Aufgelöst - aber nicht abgeschlossen...

Von Barbara Haering*
Ende August dieses Jahres ging eine Phase der friedenspolitischen Bewegung der Schweiz zu Ende. Aufgelöst wurde nicht nur das Abstimmungskomitee für ein friedenspolitisches Ja zu Einsätzen der Schweizer Armee in friedensfördernden Missionen von UNO und OSZE, sondern gleichzeitig auch die friedenspolitischen Initiativen als Zusammenschluss von ARW und SP Schweiz sowie eben jene Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot. Die rund 6000 Franken, welche nach der Liquidation der Vereine auf dem Konto der ARW verbleiben, werden an das International Peace Bureau in Genf überwiesen. Soweit die knappe Mitteilung - doch dahinter steht viel mehr. Dahinter steht die langjährige Geschichte einer äussert kontinuierlichen Arbeit vieler FriedensaktivistInnen. Sie begann mit der ersten Volksinitiative für ein Waffenausfuhrverbot Anfang der 70er Jahre und fand in den 90er Jahren nach dem zweiten Golfkrieg mit der erneuerten Volksinitiative für ein Waffenausfuhrverbot sowie der zweimal lancierten Umverteilungsinitiative ihre Höhepunkte.

Visionen schrittweise verwirklichen

In all diesen politischen Projekten setzten sich die AktivistInnen der friedenspolitischen Initiativen dem eigenen Anspruch aus, für grundsätzliche Visionen der Friedenspolitik realistische Schritte zu formulieren und zu fordern. Dies war nicht immer einfach - und wurde auch nicht immer von allen Friedensbewegten goutiert. Doch die Diskussionen, welche daraus entstanden, waren die richtigen und die zukunftsweisenden. Darüber hinaus gelang es der Umverteilungsinitiative mit dieser Strategie, innerhalb der SP Schweiz einen weitgehenden friedenspolitischen Konsens zu erarbeiten:

• Abrüstung ist dringend, weil wir die beschränkten Mittel der öffentlichen Hand und unserer Volkswirtschaft für die realen Probleme der Schweiz und der Welt einsetzen müssen. Eine Umverteilung der Mittel ist notwendig.

• Abrüstung ist möglich, weil die Risiken und Bedrohungen der Zukunft kein Thema der militärischen Landesverteidigung mehr sein werden. Die Friedensdividende muss zugunsten ziviler Prävention umverteilt werden.

• Abrüstung ist als schrittweiser Prozess sicherheitspolitisch und sozialpolitisch machbar.

• Die Schweiz setzt sich für die Sicherheit der Menschen über die eigenen Landesgrenzen hinaus ein und beteiligt sich am Aufbau eines Systems kollektiver Sicherheit unter dem Dach der UNO und der OSZE ein.

Diese friedens- und sicherheitspolitischen Zielsetzungen gelten heute nicht nur innerhalb der SP als zukunftsweisend. In breiten Kreisen der Medien und der Bevölkerung hat die rückwärtsgewandte Debatte um die Armee XXI Kopfschütteln ausgelöst. Armee XXI ist nicht das Ergebnis risikobasierter Strategien, sondern lediglich die Resultante einer Auseinandersetzung um die innerbürgerliche Hegemonie. Sie wird somit auch nicht von langer Lebensdauer sein.

Die friedenspolitischen Initiativen und die ARW gibt es nun als Organisationen nicht mehr. An der Umsetzung unserer friedenspolitischen Zielsetzungen werden wir jedoch weiterarbeiten. Dabei werden neue Fragen zu diskutieren sein:

• Die Genderfrage gewinnt im Rahmen von Prävention, Konfliktbearbeitung und Wiederversöhnung zunehmend an Bedeutung. Wie wird die Schweiz diesem neuen Anspruch gerecht?

• Die Militärbudgets der Schweiz schrumpfen - gleichzeitig erkennen wir aber die politische Strategie, parallel dazu den Polizeistaat aufzurüsten. Wie können wir dies verhindern?

• Die USA scheinen es sich zum Ziel gesetzt zu haben, die Legitimation des Völkerrechts zu zerstören. Welche Koalitionen kann die Schweiz zur Stärkung des Völkerrechts finden?

• Die Schweiz ist neu Mitglied der UNO. Welche Politik wird sie im Rahmen der Staatengemeinschaft umsetzen und fördern?

Ich freue mich, gemeinsam mit alten und neuen Freundinnen und Freunden an diesen Themen weiterzuarbeiten: Im Rahmen der OSZE, der Stiftung Swisspeace, der SP, des Friedensrats - und wo immer sich neue Kristallisationskerne der weltweiten Friedensbewegung bilden.

*Barbara Haering ist SP-Nationalrätin und war langjährige Präsidentin der Friedenspolitischen Initiativen.


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