Sechs Friedensfrauen neu entdeckt

Wenn es um Krieg oder Frieden ging, hatten Frauenzimmer gefälligst zu schweigen. Das taten sie schon früher nicht. Nur: Mann hörte höchstens Männern zu.  Ein Buch, bei dem es sich lohnt, eine Ausnahme zu machen.

Von Peter Schneider*

«Frauen über Krieg und Frieden» - dass ein solcher Buchtitel noch möglich und mehr als ein mildes gähnen wert ist, bezeugt schon  das die Kritik, nicht nur die Aussen- und Militärpolitik, sondern auch die Wissenschaft von Krieg und Frieden sei eine Männerdomäne geblieben, nicht unberechtigt ist. Frauen, die etwas zum Thema beizutragen hatten, wurden ignoriert oder, wie Sandra Hedinger meint, auch aktiv verschwiegen. 6 von Ihnen hat die Autorin ausgegraben, um Ihre Theorien über Krieg und Frieden zu vergleichen. Die ‘Klassikerinnen‘ Bertha von Suttner, Rosa Luxemburg und Hannah Arendt sind 3 wohlbekannte Europäerinnen über die gewiss nicht bloss geschwiegen wird. Mit Betty Reardon, Judith Ann Tickner und Jean Bethke Elshtain hingegen stellt Hedinger drei entdeckenswerte WissenschaftlerInnen aus den USA erstmals ausführlich in deutscher Sprache vor.

Erst die etwas bemühende Auflistung von Kriterien, aufgrund derer die Auswahl stattgefunden haben soll, verleitet dazu, diese zu hinterfragen: Luxemburg und die unter Feministinnen umstrittene Ahrendt? Warum nicht – beispielsweise – 2 weitere Friedensnobelpreisträgerinnen? «Jane Addams (1860-1935): Frieden durch internationale Vernetzung» und Alva Myrdal (1902–1986): Frieden durch soziale Gerechtigkeit» oder so ähnlich könnten die ins Konzept passenden Kapitelüberschriften lauten. Auch diese Frauen haben keine „Standardwerke“ über Friedensforschung verfasst und gegen eine solche Auswahl liesse sich mindestens ebenso viel einwenden. Das Buch soll aber unter anderem zeigen, dass Frauen einen ‘beachtlichen Beitrag‘ zur theoretischen Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden geleistet haben. Dem hätte der Hinweis auf einige weitere bemerkenswerte Frauen mehr gedient, als diese Abstrakten Kriterien.

Friedenspolitische Globalsynthese

Ausser Frauen sichtbar machen, will das Buch aber auch ausloten, welche Ansätze der moderneren Amerikanerinnen schon bei den Klassikerinnen vorhanden sind, auf welche sich die Ersteren, laut Hedinger kaum explizit beziehen. Ausserdem soll der Einfluss der Wahrnehmung des Geschlechterverhältnisses auf die Theorie von Krieg und Frieden untersucht werden. Ob der Vielfalt der Zielformulierungen kann die Orientierung leicht einmal verloren gehen. Dass sie nicht alle gleichermassen erfüllbar sind, versteht sich.

Wenn es denn unbedingt zu den Erfordernissen der Wissenschaftlichkeit gehört, auch noch einen Abriss darüber zu liefern, was Feminismus ist, und eine Globalsynthese der ‘Theorien über Krieg und Frieden‘ zu versuchen, so fällt dabei vor allem auf, dass diese ohne wenn und aber mit der Disziplin der internationalen Beziehungen gleichgesetzt werden. Nun gehören  auch zwischenstaatliche Kriege keineswegs der Vergangenheit an. Doch, gerade wenn die Wahrnehmung der Staatswesen als individuelle Akteure kritisiert wird und gesellschaftliche Kriegsursachen in den Vordergrund rücken, scheint es unumgänglich, die zunehmende innerstaatliche Dimension gewaltsamer Konflikte allerwenigstens zu erwähnen. Vielleicht ist hier die Anlehnung an ETH-Sicherheitsforscher Jürgen Martin Gabriel in der Systematik der Theorien nicht die glücklichste Wahl, zumindest aber zeigt sich, dass Hedinger primär als Feministin schreibt. 

In der Anwendung bewährt sich die Methodik

Sind die 60 Seiten wissenschaftlicher Einführung mal überstanden (Für LeserInnen ohne wissenschaftlichen Anspruch: getrost überspringen und ggf. später nachlesen), so nehmen die 6 Frauenfiguren und Ihr Denken rasch Gestalt an. Die interessanten Darstellungen sind übersichtlich und einprägsam. Gemeinsamkeiten und Entwicklungslinien treten klar hervor, Beziehungen stellen sich wie von selber her und Antworten auf die Leitfragen ein. Hier, in der Praxis, bewährt sich der ebenso sorgfältig entwickelte wie mühselig beschriebene Ordnungsraster für die Textanalyse also hervorragend und auf weitere Denkerinnen liesse er sich ebenfalls anwenden. Das bisschen Mühe mit dem Anfang geht jedenfalls rasch vergessen, manches was dort schwammig schien, nimmt jetzt sogar Gestalt an und die Lektüre lohnt auf jeden Fall.

*Peter Schneider ist Mitglied der FriZ-Redaktion.


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