Zivile Öffnung statt Armeereform

In der letzten FriZ zog Peter Hug, Vizepräsident der Friedenspolitischen Initiativen, eine erste Bilanz nach der Abstimmung zur Umverteilungsinitiative. Eine Antwort der GSoA.

Von Nico Lutz, Stefan Luzi, Tobia Schneebli und Jürg Wiedemann*

Die Abstimmungskampagne und das Resultat der Umverteilungsinitiative sind ernüchternd ausgefallen. Umfrageergebnisse hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwarten lassen. Die Initiative wurde aber bei einer dürftigen Stimmbeteiligung von nur 41 Prozent abgelehnt.

Andere Gründe als Geldmangel

Das Abstimmungsergebnis ist nur teilweise mit Geldknappheit und dem Fehlen einer wahrnehmbaren Kampagne für die Umverteilungsinitiative zu erklären, wurde doch der Sieg in der Romandie mit noch bescheideneren Mitteln errungen. Die Umverteilungsinitiative wurde aber in der Romandie von (SP-)Persönlichkeiten vertreten, die die Initiative als Gegenprojekt zur Armeemodernisierung positionierten, gemeinsam mit der GSoA eine Kampagne für die Umverteilungsinitiative führten und gleichzeitig auf der Strasse Unterschriften gegen das neue Militärgesetz gesammelt haben. Diese klare Positionierung hat sich an der Urne offensichtlich ausbezahlt.

Das entscheidende Problem war daher die politische Ausrichtung der Kampagne in der Deutschschweiz, bzw. die Hauptbotschaft, welche die wichtigsten ExponentInnen dieser Initiative (Barbara Haering, Peter Hug, Werner Marti) in der Deutschschweiz formulierten. Diese Kerngruppe verknüpfte viele gute friedenspolitische Argumente mit der Behauptung, es gebe keinen wesentlichen Unterschied zwischen der offiziellen Aussenpolitik und dem darin eingebetteten militärischen Reformprojekt der Armee auf der einen Seite und einem fortschrittlichen friedenspolitischen Projekt auf der anderen Seite. Der einzige wesentliche Gegensatz bestehe zwischen einer reformwilligen Öffnungs-Schweiz und den isolationistischen Neutralitätsaposteln.

Im Bündnis mit dem VBS

Ihr Argumentarium ging von der Idee aus, die Umverteilungsinitiative sei ein Zukunftsprojekt für die Schweiz, weil sie "den Bundesrat beim Wort" nehme, und weil sie ermögliche, "endlich zu verwirklichen, was alle als notwendig erkannt haben". Die Initiative blockiere "den laufenden Reformprozess" ebensowenig wie das VBS-Konzept "Sicherheit durch Kooperation". Auch nach Annahme der Umverteilungsinitiative werde die Schweiz noch "über eine militärisch äusserst schlagkräftige, hoch moderne und auch für internationale Friedensmissionen bestens gerüstete Armee" verfügen.

Die Kerngruppe versuchte sich damit aktiv dem VBS als Bündnispartner anzudienen - auch gegen die "natürlichen" Verbündeten aus den antimilitaristischen, feministischen und globalisierungskritischen Segmenten der Friedensbewegung. Das Umverteilungs-Argumentarium betonte deshalb nicht den friedenspolitischen Grundkonsens, sondern die Differenz des Kampagnenkomitees zu einem guten Teil der friedenspolitischen Linken im Hinblick auf das neue Militärgesetz: "Bundesrat Adolf Ogi [wird] Unterstützer und Unterstützerinnen der Umverteilungsinitiative für sich gewinnen müssen, wenn er im Sommer 2001 eine Mehrheit für die Vorlage zur Bewaffnung von Schweizer Truppen im Ausland finden will".

Die Folgen der einseitigen Strategie

Die Strategie, auf eine Koalition der Vernunft mit den Armeereformern zu setzen, statt eine klare friedenspolitische Alternative zum laufenden Armeemodernisierungsprojekt zu formulieren, hat sich als untauglich erwiesen. Diese "Koalition der Vernunft" hat der Umverteilungsinitiative und den darin formulierten friedenspolitischen Anliegen keinen Nutzen gebracht, ganz im Gegenteil. Das VBS und allen voran Adolf Ogi bekämpften das Volksbegehren kompromisslos – und einmal mehr im Gleichschritt mit dem "rechtsnationalen Landsturm". Die Spaltungspolitik gegen Links hingegen zeigte Wirkung: Die Diskussion um die Umverteilungsinitiative war in der Deutschschweiz für viele potentielle JA-Stimmende schlicht uninteressant oder gar verwirrend. Die InitiantInnen betonten die Gemeinsamkeiten mit dem VBS, das VBS betonte es hätte schon viel gespart und werde es auch weiterhin tun.

Peter Hug kommt in seiner ersten Analyse der Abstimmung zum Schluss, das "Sensationelle" am Abstimmungsergebnis sei, dass " die Réduit-Schweiz erstmals in einer sicherheitspolitischen Abstimmung überhaupt eine schwere Niederlage" erlitten habe. Folgt man dieser abenteuerlichen Argumentation, wäre (in der Deutschschweiz) auch eine hundertprozentige Ablehnung der Initiative noch ein Sieg gegen die "Reduit-Schweiz" gewesen, da sich seiner Meinung nach hier "das Ja- und das Nein-Lager gegenseitig im Bekenntnis dafür (überboten), die Schweiz solle auf internationaler Ebene bedeutend mehr als bisher für die Konfliktverhütung und Friedensförderung beitragen".

