Das World Egoistic Forum

Von Manuela Reimann

Es war wohl kaum das letzte Weltwirtschaftsforum in Davos, das da Ende Januar mit soviel Medienecho und viel Kritik zu Ende ging. Auch wenn die dort versammelten ‚Welteliten' ihren Willen zum Dialog mit den KritikerInnen beteuerten — für das WEF selber sehen sie keinen Änderungsbedarf. Was ist das WEF eigentlich genau? Eine kleine Geschichte.

Das World Economic Forum ist eine private Vereinigung, die aus dem European Management Forum entstand. 1971 war dieses von Klaus Schwab gegründet worden, mit dem Ziel, eine Diskussions-Plattform für europäische Topmanager zu sein. Bald wurden aber die Inhalte am European Management Forum erweitert, soziale, politische und wissenschaftliche Fragestellungen kamen dazu; immer mehr werden auch regionale Konferenzen auf anderen Kontinenten durchgeführt, an welchen man konkreter auf die Problemstellungen der Region eingeht. 1987 schliesslich taufte man das European Management Symposium in World Economic Forum (WEF) um.

Weltverbesserer?

Ziel des WEF ist nichts bescheideneres, als "den Zustand der Welt zu verbessern"1. Zu seinen Mitgliedern zählen die weltweit grössten transnationalen Konzerne, davon viele mit mehr als 1 Milliarde Dollar Jahresumsatz. Diese unter einander und mit den wichtigsten (sprich westlichen) Politikern und Wissenschaftlern zu vernetzen (Frauen sind am WEF in Davos eher spärlich auszumachen), ist Hauptziel des WEF. So hat das WEF verschiedene Clubs gegründet: Den "Club of World Media Leaders" beispielsweise, in welchem führende Herausgeber und Kommentatoren grosser Medien vertreten sind, oder den "Club of Industry Governors", der die wichtigsten Konzernchefs von rund 16 verschiedenen Branchen vereint. Aber auch KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und weitere "globale Führungspersönlichkeiten" zählen dazu. Sie diskutieren in Davos meist unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit, da viele Meetings für die Medien und erst recht für ‚normale ZuhörerInnen' verschlossen sind. Von besonderer Bedeutung sind die informellen Treffen zwischen einzelnen Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Was an den vielen privaten Stelldichein besprochen und welche Geschäfte hier geschlossen werden, weiss also ausser den Beteiligten niemand genau. Doch lassen das Programmheft der offiziellen Veranstaltungen, vor allem aber die indirekten Folgen der bisherigen WEF-Treffen darauf schliessen, dass keineswegs nur geplaudert und referiert wird, sondern dass handfeste Projekte oder gar Verträge zumindest vordiskutiert werden.

Auf politischer Seite kann das WEF durchaus mit einigen ‚positiven' Ergebnissen aufwarten: So spielten die Treffen eine wesentliche Rolle bei der Entspannung zwischen Griechenland und der Türkei (WFF 1988), bei den Annäherungen zwischen BRD und DDR (WEF 1987 und 1988) wie auch Nord- und Südkoreas (WEF 1988) sowie für das Gaza-Jericho-Abkommen zwischen der PLO und Israel (1988). Im WEF werden zuallererst wirtschaftliche Interessen verfolgt. Nicht nur Einzelprojekte, wie die türkischen Staudammprojekte wurden und werden in Davos vorangetrieben; auch nach oder gerade wegen des Scheiterns von Seattle geht es primär um die Durchsetzung weiterer Liberalisierungsrunden.

Dass der Abbau von Handelsbarrieren schon immer ein wesentliches Ziel des WEF war, zeigt der Umstand, dass die Uruguay-Runde ursprünglich auf ein 1982 vom WEF organisiertes Treffen von 17 HandelsministerInnen zurückgeht, das schliesslich in der Gründung der WTO (siehe Text von Marianne Hochuli) mündete. Auch das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, welches seit 1994 in Kraft ist, wurde in Davos ‚erfunden' — ein Abkommen, das die Armut und die Umweltprobleme in den beteiligten Staaten verschärfte und die Macht transnationaler Konzerne deutlich stärkte. Denn das NAFTA-Abkommen gibt privaten Unternehmen die Möglichkeit, gegen staatliche Gesetze zu klagen, z.B. wenn sie durch Umwelt- oder Gesundheitsgesetze Einbussen erleiden. 2

