die Impulstage zur Gewaltprävention bleiben. Sie müssten noch intensiver bekannt gemacht werden und weitere Zielgruppen ansprechen, so zum Beispiel all die Schullager und Feriengruppen, die in unserem Gästehaus logieren. Zudem könnten die Räumlichkeiten gezielt verwandten Gruppierungen angeboten werden, um neue Kontakte zu schaffen und Synergien zu nutzen. Ideal wäre natürlich eine in Broc lebende Person oder eine Gemeinschaft, welche unseren inhaltlichen Anliegen mit Enthusiasmus verkörpert.
(stb)
Kontaktadresse: Friedensdorf, Bouleyres, 1636 Broc, Tel. 026 921 96 42 , E-Mail: friedensdorf@mcnet.ch , www.friedensdorf.ch
Bildlegenden
Friedensdorfgelände:
Das Friedensdorf bietet eine hervorragende Infrastruktur für die praktische Friedensarbeit.
Sibylle Ackermann: "Das Friedensdorf lebt von Leuten, die Verantwortung mittragen wollen."
