"Ich wollte schon als junger Mensch mein Leben der Gerechtigkeit widmen und diese Idee zu meinem Beruf machen", sagt Ron Halbright im Foyer des Technoparks Zürich, im Anschluss an die Tagung "Gewalt an Schulen". Den Wunsch hat er verwirklicht. Er lebt seit elf Jahren in der Schweiz, hat 1998 in Zürich sein Zweitstudium in Pädagogik und Ethnologie abgeschlossen und arbeitet hauptsächlich für NCBI, eine internationale Organisation, die vor allem in Schulen verschiedene Projekte zum Thema "Vorurteile abbauen" und "Konfliktlösung" durchführt (siehe unten).
Dabei geht er vom Grundsatz aus, dass gewaltfreie Konfliktlösung lernbar ist. In seinen Workshops hinterfragt er mit den Schüler- und LehrerInnen gängige Vorurteile und erarbeitet mit ihnen Strategien, wie sie sich beispielsweise gegen die Ausgrenzung von MitschülerInnen wehren können. "Die Workshops werden jeweils von einer Frau und einem Mann geleitet, um geschlechtsspezifische Fragen aufzugreifen. Ziel ist es, dass die Schüler- und LehrerInnen die eigene Rolle in der Gewaltdynamik der Klasse klarer sehen und motiviert werden, ihr Verhalten zu ändern", sagt Ron Halbright.
"Gewalt ist oft ein Zeichen von Hilflosigkeit, Überforderung, Langeweile oder Verzweiflung. Gewaltprävention verstehe ich primär als eine Haltung. Es geht darum, Methoden der Konfliktlösung anzuwenden, gewaltstiftende Muster der Klasse zu unterbrechen und friedensstiftende Kräfte zu unterstützen. Eine Schule kann der Gewalt durchaus vorbeugen, indem sie gewaltlose Konfliktlösung in den Lehrplan und im Alltag aufnimmt und SchülerInnen als "Peacemaker" ausbildet."
Ron ist in New York aufgewachsen zu einer Zeit, da Rassismus und Diskriminierung sehr aktuelle Themen waren. Später hat er in Baltimore Gemeinwesenarbeit in Quartieren mit Schwarzen und Weissen geleistet. Seine Eltern mussten als Juden Ende der dreissiger Jahre aus Berlin und Wien flüchten, seine Mutter nach England, sein Vater nach Belgien und anschliessend nach Frankreich. Während des Krieges ist er illegal in die Schweiz eingereist, bis er dann Zuflucht in den USA fand. Diese Erfahrungen zeigten Ron schon früh, dass Ungerechtigkeit lebensbedrohlich sein kann.
Selbst ein unsportlicher Bub hat er erlebt, dass er nicht dem Bild eines richtigen Jungen entsprach. Als Jugendlicher sah er sich mit Klischees über die Rolle von Frauen und Männern konfrontiert. Bestimmt sind diese Erfahrungen mit ein Grund dafür, dass Ron zu den Gründern des schweizerischen Netzwerks für schulische Bubenarbeit NWSB zählt. Diese Organisation ermutigt Schulen, Projektwochen und themenbezogene Tage durchzuführen mit dem Ziel, männliche Identitäten und Rollen zu hinterfragen und mit eigenen Erfahrungen zu vergleichen. "Wir sollten erkennen, dass die Erziehung nicht knabengerecht ist, wenn Schüler lieber kämpfen, statt kooperieren, wenn sie Mädchen betatschen oder einander als Schwudi bezeichnen. Um den Knaben zu helfen, lebenstüchtigere und lebensfreudigere Vorstellungen vom Mann-Sein zu entwickeln, braucht es bewusste, engagierte Lehrer, die ihre eigenen Handlungsweisen in Bezug auf Gender-Aspekte reflektieren und tradierte Geschlechterrollen hinterfragen." Dass sich schulische Bubenarbeit auch positiv auf die Mädchen auswirkt, liegt auf der Hand.
"An jeder Schule sollte es ein Projekt für Friedenserziehung und Gewaltprävention geben", bemerkt Ron, wenn er in die Zukunft schaut. Aber auch Gewalt von Erwachsenen muss angesprochen und verhindert werden. Institutionen wie Kirchen oder Sportvereine sollten etwas dagegen unternehmen und Möglichkeiten von Mediation und Streitschlichtung schaffen.
Im Zusammenhang mit Friedenserziehung ist es Ron ein Anliegen, dass in der Rekrutenschule über Männlichkeit reflektiert und Kampfbereitschaft hinterfragt wird. "Keine andere Institution hat auf die jungen Schweizer einen so intensiven Einfluss wie das Militär." Eine andere Form und Quelle von Gewalt sieht Ron in der Diskriminierung von AuslänerInnen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt und bei der Suche von Lehrstellen. Diese Ungerechtigkeit sollte nach seiner Meinung gesetzlich verboten sein.
Über seine Kindheitserfahrungen und die Politik in den USA hat Ron Halbright den Weg zu einer gerechteren Gesellschaft eingeschlagen, den er beharrlich weiterverfolgt. Sich selbst bezeichnet er noch als Fremder in der Schweiz. "NCBI ist unkonventionell, unabhängig aufgebaut und nicht in grosse Institutionen eingebunden." Persönlich zieht er es vor, in einer kleinen Struktur tätig zu sein. Er mag nicht zehn Jahre lang für ein Anliegen Lobbyarbeit in Bern betreiben. Statt seine Zeit mit den so genannt wichtigen Leuten zu verbringen, packt er die Probleme lieber an der Basis an. Ein echter "Grass Roots Typ", wie er selber meint.
(CZ)
NCBI (Schweiz), die schweizerische Sektion des National Coalition Building Institute, ist ein konfessionell und politisch neutraler Verein, der sich für den Abbau von Vorurteilen und Rassismus sowie für Gewaltprävention und konstruktive Konfliktlösung einsetzt. Er bietet Workshops und Beratungen für Behörden, Institutionen und Schulen an zu Themen wie "Vorurteile abbauen", "Gewalt überall und ich?", "Konfliktlösung kontroverse Themen". Das NCBI Schweiz lanciert auch verschiedene Kampagnen und Projekte, um die Situation diskriminierter Gruppen zur Sprache zu bringen und Vorurteile gegen stigmatisierte Gruppen abzubauen.
Jüngstes Projekt ist die Ausbildung von 23 WorkshopleiterInnen in Bosnien. Sie sind zwischen 15 und 25 Jahre alt, leben in getrennten Städten und sind beseelt von der Sehnsucht, Brücken zu schlagen zwischen verfeindeten Volksgruppen. Schon während der Ausbildung knüpften sie Kontakte für weitere Workshops. Sie sind auf Spenden aus dem Ausland angewiesen: Mit 70 Franken können sie in ihrem Land einen eintägigen Workshop organisieren.
Weitere Informationen sind abrufbar unter: www.ncbi.ch
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