Appel de Genève - Minenverbot auch für Rebellengruppen

Die Genfer Nicht-Regierungsorganisation Appel de Genève verhandelt mit bewaffneten nichtstaatlichen Akteuren über ein Verbot von Landminen. Jüngster Erfolg ist die Unterzeichnung eines Minenverbotes durch die südsudanesische Sudan People's Liberation Movement/Army (SPLM/A).

Von Tobias Gasser*
Wenn eine minenfreie Welt das Ziel sei, dann reiche die Personenminen-Verbotskonvention nicht aus, meint Elisabeth Reusse-Decrey. Die Genfer Anti-Minenaktivistin weist auf einen wunden Punkt der Personenminen-Verbotskonvention hin: Nur Staaten können das Übereinkommen unterschreiben und ratifizieren. "Heutige Konflikte sind meist innerstaatliche Konflikte und Bürgerkriege, in welchen sich bewaffnete nichtstaatliche Akteure wie Guerilla und RebellInnen RegierungssoldatInnen gegenüberstehen." Mit der Minenverbotskonvention werden Regierungen in die Pflicht genommen, aber was geschieht mit den Rebellengruppen? "Diese Frage hat man mir immer wieder gestellt", sagt Elisabeth Reusse-Decrey. Im Dezember 1997, als in Ottawa das Übereinkommen zur Unterschrift aufgelegt wurde, sind immer wieder Vertreterinnen und Vertreter von Anti-Minenkampagnen aus Bürgerkriegsregionen auf sie zugekommen und haben ihre Enttäuschung gezeigt. "Sie befürchteten, dass die Ottawa-Konvention keine Wirkung haben könnte in ihren Herkunftsländern, die von internen bewaffneten Auseinandersetzungen betroffenen sind."

Dialog mit nichtstaatlichen Akteuren

Die Schweizerische Kampagne gegen Personenminen und weitere sechs Anti-Minenkampagnen führten im März 2000 in Genf eine Konferenz durch. Diese gab den Startschuss für die unabhängige Nicht-Regierungsorganisation "Appel de Genève", welche heute von Elisabeth Reusse-Decrey präsidiert wird. An dieser Konferenz fanden sich zum ersten Mal VertreterInnen der Zivilgesellschaft, von Regierungen und RebellInnen zusammen, um die Minenproblematik zu diskutieren. "Appel de Genève gab sich den Auftrag, mit nichtstaatlichen Akteuren in einen Dialog zu treten, mit dem Ziel eines totalen Personenminenverbotes", sagt Elisabeth Reusse-Decrey. "Zentral ist eine Verpflichtungserklärung, die jede Gruppierung unterschreiben muss." Wie die Ottawa-Konvention regle die "Appel de Genève"-Verpflichtungserklärung nicht nur das Minenverbot, sondern auch den Zugang zu Minenfeldern, die Minenopferhilfe und die Zerstörung der Minenbestände.

Erfolg im Südsudan

Eine der bewaffneten Gruppierungen, welche im Oktober 2001 die Verpflichtungserklärung einging, ist die südsudanesische Sudan People's Liberation Movement/Army (SPLM/A). "Befreier, Freiheitskämpfer und ähnliche Leute sind grosse, edle Personen," sagt Nhial Deng Nhial, Vorsitzender der Kommission für auswärtige Angelegenheiten der SPLA/M, "aber sie sind keine Engel. Sie sind fehlbare Personen", meint er und bereut den bisherigen Mineneinsatz der SPLA/M: "Wir haben Fehler gemacht."

Erste Reaktion auf die SPLA/M-Unterschrift kam dann auch direkt aus Khartoum, von der gegnerischen sudanesischen Regierung im Norden. Auch sie wäre nun bereit, bald die Ottawa-Konvention zu unterzeichnen und auf den Mineneinsatz zu verzichten, war die Reaktion.

Denn: Nicht nur die SPLM/A hat Minen verlegt, auch die Regierungstruppen haben die heimtückische Waffe eingesetzt. Das UN-Departement for Humanitarian Affairs hat 1997 eine Minen-Überblickstudie gemacht: Rund ein Drittel der Gesamtfläche des Sudans soll von Minen und Blindgängern betroffen sein. Zwischen 500 000 und zwei Millionen Landminen bedrohen die Bevölkerung allein im Süden Sudans. Dazu kommen noch Minen aus dem Zweiten Weltkrieg, die deutsche und britische Soldaten verlegt haben. Der Krieg hinterlässt gesamthaft zwei Millionen Tote, 4,5 Millionen Vertriebene und Verletzte - inklusive Minen- und Blindgängeropfer -, die in die Hunderttausenden gehen.

Darum sei es dringend nötig, dass nach der Unterschrift unter die Verpflichtungserklärung sofort die Minenräumung, Minenopferhilfe, Zerstörung der Lager und die Ausbildung der KommandantInnen über die Verpflichtungserklärung von Appel de Genève beginnen könnten, erinnert Elisabeth Reusse-Decrey.

Öffentlichkeit als Druckmittel

Was passiert aber, wenn eine Gruppierung sich nicht an die vereinbarten Regeln hält? "Unser Druckmittel ist die Öffentlichkeit." Es ist klar, dass eine Verletzung der Verpflichtungserklärung öffentlich bekannt gemacht wird, wie ja auch die "positive" Unterschrift der Verpflichtungserklärung gegen aussen kommuniziert worden ist. Das regelmässige Monitoring sowie Verifikationsmissionen vor Ort mit lokalen und internationalen ExpertInnen garantiere eine genügende Informationsbasis und Kontrolle.

"Mit dem Appel de Genève haben wir einen neuen Mechanismus kreiert, der uns helfen soll, weitere Forderungen der Menschenrechte und des Humanitären Rechtes unter nichtstaatlichen Akteuren durchzusetzen," lauten Elisabeth Reusse-Decreys Zukunftspläne. Appel de Genève arbeite zur Zeit daran, Themen wie Kindersoldaten, Folter und Kidnapping in die Verhandlungen mit Rebellengruppen einzubringen. "Unser Ziel ist nicht nur ein Minenverbot: Sondern Menschenrechte und Frieden für alle."

Weitere Informationen: Geneva Call, 2, rue Patru, P.O. Box 334, 1211 Geneva 4 . Tel./Fax: +41 22 800 20 68, E-Mail:info@genevacall.org . www.genevacall.org

Oder: Schweizerische Kampagne gegen Personenminen , Büro Deutschschweiz, Neufeldstrasse 5 , 3012 Bern. Tel. 079 283 85 78, E-Mail: tobias@uxo.ch. www.stopmines.org

*Tobias Gasser ist Mitarbeiter der Schweizerischen Kampagne gegen Personenminen.

 


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