Schwerter und Pflugscharen

Neben dem Bestreben, die Einsatzmöglichkeiten von Schweizer SoldatInnen im Ausland zu erweitern, baut der Bund endlich auch die Instrumente zur zivilen Konfliktbearbeitung aus: Am 2. März wurde in Bern ein Kompetenzzentrum für Friedensförderung gegründet, das Regierungsstellen und nichtstaatliche Organisationen in ihrer Arbeit unterstützen soll. Es wird vom Bund bezahlt, doch an der Leitung sind auch NGO-ExponentInnen beteiligt. Dies ist ein Novum (vgl. nachstehenden Bericht von Markus Heiniger). In den vergangenen Monaten wurden aber noch weitere Massnahmen zur Verstärkung des schweizerischen Engagements in der Friedensförderung publik. Woher kommt dieser scheinbar plötzliche Aufbruch in der Schweizerischen Aussenpolitik?

Von Peter Schneider

Fast 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hörte die Schweiz endlich damit auf, sich auf diesen vorzubereiten. Seither sucht das Militär nach neuen Aufgaben und eine Armeereform jagt bei-nahe die andere. "Sicherheit durch Kooperation" heisst der sicherheitspoli-tische Bericht 20001 in seinem Übertitel. Der Bericht unterstreicht – wie dies auch Bundesrat Deiss in seinen Reden gerne tut – die massgebende Rolle der Aussenpolitik auf diesem Gebiet. Und hier hat sich – zunächst von der Öffentlichkeit kaum beachtet – vielleicht mehr verändert.

Neue Instrumente entstehen

Anfang Dezember des letzten Jahres gelangte die Nachricht von der Schaffung eines 'ExpertInnenpools für zivile Frie-densförderung' in die Medien. Der beinhaltet zwar zunächst nur die Zusammenfassung dreier bestehender Karteien zu einer neuen Datenbank, doch ist darin auch ein klares Signal für den beabsichtigten Ausbau dieses Potenzials zu sehen. Via Internet versucht das EDA, neue InteressentInnen anzusprechen, die künftig auch eine zweiwöchige Grundausbildung erhalten sollen. Ferner ernannte der Bundesrat einen 'Botschafter für Konfliktbearbeitung' und die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit DEZA baut eine Fachsektion für Konfliktprävention und Konfliktbewältigung auf. Geleitet wird diese von Günther Baech-ler, vormals bei der Schweizerischen Frie-densstiftung SFS aktiv, wo jetzt das neue Kompetenzzentrum für Friedensförde-rung KOFF angesiedelt ist.

Eingeständnis der Unzulänglichkeit

Rückblickend zeugt bereits der 'Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er-Jahren'2 vom 29. November 1993 von dem nach dem Ende des Kalten Krieges langsam beginnenden Umbruch. Die 'Wahrung und Förderung von Sicherheit und Frieden' hat darin als erste von fünf durchaus fortschrittlich klingenden aussenpolitischen Zielsetzungen einen prominenten Platz. Zwischendurch verharrt der Bericht dann wieder in Ausführungen zu 'Unabhängigkeit' und 'Existenzsicherung' die eher nach vergangenen Zeiten tönen. Das Aussergewöhnlichste an seinem Inhalt ist vielleicht das klare Eingeständnis eigener Unzulänglichkeiten: "Das aussenpolitische Instrumentarium der Schweiz weist besonders im engeren sicherheitspolitischen Bereich beträchtliche Lücken auf." Diese werden nicht nur im Abseits stehen von den relevanten internationalen Organisationen geortet, sondern ebenfalls im Mangel an eigenen Mitteln und Kapazitäten.

1996 war ein Jahr des Aufbruchs. Wichtiger als der Beitritt zum NATO-Programm 'Partnerschaft für den Frieden' waren jener zur Genfer Abrüstungskonferenz und die Übernahme des OSZE-Vorsitzes durch die Schweiz in diesem Jahr. Die damit verbundenen Aktivitäten ermöglichten es erstmals, die neuen Bemühungen auch der Öffentlichkeit zu verkaufen, was ebenfalls einem erklärten Ziel entspricht. Gleichzeitig dürften die Knappheit der eigenen Ressourcen damals noch bewusster geworden sein.

Der 'Ruanda-Schock'

Einen eigentlichen Schock haben die Ereignisse in Ruanda 1994 ausgelöst. Der dortige Völkermord hat mit einem Schlag auch die Ergebnisse jahrzehntelanger Aufbauarbeit der staatlich finanzierten Entwicklungszusammenarbeit und der dort engagierten Hilfswerke zerstört und die Notwendigkeit, den Gesichtspunkt der Friedensförderung in ihre gesamten Tätigkeit einzubeziehen in tragischer Weise vor Augen geführt.

