Albanischer Extremismus gefährdet die ganze Region

Nach dem Aufstand im südserbischen Presevo-Tal ist ein weiterer albanischer Aufruhr ausgebrochen — diesmal in Mazedonien. Handelte es sich in Presevo, Medvedja und Bujanovac noch um die Kosovarische Befreiungsarmee, so hat die neue Guerilla-Bewegung einen anderen, ambitionierteren und verfänglicheren Namen angenommen: Nationale Befreiungsarmee. Ihr Akronym ist allerdings identisch mit demjenigen der Kosovarischen Befreiungsarmee UCK, deren Befreiungskrieg gegen die serbische Armee letztes Jahr im Nato-Bombardement mündete.

Von Shkelzen Maliqi*

Die Entstehung solcher neuer radikaler Gruppen hat in der internationalen Gemeinschaft Bedenken ausgelöst: sie macht sich über das, was sie als wachsende albanische Militanz betrachtet, grosse Sorgen. Die Presse in Skopje und Belgrad — wie auch einige westliche Medien — beschuldigen Kosov@ des Exports radikaler Bewegungen. Diese würden nicht nur Serbien und Mazedonien, sondern die Stabilität der gesamten Region bedrohen.

Die AlbanerInnen erhalten das Antlitz einer kriegslüsternen Nation, welche die SerbInnen in der Rolle der regionalen Unruhestifter abgelöst haben. Die Gewalt gegen SerbInnen und andere Minoritäten in Südserbien und in Kosov@ verstärken diesen Eindruck. Einige beginnen sich zu fragen: Haben die Kosov@-AlbanerInnen die Intervention der Nato-Kräfte überhaupt verdient?

Militante Kräfte übernehmen die Führung

Während die wichtigsten politischen Parteien in Kosov@ und Albanien mehr oder weniger untätig sind, betreten die militanten AlbanerInnen die Bühne und spielen sich als patriotische Führer der gesamten Nation auf.

Ich bin mit der Ideologie, Mentalität und Motivation hinter diesen Kräften, die einen bewaffneten Konflikt in Mazedonien provozierten, vertraut. Ich habe diese glühenden albanischen PatriotInnen kennen gelernt, insbesondere diejenigen, welche nach Europa emigrierten. Und sie haben mich davon zu überzeugen versucht, dass Mazedonien ein künstliches Produkt ist, zum Nachteil der albanischen Nation geschaffen. Sie breiteten sich des Langen und Breiten darüber aus, dass die erzwungene Teilung der albanischen Nation eine historische Ungerechtigkeit war und das Ziel hatte, den AlbanerInnen die Gleichberechtigung mit ihren NachbarInnen in der Region vorzuenthalten.

Diese Ungerechtigkeit müsse korrigiert werden, sagten sie, indem Mazedoniens slavische und albanische Teile getrennt werden. Letztere müssten sich mit Kosov@ vereinen können oder — noch besser — in einen vereinten albanischen Staat integriert werden. Nach dem Auseinanderfallen der jugoslawischen Föderation haben einige dieser PatriotInnen ihre Meinung geändert. Ihnen wurde klar, dass eine Aufteilung Mazedoniens ein riskantes, wenn nicht unmögliches Geschäft ist.

Mazedonien kann nicht geteilt werden, ohne dass dies eine grosse Krise auslösen würde. Es ist kein Zufall, dass in Mazedonien Nato-Truppen stationiert sind. Sie sind seit dem Ausbruch des Jugoslawien-Konfliktes dort, um zu verhindern, dass dieser über die mazedonischen Grenzen schwappt und das Land auseinander reisst.

Die radikalen albanischen Bewegungen führen also einen Krieg, den sie nicht gewinnen können. Vielleicht haben sie zwar Recht, wenn sie daran glauben, Mazedonien auseinander brechen zu können. Dies wäre aber ein schlechter strategischer Zug, denn der Konflikt könnte sehr leicht auf andere Teile der Region übergreifen und einen internationalen Backlash provozieren.

