Mit Öl gegen Diamanten: Am Krieg in Angola verdienen alle – ausser der Bevölkerung

Zum 10. Dezember – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – forderte War Resisters' International in einer Erklärung Freiheit für den angolanischen Friedensaktivisten und Journalisten Rafael Marques und rief zur Unterstützung der angolanischen Friedensbewegung auf. Seitdem hat sich die Lage nicht verbessert in diesem Krieg, an dem alle - Regierung, die Rebellen der UNITA und der FLEC, sowie die Staaten der NATO, aber auch Russland, verdienen. Verliererin ist mal wieder die Bevölkerung.

Von Andreas Speck*

Angola, südliches Afrika: 11,5 Millionen EinwohnerInnen, davon mehr als die Hälfte jünger als 18 Jahre, 13 Milliarden Dollar Auslandsschulden, Unabhängigkeit von Portugal seit 1975; Angola, 32 Jahre Krieg – zunächst gegen Portugal, dann als BürgerInnenkrieg, unterbrochen von einem kurzen Waffenstillstand 1994-1998. Angola, mehr als eine Million Tote als Folge des Krieges, eine Analphabet-Innenrate von 58%, eine Lebenserwartung von nur 48 Jahren, und mehr als 70% der Bevölkerung, die ein Leben unterhalb der Armutsgrenze fristen. Angola, riesige Ölvorkommen und reiche Fischgründe vor der Küste, Diamanten und andere Rohstoffe im Landesinneren. Angola, ein Land, über das selten in den hiesigen Medien zu lesen ist, wo niemand nach einer "humanitären Intervention" ruft, denn ausnahmslos alle verdienen gut an diesem Krieg, der so gar nicht ins hiesige öffentliche Bewusstsein dringen will.

Öl und Diamanten - Ressourcen gegen Waffen

Nach einem mehrjährigen Unabhängigkeitskrieg errang Angola am 11. November 1975 die Unabhängigkeit von Portugal. Zur Ruhe kam das Land jedoch nicht. In den Zeiten des Kalten Krieges nahm die vom Westen unterstützte UNITA (Nationale Vereinigung für die totale Unabhängigkeit Angolas) unter Jonas Savimbi sofort den bewaffneten Kampf gegen die von der damaligen Sowjetunion unterstützte marxistische MPLA-Regierung unter Präsident Eduardo dos Santos auf. Die ideologischen Gegensätze verschwanden nach dem Zusammenbruch des realexistent gewesenen Sozialismus, denn die MPLA-Regierung orientierte sich seitdem zunehmend an Westöffnung und Marktwirtschaft. Der Krieg endete deswegen jedoch nicht. Eine erste Waffenstillstandsvereinbarung zwischen MPLA und UNITA vom Mai 1991 hielt nur bis Oktober 1992. Auch die Friedensvereinbarungen von Lusaka, auf Druck der Schutzmächte USA, Russland und Portugal im November 1994 unterzeichnet, und abgesichert durch eine UN-Friedenstruppe, scheiterten letztlich. Nach dem Abschuss von zwei UN-Flugzeugen im Dezember 1998 erklärte UN-Generalsekretär Kofi Annan den Friedensprozess endgültig für gescheitert.

Die "Ökonomie des Bürgerkrieges" funktioniert in Angola wie geschmiert. Während der MPLA-Regierung die riesigen Ölvorkommen des Landes zur Verfügung stehen, um ihren Militärapparat aufrecht zu erhalten, verdienen die RebellInnen der UNITA nicht schlecht am Abbau von und Handel mit Diamanten – trotz dagegen gerichteter UN-Sanktionen. Und auf beiden Seiten verdienen internationale Konzerne, die sich nicht daran stören, dass ihre Profite mit dem Blut der angolanischen Bevölkerung erkauft sind. Ebenfalls auf beiden Seiten verdienen die Rüstungsproduzenten, die hier einen willigen und scheinbar niemals austrocknenden Absatzmarkt für ihre alten und neuen Waffen gefunden haben.

Zu Zeiten des Kalten Krieges war die Sowjetunion traditionell Waffenlieferant für die MPLA-Regierung, Russland stellt auch heute noch Militärhilfe bereit. Zusätzlich wurde im Dezember 2000 ein bilaterales Abkommen zur Wirtschaftshilfe unterzeichnet, gemäss dem insbesondere in die Ausbeutung der Diamantenvorkommen intensiviert werden soll. Schon heute exportiert Angola jährlich Rohdiamanten im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Der Export der Diamanten wird durch ein joint-venture der angolanischen Regierung mit einem Investorenkonsortium unter Führung des israelischen Geschäftsmannes Lev Leviev organisiert. Leviev ist ausserdem der grösste Produzent geschliffener Diamanten in Russland.