Wachstum ohne Ende

Das NAFTA-Abkommen wurde aber auch zu einem Auftakt des Widerstands gegen Davos und WTO — gegen die Motoren der uneingeschränkten Globalisierung. Verbunden mit dem Aufstand der ZapatistInnen in Mexiko, welche sich insbesondere auch gegen die Auswirkungen des NAFTA-Abkommen wehrten, begannen 1998 autonome, antirassistische, feministische und eben zapatistische Gruppen sich gegen das WEF zu organisieren (siehe Text von Alain Kessi). Sie lenkten die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Auswirkungen der Globalisierung insbesondere für den Süden, sondern nun auch auf die Davoser Treffen und ihre undemokratische Struktur, welche diese Globalisierung mit vorantreiben. Denn auch wenn Nichtregierungsorganisationen verstärkt eingeladen werden, so hat ihre Anwesenheit vorwiegend die Funktion eines Feigenblattes. Es gibt bisher jedenfalls keine Anzeichen dafür, dass die in Davos vertretenen "globalen Führer" die Kritik der NGO wirklich ernst nehmen würden oder sich gar mit den negativen Auswirkungen ihres neoliberalen Wirtschaftskurses auseinander setzen würden. Dies zeigten die Fragestellungen des diesjährigen WEF-Programms, in welchen es vor allem darum ging, den ‚Ängsten' der Zivilgesellschaft bezüglich der Globalisierung entgegenzutreten und Strategien hiefür zu entwickeln. Zwar gaben sich einige Exponenten des WEF offen für Kritik und andere — wie UNO-Generalsekretär Kofi Annan — warnten auch vor einer ungezügelten Globalisierung und redeten den Führern der transnationalen Konzerne ins Gewissen, ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen. Doch dominierten Antworten wie "Ohne Wachstum gibt es keinen Wohlstand" (dieser andauernde Wachstumsglaube zeigt zumindest, dass den Umweltorganisationen nicht zugehört wird) und "Die undemokratischen Politiker der armen Länder tragen die Verantwortung für die Armut, nicht die Wirtschaft" — diejenigen Politiker also, die man gerne grosszügig nach Davos einlädt, um mit ihnen Geschäfte abzuschliessen, die wiederum nur möglich sind, weil es sich nicht um demokratische Politiker handelt.

Ein gutes Geschäft

Das WEF — ob zukünftig wieder in Davos oder anderswo — bleibt also ein Exklusivklub für die Reichen und Mächtigen, auch wenn es sich brüstet offen und inklusiv zu sein: In einem Pressecommuniqué lobt es sich selbst damit, dass dieses Jahr 59 VertreterInnen der Zivilgesellschaft teilnahmen. Davon waren 34 Delegierte von NGO3 — angesichts der Vielzahl, Finanzkraft und politischen Macht der anderen Teilnehmenden keine wirkliche Vertretung der so genannten Zivilgesellschaft. Auch Medienarbeitende werden nur sehr selektiv zugelassen und auch sie haben wie erwähnt zu vielen Gesprächen keinen Zutritt.

Schätzungen zufolge lassen die TeilnehmerInnen des Jahrestreffens während ihres Aufenthalts in Davos rund 15 Millionen Franken liegen.4 Die Rechnung für den Polizei- und Militäreinsatz (der Betrag beläuft sich schätzungsweise auf 5 Millionen Franken) zahlen die SteuerzahlerInnen. Ein gutes Geschäft also auch für Davos' Wirtschaft.

1 Für Interessierte lohnt es sich übrigens, die homepage des WEF anzuschauen: www.weforum.org
2 Siehe dazu FriZ Nr. 3/98: Gatt — WTO — MAI: Freier Handel ist unfairer Handel.
3 Mehr zum Thema NGO am WEF, siehe EvB-Broschüre: Probleme im Anzug. Globalisierungs-politik und das Weltwirtschaftsforum in Davos. Zürich: Erklärung von Bern, 2001.
4 Gemäss EvB-Broschüre: Probleme im Anzug. Globalisierungspolitik und das Weltwirtschaftsforum in Davos. Zürich: Erklärung von Bern, 2001. Siehe: www.evb.ch

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