Nebengedanken
Die Einsetzung Colin Powells auf den Posten des Aussenministers stellt einen wahren Bruch mit der Tradition dar: Noch nie hatte ein Afro-Amerikaner ein höheres Amt inne. Powell ist ausserdem, anders als die meisten Schwarzen aus dem Bush-Lager, ein starker Befürworter der affirmative action (der positiven Diskriminierung zugunsten der Schwarzen, Anm. der Red.). Powell ist tendenziell gegen eine amerikanische Militärpolitik, die sich ausserhalb der Staaten engagiert ausser wenn die USA massiv involviert sind und der Einsatz schnell und v.a. mit absehbarem Ende durchgezogen werden kann.
In welche Richtung aber die neue US-Aussenpolitik unter George Bush Junior im Falle des Irak gehen wird, ist trotzdem noch unklar. Für George Bush Senior bleibt der Irak jedenfalls ein unerledigtes Geschäft. Gangster Saddam piesackt die USA weiterhin unablässig. Mittlerweile sieht aber ein Teil der Welt in den USA den "Gangster", wegen ihrer endlosen Luftangriffe und wegen der horrenden Opferzahlen, welche die Sanktionen mit sich bringen. Warum sind die Vereinigten Staaten überhaupt so versessen darauf, dass der Irak jede einzelne UNO-Resolution erfüllt, während es ihnen egal ist, ob Israel Resolutionen je einhält? Warum beunruhigen die israelischen Nuklearwaffen das Weisse Haus nicht, während die blosse Möglichkeit, dass der Irak je welche erhält, dort schlaflose Nächte verursacht? Dies sind und bleiben die Doppel-Standards Washingtons, die zu einem guten Teil auf einer alten britisch-französischen Strategie basieren: Die Ölstaaten beherrschen, indem verhindert wird, dass ein einzelner dieser Staaten genug Macht erlangt, um die westliche Hegemonie zu gefährden.
Auch andere alte Probleme belasten die neuen Köpfe der amerikanischen Aussenpolitik: Die Spannungen zwischen China und Taiwan sind real und können jederzeit in einen Konflikt ausbrechen und niemand weiss, wie die USA sich verhalten werden. Weiterhin massiv involviert bleiben die Vereinigten Staaten in Kolumbien und wohl auch in anderen Ländern Lateinamerikas. Geht es dabei wirklich um die Eindämmung des Drogenhandels? Oder nicht vielmehr darum, dass die USA wieder die Kontrolle über Gebiete erlangen, die sich ihnen zu entziehen drohen (z.B. Peru)?
Am meisten beunruhigt mich aber Bushs Leidenschaft für "Star Wars". Diese gefährliche und gleichzeitig sinnlose Begeisterung wird auch vom neuen Vizepräsident Cheyney und dem Sekretär des Verteidigungsministeriums Rumsfeld geteilt. Der Kalte Krieg ist vorbei, niemand gefährdet die Sicherheit der Vereinigten Staaten wirklich. Der internationale Terrorismus ist eine praktische Ausrede, um die Militärausgaben trotzdem hoch zu halten (auch wenn der gefährlichste Terroranschlag gegen die USA in Oklahoma von jungen rechtsgerichteten US-Bürgern durchgeführt wurde). Wozu also das Ganze?
Es gibt meiner Meinung nach drei Gründe für Star Wars: Der erste und wahrscheinlich wichtigste heisst Business. Milliarden von Dollars können in dieses Programm gesteckt werden, vor allem in Firmen von Republikanern natürlich, welche die Bush-Kampagne unterstützt hatten. Dies ist ein Wohlfahrtsprogramm für die sehr Reichen wie die meisten amerikanischen Militärprojekte.
Als zweiten Grund würde ich die Paranoia Washingtons nennen. Bei all dem, was die USA in der Welt angerichtet haben, muss es ja Feinde geben! Natürlich gibt es sie, doch die wenigsten unter ihnen haben die Möglichkeit, Raketen zu starten. Auch sonst wird Star Wars nicht funktionieren. Man bedenke nur, wie einfach heutzutage Radarschilde unterflogen werden und wie leicht angeblich sicher bewachte Grenzen nicht zuletzt dank der neuen Handelsabkommen überwunden werden (z.B. von DrogenschmugglerInnen).
Das "Problem" mit Star Wars ist, dass es nicht funktioniert. Trotzdem gibt es diesen dritten, ominösen Grund für "Star Wars": Den Wunsch des Imperiums nach ultimativem Schutz. Die Hoffnung, niemand würde es mehr wagen, die USA anzugreifen. Im Gegenteil: die Vereinigten Staaten könnten ihre Interventionen durchziehen, ohne je Gegenschläge befürchten zu müssen. Das Resultat wären nicht nur horrende Kosten, sondern eine massive Wiederaufrüstung. Russland hat bereits zu Recht betont, dass das Star Wars Programm den ABM-Vertrag verletzt. Bushs Antwort: Mit dem Verschwinden der Sowjetunion hätten alle Verträge mit der damaligen Regierung keine Rechtskraft mehr. Eine reichlich seltsame Argumentation.
Von allen Gefahren, die wir von der Bush-Regierung zu gewärtigen haben, ist "Star Wars" die weitaus ernsthafteste und verlangt eine ernsthafte Reaktion.
David McReynolds ist ehemaliger Vorsitzender der War Resisters International. Im vergangenen Jahr kandidierte er für die US-SozialistInnen für das Präsidentenamt. Übersetzung: mr.Inhaltsübersicht | nächster Artikel |