Friedenspolitische Gegenprojekte

Schönfärberei behindert die Weiterentwicklung einer eigenständigen linken Perspektive in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Der Bundesrat konnte in der Deutschschweiz, wo die Umverteilungsinitiative kaum noch als aussenpolitische Alternative zur neuen VBS-Doktrin "Sicherheit durch Kooperation" wahrgenommen wurde, eine Mehrheit davon überzeugen, dass das Armeebudget nicht in die Verfassung gehört. In der Romandie, wo die Umverteilungsinitiative in der Tradition friedenspolitischer Gegenprojekte wahrgenommen wurde, gelang ihm das nicht. Die unterschiedliche Ausrichtung der Kampagne und ihre gegensätzlichen Abstimmungsresultate in der Deutsch- und in der Welschschweiz zeigen die beiden möglichen Positionierungen auf:

A) Entweder unterstützen die linken SicherheitspolitikerInnen den VBS-Reformkurs, in der vagen Hoffnung, gestaltend darauf Einfluss nehmen zu können. Der Preis dafür wäre allerdings hoch. Die Linke müsste nicht nur das neue Militärgesetz schlucken und damit eine dauerhafte Beteiligung der Schweiz am neuen, von der Nato geführten Konfliktmanagement unterstützen. Sie würde sich zur Helfershelferin der Armeemodernisierung machen, mit allen damit zusammenhängenden Konsequenzen: Neulegitimierung der Armee, neue Rüstungsprogramme, Militarisierung der aussenpolitischen Öffnungsperspektive. Die Erfolgschancen dieser Strategie sind minim. Noch im TV-Abstimmungsstudio vom 26. November gab der "liberale" SVP-Nationalrat und Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft Ulrich Siegrist den Tarif durch. Von der von Barbara Haering und Peter Hug beschworenen Zusammenarbeit bei der Ausgestaltung der Armee XXI wollte der SVP-Mann nichts wissen. Politische Verlierer seien als "Partner" unerwünscht.

B) Oder die Linke entwickelt ihre friedenspolitischen Projekte zu einer aussenpolitischen Alternative gegen das Erneuerungsprogramm des VBS. Sie wendet sich gegen die militärische Zusammenarbeit mit der Nato und fordert von der Schweiz eine Konfliktpolitik ein, die den Abbau von Konfliktursachen ins Zentrum stellt und konsequent auf internationale Zusammenarbeit, zivile Konfliktbearbeitung und Abrüstung setzt. Sowohl die Uno-Beitrittsinitiative als auch die Initiative für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD) sind in den beiden kommenden Jahren als Kampagnenplattform für eine derartige friedenspolitische Allianz geeignet. Auch die neue Armeeabschaffungsinitiative – die im Gegensatz zur Initiative von 1989 die sensible Dimension des aussenpolitischen Engagements mit bewaffneten Mitteln explizit aufnimmt – passt in diese Dynamik.

Die Bedeutung des Militärgesetz-Referendums

Zwischen diesen beiden Optionen muss sich die friedenspolitische Linke entscheiden. Und nur weil die Nationalkonservativen auf ihrem sicherheitspolitisch immer absurder werdenden Isolationismus beharren, darf sich die Linke nicht auf ein globales Konfliktmanagement einlassen, das repressive Mittel in den Vordergrund stellt. Die Linke kann aber nicht gleichzeitig eine glaubwürdige friedenspolitische Alternative entwickeln und die Armeereform samt erweitertem Aufgabenspektrum, Nato-Zusammenarbeit und neuen Rüstungsprogrammen unterstützen. Daher muss sie das vom Parlament verabschiedete neue Militärgesetz ablehnen. Nach einem durchaus möglichen Sieg in der kommenden Volksabstimmung hätte die Linke bei einer Neuauflage dann alle Trümpfe in der Hand, um friedenspolitische Minimalbedingungen im Parlament durchzusetzen. Nur diese im Frühling 1999 von der Umverteilungs-Kerngruppe, der GSoA, dem cfd, dem Friedensrat und anderen friedenspolitischen Gruppen erarbeiteten Minimalbedingungen (Uno-Mandat, Beteiligung ausschliesslich an friedenserhaltenden Operationen, Bewaffnung nur zum Selbstschutz im Sinne des UN-Peacekeeping) geben eine gewisse Gewähr dafür, dass weitere Auslandeinsätze der Schweizer Armee nicht der Nato, sondern der Uno dienen.

Wir sind überzeugt: Es bringt mehr, den kritischen Druck auf die Armee XXI aufrechtzuerhalten, als aus einer Position der Schwäche heraus diese Armeemodernisierung zu unterstützen. Die Linke muss für ihre eigenen friedens- und sicherheitspolitischen Überzeugungen einstehen, der Armee Grenzen setzen und auf eine Zivilisierung der internationalen Konfliktpolitik hinarbeiten.

*Nico Lutz, Stefan Luzi, Tobia Schneebli und Jürg Wiedemann sind Mitglieder der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA).


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