Nebengedanken

Krieg im Kino

Von Emil Zopfi

"Der Horror" ist das letzte Wort des sterbenden Oberst Kurtz, der sich im Vietnamkrieg von der US-Army abgesetzt und im Gebiet von Ureinwohnern ein blutiges Privatreich aufgebaut hat. Schliesslich erreicht ihn nach dreieinhalb Stunden dramatisch inszenierten Horrors die rächende Hand von Captain Willard, dem Terminator in geheimer Mission. Mit "Pearl Harbour" und "Apocalypse Now", einer erneuerten Version von Francis Ford Coppolas Klassiker, lässt das amerikanische Kino mit Kriegsfilmen die Kinokassen klingeln. Lässt er auch in uns Zuschauern im bequemen Polster die Abscheu, das Grauen vor dem Krieg wachsen? Kann ein Kriegsfilm überhaupt den Widerstand gegen den Krieg moblisieren, gerade wenn er sich "anti" nennt wie Coppolas Klassiker?

Gewiss: wenn ein vietnamesisches Dorf zusammengebombt wird, in dem sich eben Kinder in sauberen Schuluniformen im Pausenhof versammeln, dann wühlt das auf. Doch wir sitzen ja, virtuell, im Helikopter, der unter den Klängen von Wagners "Walkürenritt" in tadelloser Formation auf die Hütten niedersticht, bombt, schiesst und tötet. Kameraführung und Schnitt dramatisieren das brutale Schlachten zum ästhetischen Gesamtkunstwerk aus der Optik der Täter. Auch wenn die Kamera kurz auf ein verletztes Kind schwenkt, im Kinosessel verspüren wir weder Schmerz noch Todesangst und riechen keine verbrannten Leichen. Kein Medium kann das Leiden der Menschen vermitteln.

Joseph Conrads 1899 erschienener Roman "Heart of Darkness" bildet die literarische Vorlage zum Film. Conrad erzählt die Fahrt eines britischen Handelsreisenden auf dem Kongo ins Innere von Afrika, wo er auf das absurde Reich des Elfenbeinhändlers Kurtz stösst, der sich zum Herrscher und Gott über die Ureinwohner aufgeschwungen hat. Der Roman war eine stilistisch brillante Kritik am Kolonialismus der viktorianischen Zeit. Spätere Kritiker bezeichneten ihn jedoch auch als imperialistisches und rassistisches Werk, da er ausschliesslich die Perspektive der weissen Eroberer und Ausbeuter erzählt, während die Ureinwohner als dämonische und gesichtslose Masse von Wilden erscheinen.

Auch in Coppolas neo-kolonialistischer Vietnam-Version ist das nicht anders. Gesichter, Namen und Charakter haben nur amerikanische oder französische Soldaten und Siedler. Sie referieren zwar über Geschichte, Sinn und Unsinn des Kriegs. Die philosophisch gemeinten Sätze über den Menschen, der gleichermassen zum Krieger und zum Liebenden geboren sei, gehen jedoch unter im Feuerwerk der Kämpfe und in der Blutorgie archaischer Rituale und abgehackter Köpfe.

Je mehr sich der Film der literarische Vorlage annähert, desto unglaubwürdiger wirkt er. In der Szene, in der Willard auftragsgemäss Kurtz umbringt, während die Ureinwohner einen Ochsen zu Tode hacken, gleitet er tief in den rassistischen Sumpf. "Der Horror" als letztes Wort des sterbenden Kurz ist aus dem Roman zitiert, der die Geschichte jedoch zu Ende erzählt, während uns der Film ziemlich ratlos entlässt. Eine moralische Botschaft ist nicht zu erkennen. Dass die Ermordung des Bösen die Welt nicht gut macht, hat die Geschichte zur Genüge gezeigt.

Emil Zopfi ist Schriftsteller.


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