Diejenigen, die einen Aufstand in Mazedonien befürworten, glauben aber naiv, dass die Grossmächte — allen voran die USA — den AlbanerInnen zur Seite stehen würden. Solche Voraussagen sind aber sehr gefährlich. Die AmerikanerInnen sind immer auf derjenigen Seite, die ihren geostrategischen Interessen dient. Die AlbanerInnen müssen einsehen, dass eine Aufteilung Mazedoniens nicht auf der amerikanischen Agenda steht.

Mazedonien: Kein idealer Staat, aber nötig

Es gibt keinen Zweifel daran, dass Mazedonien weder ein stabiler noch ein idealer Staat ist.

Die AlbanerInnen haben begründete Einwände gegen die Verfassung des Landes und gegen die verschiedenen Formen politischer, nationaler und ökonomischer Diskriminierungen, die noch aus der jugoslawischen Ära stammen. Aber Mazedonien muss existieren. Die Warnungen der Nato, dass sie keine Destabilisierung des Landes hinnehmen würde, müssen ernst genommen werden.

Die so genannte Nationale Befreiungsarmee ist an der mazedonischen Grenze aktiv — die Guerilla wäre sehr dumm, wenn sie sich mit den alliierten Truppen anlegen würde.

Die politischen Kräfte der AlbanerInnen in Kosov@ und Mazedonien scheinen den Aktivitäten der militanten ExtremistInnen hilflos gegenüberzustehen. Die gemässigten politischen Kräfte beginnen jedoch zu realisieren: Die Einschätzung der internationalen Gemeinschaft, Kosov@ exportiere Radikalismus, könnte die langfristigen Aussichten der Region stark beeinträchtigen. Ihnen ist bewusst, dass es keine militärische Lösung für die albanische Frage gibt.

Alle gemässigten albanischen Kräfte sind jetzt gefragt

In der Zwischenzeit haben sich ja auch die politischen VertreterInnen der AlbanerInnen in Mazedonien — seien sie nun an der Regierung beteiligt oder in der Opposition — deutlich vom Aufstand distanziert. Und sie hoffen natürlich, in ihrer Position von ihren KollegInnen in Albanien und Kosov@ unterstützt zu werden. Deren Antwort war bisher aber nur lau und unklar; dies wegen der intensiven ideologischen Konflikte und wegen des Fehlens einer strategischen Koordination. Diese Probleme müssen schnell überwunden werden, da sie eine wichtige Rolle in der Beruhigung der leidenschaftlichen Gefühle spielen und weil die Eskalation eines neuen Konfliktes verhindert werden muss. Die albanischen PolitikerInnen ausserhalb Mazedoniens sollten Leute wie Arben Xhaferi stärker unterstützen. Dieser hat als Führer der demokratischen Wohlstandspartei der Albaner in Mazedonien die Militanten verurteilt.

Ob nun in der Regierung oder in der Opposition: Die PolitikerInnen müssen härter daran arbeiten, die radikalen Gruppen zu stoppen, damit diese das Schicksal der albanischen Nation nicht in ihre Hände nehmen.

*Shkelzen Maliqi ist Chefredaktor von Radio Free Europe in Pristina. Übersetzung: mr.


Medienhilfe für Mazedonien von Nöten

Als Resultat des Krieges an der mazedonischen Grenze wurden die Transmitter verschiedener Radio- und Fernsehstationen in der Region Tetovo und Gostivar zerstört. Das heisst, es gibt in dieser Region keine unabhängigen Informationen mehr über die Ereignisse. Das Feld ist frei für manipulierte, kriegstreiberische Propaganda.

Dazu kommen weitere Probleme: Viele Teams von Radio- und Fernsehsendern sind ethnisch gemischt zusammengesetzt, d.h. bisher arbeiteten mazedonische und albanische JournalistInnen und TechnikerInnen zusammen. Einige von ihnen getrauen sich nun nicht mehr nach Hause, sie fürchten sich vor ihren eigenen Leuten.

Weitere Informationen und Informationen über Hilfsmöglichkeiten finden sich bei der Medienhilfe Ex-Jugoslawien, Postfach, 8031 Zürich. www.medienhilfe.ch ; info@medienhilfe.ch


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