Bern hat dich wieder

Novembertag 1994. Düstere Aussichten für den Schweizerischen Friedensrat (SFR): Rekorddefizit und Orientierungskrise. Denkbar schwierige Voraussetzungen für einen Einstieg bei der friedenszeitung. Doch die Wahl ist getroffen: Wir wollen dich, Manuela*, und wir brauchen dich.

An einem grauen Montagnachmittag sitzt du mir gegenüber. Im Auftrag der Redaktion versuche ich so gut es geht, die Situation zu schildern. Mit strahlenden Augen hörst du aufmerksam zu, mit nur ganz, ganz leiser Ungeduld – vielleicht ein Hauch von déjà vu. "Kannst du dir vorstellen, unter diesen Bedingungen für die friedenszeitung zu arbeiten?" Überzeugt und ziemlich überzeugend sagst du "Ja!"

Und mit viel Kraft und Überzeugung bist du der Redaktion über sechs Jahre treu geblieben.

Du wolltest dich in friedenspolitische Themen einarbeiten – und hast auf verschiedenen Gebieten gleich Spezialistinnenwissen mitgebracht. Du hast nicht nur das bestehende Netz von AktivistInnen rasch überblickt, sondern es um wertvolle Kontakte erweitert. Du hast viel von Aufgabenabgrenzung gesprochen – du warst ja vorgewarnt – und doch nicht nur beim Friedensrat zahllose Nebenaufgaben übernommen, sondern dich überdies bei den Friedenspolitischen Initiativen und vorher schon bei der Kampagne für die Initiative für ein Waffenausfuhrverbot engagiert. Vom SFR-Vorstand verlangtest du, seine Verantwortung wahrzunehmen, hast aber auch selbst unzählige Beiträge zur Diskussion über die Ausrichtung des SFR geleistet. Bei Marathonsitzungen am Gartenhof oder beim Bier danach warst du eine kompetente und hartnäckige Diskussionspartnerin.

Genau 24 Ausgaben der friedenszeitung hast du mitgeprägt. Vom ersten deiner zahlreichen grossen Nahostbeiträge mit dem Gespräch mit Sumaya Farhat-Naser im Juni 1995 über die vielen Sitzungen und Layoutwochenenden bis zur friZ Special, die uns von 25 GastautorInnen zum 50-Jahr-Jubiläum des SFR geschenkt wurde, sind sie verbunden mit unzähligen schönen Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit dir.

Doch reifte die Zeit für Veränderungen. Notgedrungen auch suchten wir nach neuen Wegen: die friedenszeitung war zwar die bekannteste "Marke" des SFR, aber nicht kostendeckend; der monatliche Erscheinungsrythmus erschwerte nicht nur fundierte Recherchen und eine längerfristige Planung, sondern brachte alle Beteiligten immer öfter an die Belastungsgrenze. Die Zeitung billiger und mit weniger Stress zu produzieren und sie dabei gleichzeitig noch attraktiver zu machen und effizienter dafür zu werben, schien der Quadratur des Kreises zu gleichen. Im November 1996 durfte für die Konzeptarbeit eine Ausgabe der friedenszeitung ausfallen und im Dezember sollte eine LeserInnenumfrage weitere Impulse vermitteln. Du hast dich als erste für eine neue Zeitung ausgesprochen und, wohlgemerkt neben der laufenden Zeitungsproduktion, am allermeisten Arbeit in die Entwicklung der FriZ gesteckt und uns an den Sitzungen der Konzeptgruppe dann auch noch über den Dächern von Zürich bei dir zu Hause bewirtet. 1997 erschien die erste Ausgabe des neuen friedenspolitischen Monatsmagazins FriZ. Wenn dabei ein Spagat nicht gelungen ist, dann der, die erfolgreiche Professionalisierung der Zeitungsproduktion mit einem Ausbau der freiwilligen Mitarbeit zu verbinden.

Jetzt fehlt genau eine – diese – Nummer, um das zweite Dutzend Ausgaben bei der FriZ ebenfalls voll zu machen. Mit deinem Abschied wird das Grüppchen derjenigen, welche noch die Layoutwochenenden der friedenszeitung kennen, dramatisch kleiner. Doch das neue Produkt, deine FriZ, wollen wir mit Elan weiter produzieren und mit Ausdauer weiterentwickeln.

(pida)
*Manuela Reimann hat die Redaktion Ende April 2001 verlassen. Die neue FriZ-Redaktorin heisst Christa Zopfi.

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