Die Ausbeutung der angolanischen Ölvorkommen, die sich im Wesentlichen off-shore ausserhalb des Zugriffs der UNITA, befinden, wird von zahlreichen westlichen Ölmultis betrieben: Texaco, Exxon, TotalFinaElf, BP Amoco und andere verdienen nicht schlecht am schwarzen Gold Angolas. Texaco plant ausserdem ein joint-venture mit der staatlich-angolanischen Ölgesellschaft Sonangol zum Bau einer Flüssiggasfabrik in Luanda für mehr als zwei Milliarden US-Dollar. Die Ölexporte spülen jährlich mehr als 800 Millionen US-Dollar in die Kasse der MPLA-Regierung, und decken damit fast den gesamten Rüstungsetat von ca. einer Milliarde US-Dollar – 25% des Bruttoinlandsproduktes.

Zahlreiche Länder verdienen ausserdem an Waffenlieferungen: zu den Lieferanten der MPLA-Regierung gehören neben den traditionellen Partnern Russland und Kuba die ehemaligen Ostblockstaaten Bulgarien, Ukraine, Usbekistan, Tschechien und die Slowakische Republik, die NATO-Staaten Portugal und Spanien (zusätzlich leisten die USA, Grossbritannien sowie skandinavische Staaten Hilfe in Form von Militärberatern), sowie Brasilien, Israel, Nordkorea, Südafrika, Zaire und Namibia. Bulgarien und die Ukraine verdienen gleich doppelt, da sie auch zu den Waffenlieferanten der UNITA gehören.

Dabei gibt es dunkle Verbindungen zwischen dem Öl- und dem Waffengeschäft. Wie der britische "Guardian" in der Ausgabe vom 17. Januar 2001 berichtete, hat der Ölkonzern Elf über den Umweg einer schweizerischen Stiftung auch den Mitterand-Sohn Jean Christophe als "Berater" finanziert. Jean Christophe, dem illegale Waffengeschäfte mit der angolanischen Regierung sowie Geldwäscherei vorgeworfen werden, wurde erst kürzlich auf Kaution aus der Haft entlassen.

Wenn alle nur verdienen, warum sollte jemand Interesse daran haben, diesen Krieg zu beenden?

Bevölkerung zwischen den Fronten

Eindeutig zu den VerliererInnen dieses Krieges gehören jedoch die BewohnerInnen Angolas. Nach Angaben der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gelten ein Viertel der Bevölkerung als interne Flüchtlinge. Die Versorgungslage im Land ist schlecht, die Bevölkerung ist weitgehend von humanitärer Hilfe abhängig, die jedoch nur in der Umgebung der Hauptstadt Luanda auf dem Landweg verteilt werden kann. Im restlichen Land gibt es nur wenige sichere Enklaven, die von internationalen Hilfswerken aus der Luft versorgt werden.

Die Bevölkerung befindet sich buchstäblich zwischen den Fronten. Sowohl die MPLA-Regierung, als auch die UNITA haben eine allgemeine Wehrpflicht eingeführt, die nur durch Zwangsrekrutierungen durchgesetzt werden kann. Diese treffen nicht nur 18jährige, sondern auch weit jüngere Jugendliche. Die internationale Coalition to Stop the Use of Child Soldiers berichtet in ihrem Länderbericht Angola, dass die Truppen der UNITA zu mehr als 15% aus Kindersoldaten bestehen. Rekrutiert werden schon 13Jährige. Es gibt ausserdem Berichte, dass die UNITA Flüchtlinge aus Ruanda, die nach Angola in von der UNITA kontrollierte Gebiete flüchteten, zwangsrekrutierte. Vertrauliche Quellen berichten über ungefähr 2000 Kindersoldaten auf Seiten der MPLA-Regierung.

