Die internationale Medienintervention im ehemaligen Jugoslawien

Von Roland Brunner*

Was uns Bosnien gelehrt hat…

• Nationalistische Medien unter Kontrolle der staatlichen Herrschaft, der herrschenden Parteien oder machtnaher Organisationen und Personen haben für den Konfliktverlauf in der ganzen Region und auf allen Seiten eine wichtige und verheerende Rolle gespielt.

• Seit Beginn der Konflikte gibt es lokale Medien, die sich dem ethno-nationalistischen Wahn mit professioneller Berichterstattung widersetzt haben. Diese unabhängigen und professionellen Medien sind Teil des gesellschaftlichen Widerstandes gegen den Krieg und gegen die Kriegsherren an der Macht.

• Die im Dayton-Abkommen fest geschriebene Dreiteilung Bosniens entlang ethnischer Kategorien wiederholte sich mit internationaler Unterstützung in Form von drei völlig voneinander abgeschotteten medialen Kommunikationsräumen.

• Die internationale Unterstützung für Medien nach Unterzeichnung des Dayton-Abkommens war sehr umfangreich, aber konzeptlos. Dadurch nahm zwar die Zahl der Medien zu, nicht aber ihre Professionalität, ihre Verbreitung und ihr Einfluss.

• Die grenzüberschreitenden Medienprojekte wurden zwar mit Millionenbeträgen lanciert (OBN/TVIN mit 10 Mio. US-Dollar, FERN mit 2 Mio. DM), aber weder fachlich noch konzeptionell durchdacht und konnten deshalb die Abschottung der Föderationsgebiete kaum durchbrechen.

• Riesige Medieninvestitionen wurden statt als langfristige Projekte im Rahmen einer klaren Strategie als kurzfristige Initiativen mit unmittelbaren Absichten getätigt. OBN/ TVIN z.B. ging eine Woche vor den Wahlen endlich auf Sendung – und hatte entsprechend keinen Einfluss auf die Wahlresultate.

• Allein im Wahljahr 1996 investierten die amerikanische Entwicklungshilfebehörde USAID 4 Mio. US-Dollar, die EU 3 Mio. US-Dollar und die Soros-Stiftung 2,3 Mio. US-Dollar im Medienbereich – ohne dass damit wirklich etwas erreicht worden wäre. Der weitaus grösste Teil dieser Gelder wurde für ehrgeizige und grössenwahnsinnige Top-Down-Projekte (d.h. von oben nach unten verordnete Projekte) verschleudert, die von internationalen "ExpertInnen" "implementiert" wurden. Die Soros-Stiftung zog sich denn auch aus dem OBN/TVIN-Projekt zurück, als klar wurde, dass dieses Projekt gegen alle Grundsätze partnerschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit verstösst.

• Bosnien wurde zum Labor und Testgelände für westliche "ExpertInnen" und Organisationen. Ein wichtiger Teil der internationalen Unterstützung war als Ausbildung für JournalistInnen konzipiert. Dabei wurden häufig Lektionen erteilt, die kaum in die lokalen Gegebenheiten passten, nicht umsetzbar waren und mehr Frustrationen als Ermutigung bewirkten. Profitiert davon haben allenfalls die "ExpertInnen" und die im Westen angeheuerten "SpezialistInnen", die fürstliche Gehälter bezogen.

• Gutes Geld und guter Wille genügen aber nicht, um gute Arbeit zu tun. ExpertInnen, die noch nie vorher im Land waren, die Sprache, Mentalität, Tradition usw. nicht kennen, können kaum einen sinnvollen Beitrag zur Stärkung unabhängigen und professionellen Medienschaffens leisten – oder höchstens in beratender Funktion bei bestehenden lokalen Medien, sicher aber nicht als Chefredaktoren oder Verlagsleiter.

• Nach Abzug der internationalen Hilfskolonnen und Medientrosse blieben die lokalen Gesellschaften und ihre Medien zurück. Die Frage stellt sich, wieviel sie aus all den internationalen Investitionen profitiert haben. Die Bilanz ist ernüchternd. Für viele lokale Medien hat die internationale "Hilfe" mehr Probleme als Entwicklung gebracht (Abwerben von JournalistInnen für gutes Geld bei internationalen Projekten usw.).

...und was für Kosov@ gelernt werden muss

• Im Kosov@ wiederholt sich die gleiche Leidensgeschichte, obwohl doch alle von den "Lessons learned" sprechen. Der internationale Wanderzirkus zog von Bosnien nach Kosov@ weiter und dazu kamen viele, die noch gar nie in der Gegend waren. Was in Bosnien aber allenfalls gelernt wurde, muss nicht einfach auch im Kosov@ richtig sein.

• Die UNO errichtet und betreibt ihr Radio (Blue Sky), die OSZE verfolgt ihr Projekt (RTK), die lokalen KFOR-Kommandos betreiben und unterstützen ihre Stationen, die USA und Frankreich finanziert lokale Stationen, die unter UÇK-Kontrolle stehen...

• Von "Radio Brod" vor der kroatischen Küste bis zu "Radio Blue Sky" im Kosov@ wurden Projekte betrieben, die einzig der westlichen Befindlichkeit entsprachen, das schlechte Gewissen zu entlasten und westliche "ExpertInnen" mit Topgehältern zu beschäftigen. Eric Lehman, Direktor des Schweizer Fernsehens SRG, wurde als Generaldirektor von RTK (Radio und Fernsehen) eingesetzt, die Schweizerin Therese Obrecht erhielt den Posten als Managerin und Chefredaktorin von "Radio Blue Sky" und ist inzwischen ebenfalls bei RTK gelandet. Beide kassieren Gehälter ab, die rund 20mal über den ortsüblichen Löhnen liegen.

• Radio Blue Sky, betrieben von der Schweizer Stiftung Hirondelle und finanziert von der Schweizer Regierung, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte: Leute ohne irgendwelche Ländererfahrung, keine Ahnung über die bestehende Medienlandschaft, kein klares Konzept für die Sendestruktur... Innert eines Jahres wurden rund 2,5 Mio. DM in den Sand gesetzt. Alle Untersuchungen zeigen, dass Blue Sky nicht gehört wird und dass die Qualität der Station als äusserst schlecht eingeschätzt wird. Heute wird Blue Sky sang- und klanglos in Radio RTK integriert, wobei in dieser Fusion der gesündere Patient an der Infektion des Toten zugrunde zu gehen droht.

• Im Kosov@ bestanden und bestehen immer noch einige professionelle unabhängige Medien im Print- und elektronischen Bereich. Diese Medienschaffenden haben seit Mitte der 90er-Jahre bewiesen, dass sie dem Ethnonationalismus Widerstand leisten und Professionalität wichtiger nehmen als die ethnische Zugehörigkeit.

*Roland Brunner ist Journalist und Mitarbeiter der Medienhilfe Ex-Jugoslawien. Die hier abgedruckten Thesen hat er anlässlich der Werkstatt Friedensjournalismus der Evangelischen Akademie Iserlohn im September 2000 präsentiert.

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