"Allianzen für den Frieden" heisst das letztes Jahr erschienene Positionspapier zu 'Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung' der Caritas3. Es beschreibt die vielschichtigen Ursachen der – immer öfter innerstaatlichen – Konflikte und stellt treffend das verheerende Wirken der Koalitionen von an der Aufrechterhaltung des Kriegszustandes interessierten in- und ausländischen Akteuren dar.4 Diesen soll ein simultanes und multidimensionales Vorgehen lokaler und externer staatlicher wie nichtstaatlicher an der Herstellung eines dauerhaften Friedens interessierter Kräfte entgegengestellt werden. Solche Erkenntnisse haben Eingang in zahlreiche Publikationen der letzten Jahre gefunden und sich auch im EDA durchgesetzt. Das 'Konzept friedensfördernde Massnahmen' für die Legislaturperiode 2000 bis 2003 der Politischen Abteilung III spricht die gleiche Sprache und auch die fünf zentralen Folgerungen der Caritas für Ihre Arbeit könnten von den Vertretern der zuständigen Abteilungen im EDA wohl unterschrieben werden. Der Aufbau der neuen Instrumente KOFF und ExpertInnenpool entspricht genau den im erwähnten Konzept gesetzten Schwerpunkten. So ist es nur folgerichtig, wenn Geert van Dok, Co-Autor des Caritas-Papiers, im Steering Comitee des KOFF sitzt, und der Friedensforscher Günther Baechler neuerdings für die DEZA arbeitet.

Mittel für Friedensförderung bleiben unzureichend

Vielleicht werden einige der neuen Erkenntnisse tatsächlich etwas rascher umgesetzt, als sie reiften. Und die Abstimmung über den UNO-Beitritt böte Gelegenheit genug, diese Anstrengungen auch zu kommunizieren. Der begonnene Weg ist jedenfalls fortzusetzen. Neu stehen dem EDA für friedensfördernde Aktivitäten jährlich rund 40 Mio. Franken zur Verfügung. Das VBS gibt unter der gleichen Flagge die Hälfte mehr aus, von der Gesamtheit der Militärausgaben ganz zu schweigen. Dieses Missverhältnis bedarf nicht etwa geringfügiger Korrekturen, sondern einer gründlichen Umkehrung, wie sie etwa die 'Friedenspolitischen Initiativen' gefordert hatten.

Die beschriebenen Aktivitäten konzentrieren sich naturgemäss auf die internationale Zusammenarbeit. Friedenspolitik darf aber nicht allein als aussenpolitische Angelegenheit und somit Aufgabe des EDA betrachtet werden: Sporadische Ansätze von Kampagnen gegen Rassismus oder Männergewalt etwa hätten Bestandteile einer kohärenten als Querschnittaufgabe verstandenen Friedenspolitik im Inneren zu werden.

Friedensdividende müssen auch die AktionärInnen zahlen.

Eine ganz erhebliche friedenspolitische Verantwortung besitzt die Schweiz noch in einem anderen Bereich: demjenigen der Aussenwirtschaftspolitik. In den schönen Papieren und Reden aus dem EDA wird das zwar am Rande auch erwähnt, konkrete Taten aber fehlen hier – oder sie zielen in die entgegengesetzte Richtung:

Für eine Aufarbeitung ihrer Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Regime in Südafrika hat die offizielle Schweiz nichts unternommen. Auch auf heutigen Kriegsschauplätzen profitieren lokale AkteurInnen am meisten dann, wenn Unternehmen aus der halben Welt mit verdienen. Dass dabei der eigentliche Waffenhandel nicht mehr unbedingt im Vordergrund steht, zeigt nur, dass auch hier neue Herausforderungen anzunehmen sind.

Nicht nur die Aktivitäten in der Entwicklungszusammenarbeit – wie dies die Caritas-Broschüre fordert – sondern die gesamte Wirtschaftspolitik ist einer Friedensverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Welche Instrumente werden entwickelt, um die Wirtschaft aus den 'Allianzen für den Krieg' herauszulösen und für die Allianzen für den Frieden zu verpflichten? Wird die Schweiz auch im multilateralen Rahmen der Bretton-Woods-Institutionen und der Welthandelsorganisation für eine friedenstaugliche Wirtschaftsordnung eintreten? Hier liegen entscheidende Prüfsteine für die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Aussenpolitik.


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