Zaghafte Ansätze einer Friedensbewegung

Rafael Marques, einer der engagiertesten FriedensaktivistInnen in Angola, macht für das Scheitern der verschiedenen Friedensvereinbarungen – von Alvor 1974 über Bicesse 1991 bis hin zum Lusaka-Protokoll von 1994 – den Ausschluss der Zivilgesellschaft verantwortlich. Alle diese Vereinbarungen wurden nur von denen geschlossen und kontrolliert, die erhebliche ökonomische und politische Interessen an diesem Konflikt hatten. "Man fragt sich, wie Portugal, die USA und Russland plötzlich alle nun an der friedlichen Koexistenz aller AngolanerInnen interessiert sein konnten? Diese Länder, die immer die wichtigsten Förderer des Krieges in Angola waren und das Land mit Waffen, Söldnern, Geld und was sonst noch für das Gemetzel benötigt wurde überflutetet hatten. Die angolanische Zivilgesellschaft weiss wenig bis nichts über das, was bei den verschiedenen Friedensprozessen wirklich diskutiert wurde. Alle an den Friedensgesprächen beteiligten Parteien haben die Notwendigkeit der Einbeziehung interner Vermittler immer bestritten: Einer dritten Partei respektabler AngolanerInnen, unabhängig von MPLA und UNITA, die bezeugen könnten, was für einen Deal ihre Krieg führenden Brüder aushandeln oder wo sie hineingeraten", so Rafael Marques in einer Rede vor dem British-Angola Forum im August 1999.

Einer durch den Krieg und die Repression sowohl der Regierung als auch der UNITA geschürten Atmosphäre der Angst zum Trotz hat eine Gruppe angolanischer Intellektueller im Juli 1999 das "Manifest für einen Frieden in Angola" veröffentlicht, das den Beginn von Friedensgesprächen unter Vermittlung der angolanischen Zivilgesellschaft fordert. "Warum sprengt die Zivilgesellschaft die Kette, nur die Rolle des Opfers zu spielen?" fragt Rafael Marques in der oben genannten Rede. Und er antwortet: "Weil es deutlicher und deutlicher wird, dass es keine militärische Lösung des Konfliktes gibt; noch wird die Entwaffnung der Armeen das Problem lösen. Was entwaffnet und demobilisiert werden muss, ist zu allererst die Mentalität der Kriegshetzer. Waffen können von denen, die sie benutzen wollen und die das Geld dazu haben, zu jeder Zeit beschafft werden. Doch ein friedfertiger und versöhnter Verstand mag Wege finden, um auf nur einer Seite die Waffen loszuwerden.

Und so wird der Ansatz der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft, den Konflikt über Sanktionen, Entwaffnung und andere Massnahmen zu lösen, als ein Spiel betrachtet, dass nicht zu irgendeiner Art anhaltenden Erfolges führen wird."

Verhaftung Rafael Marques‘

Als Folge der Veröffentlichung des Friedensmanifestes nahm die Repression zu. Rafael Marques wurde verhaftet, nach einigen Wochen wieder freigelassen, doch wegen "Verleumdung des Präsidenten" zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Gleichzeitig ist es ihm verboten, das Land zu verlassen sowie sich öffentlich zu äussern. Seit dem 24. Dezember letzten Jahres steht er ausserdem unter Hausarrest.

Wenn der Frieden in Angola eine Chance haben soll, so ist eine Unterstützung der angolanischen Friedensbewegung unbedingt notwendig. Eine Unterstützung aber, die nicht nur auf die Vorgänge in Angola selbst schielt, sondern die Machenschaften der Regierungen und der multinationalen Konzerne in den Blick nimmt, die im eigenen Gewinn- und Machtinteresse diesen Krieg weiter fördern und die Krieg führenden Seiten mit Geld und Waffen versorgen. Damit die angolanische Zivilgesellschaft ihre Macht entfalten kann, muss den Kriegsherren die Unterstützung des Auslandes entzogen werden.

* Andreas Speck ist Vorstandsmitglied der War Resisters' International mit Sitz in London und lebt in Oldenburg.

Kontakte

War Resisters' International, 5 Caledonian Road, London N1 9DX, Grossbritannien, Tel.: +44-20-72784040, Fax: +44-20-72780444. Mail: warresisters@gn.apc.org Net: www.gn.apc.org/warresisters/de

Angolanische Antimilitaristische Menschenrechtsinitiative (I.A.A.D.H.), c/o Antirassistische Initiative, Yorckstraße 59, 10965 Berlin, Tel.: 030-7857281, Fax: 030-7869984. Mail: ari@ipn.de. Net: www.snafu.de/˜usp/iaadh.htm

Manifesto para Paz em Angola, GARP (Grupo Angolano de Reflexão para a Paz), C.P. 6095 Luanda, Repúplica de Angola. Fax: +244-2-340409 oder 394865. E-mail: fivilopes@hotmail.com oder dantonzi@ebonet.net

The Case of Rafael Marques

www.soros.org/whats_new/rafael/


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