Immer unter "Stahlgewittern" — Kriegssprache

Von Nicole Billeter

Medien sind auf Krisen eingestellt, bis zu einem Viertel der Berichte beziehen sich auf Kriege und Katastrophen. Ob ein Krieg 'berichtenswert' erscheint, hängt vom Grad der Betroffenheit des eigenen Landes, von der Beteiligung mächtiger Staaten, von der kulturellen und politischen Nähe und von Visualisierungsmöglichkeiten ab. Je eindeutiger die Seiten eines Krieges sind, umso eher wird über ihn informiert. Medien stellen Krieg als solchen meist nicht in Frage: so scheint er als unvermeidliches Ereignis. Auch damit werden Medien zum Instrument von Propaganda.

Konsumartikel Krieg

Krieg muss konsumierbar sein, was zu kompliziert ist, wird weggelassen, und im klassischen Fall hat der Krieg zwei Seiten: die Gute und die Böse. Noch immer verharren wir in diesem Schema, die Medien spiegeln das wider. So berichten "wir" über "sie". Dass wir im Recht sind, versteht sich von selbst, denn alle MachthaberInnen müssen seit Jahrhunderten ihren Krieg als Gerechten Krieg darstellen, sonst finden sie keinen Rückhalt in den Bevölkerungen. Ob der Krieg nun 'gottgewollt' ist oder sich 'gegen Tyrannei' wendet, er scheint auf jeden Fall eine Notwendigkeit. Es muss den Medien sodann gelingen, Feindbilder zu verbreiten, zu verstärken oder herzustellen. Erstaunlicherweise funktioniert das mit einem einfachen Mittel: FeindInnen ist abwesend! Man beschränkt sich möglichst auf ein Symbol des Bösen, das die 'FeindInnen' repräsentiert. So wurde Sadam Hussein zum Beispiel zum einzigen Iraker, mit dem man sich im Golfkrieg ab 1991 auseinandersetzte; der Zweite Weltkrieg war der Krieg 'gegen Hitler', Deutsche haben nicht mitgemacht. Oder noch einfacher: man kämpft gegen eine Weltanschauung, ein politisches System oder eine Religionsgemeinschaft: dieser Faschismus, Terrorismus, Islamismus muss nun endlich verschwinden. Die Abwesenheit von menschlichen FeindInnen hilft der Mythifizierung und damit der Legalisierung eines Krieges. Die eigene Seite dagegen wird personifiziert. Vor allem militärische Führer werden als Personen gezeigt, und als Menschen erklären sie, was vor sich gegangen sein soll.

Sprachbilder

Metaphern eignen sich sehr als sprachliches Mittel, um den Krieg zu behandeln. Im Normalfall sind Metaphern Sprachbilder, die helfen, einen Sachverhalt zu erhellen — oder auch, ihn in Nebel zu hüllen. Einzelne Aspekte eines Sachverhaltes können durch sie hervorgehoben oder ausgeblendet werden.

Metaphern aus der Sportwelt sind stark verbreitet; wie auch über Sportereignisse in kriegerischem Tonfall berichtet wird. Im Kriegsfall wird mit diesen Bildern suggeriert, dass es sich bei dem 'Anlass' um eine faire 'Auseinandersetzung' handelt, in der eigentlich auch niemand zu Schaden kommt. Anfang und Ende scheinen genau festgelegt, und nach dem Ende des 'Spiels' dreht sich die Welt ruhig weiter. Gebräuchlich sind auch Ausdrücke aus vergangenen Zeiten: tapfere und ehrenwerte Ritter scheinen da 'Schlag' und 'Gegenschlag' zu verteilen: ein ehrlicher Zweikampf ist im Gange.

Ein weiteres beliebtes Feld, das für die Beschreibung von Kriegszuständen herhalten muss, ist die Technik. In der 'Kriegsmaschinerie' wird der Mensch als einzig handelndes Subjekt zum ausgelieferten Objekt. Sein Leiden wird ausgeblendet, er wird einfach 'ausgeschaltet'. Taucht dieser Ausdruck in den Medien auf, ist es unklar, ob hier menschliches Leben getötet, verletzt oder gefangen genommen wurde. Letztlich scheint es keine Rolle zu spielen, auf jeden Fall ist er 'ausgeschieden'…

Die Natur spielt als Lieferantin von Sprachbildern ebenfalls eine grosse Rolle: angebliche Unvermeidlichkeit und Natürlichkeit des Krieges wird so suggeriert. Wer kann sich dem 'Ausbruch' eines Vulkans in den Weg stellen, wen überraschen nicht die 'Fluten', und wer vermag ein Gewitter zu stoppen? Der 2. Golfkrieg begann in der westlichen Welt fristgemäss mit der Übertragung des CNN-Reporters, der seinen Bericht so begann: "Es geht los! Blitze zucken über den nächtlichen Himmel der irakischen Hauptstadt." Ein unabwendbares Gewitter in einer warmen Nacht, das jedoch pünktlich beginnt: Füsse hochlegen, es fängt an!

Metaphern haben in der Kriegssprache keinerlei erhellende Funktion, sie dienen in Kriegsberichterstattungen nur der Verhüllung und der Klischierung der Realität. Die so klinisch-saubere, gesundheitsfördernde und natürlich-starke "Operation Wüstensturm" ist ein cleveres Beispiel dafür, wie uns buchstäblich Sand in die Augen gestreut wurde!

So laufen Kriege vor unser aller Augen ab und sich doch nicht zu erkennen. Das ist nicht nur eine Frage der Zensur, sondern auch eine des medialen Zusammengehens von scheinbar authentischen Bildern und schnellen, verwaschenen, auf Aktion getrimmten Wörtern. Jeder Krieg hat sein eigenes Vokabular, es erleichtert die Kommunikation, und er wird damit konsumierbar gemacht.


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