Vor der palästinensischen Stadt Nablus auf dem Weg nach dem historischen Sabastia werden der Fahrer unserer Partnerinnenorganisation Union of Palestinian Medical Relief Committees und ich von israelischen Soldaten wegen harten Auseinandersetzungen mit Palästinensern auf den Strassen von Nablus zur Umkehr gezwungen. Auf Umwegen über kleine Strassen kommen wir schliesslich doch ans Ziel. Die mobile Klinik wird heute im Hause des Sabastia Charity Committee durchgeführt. Sabastia ist eine arme Gegend mit 9 Dörfern, in denen ungefähr 50 000, meist arme Leute leben.
Im einzigen Ambulatorium hier, wo auch Zahnbehandlungen durchgeführt werden, gibt es wenig Instrumente. Leute stehen Schlange, der Warteraum ist voll von Menschen.
Vor vier Tagen wurde in verschiedenen Medien informiert, dass die mobile Klinik vorbeikomme. Deshalb sind auch Leute aus Nablus gekommen. Wie herbeigezaubert sind die Gänge und der Vorraum plötzlich mit PatientInnen angefüllt. Sie werden von arabisch-palästinensischen und neuen ÄrztInnen aus Tel Aviv behandelt. Es ist eigentlich keine Selbstverständlichkeit für die PatientInnen, sich in die Hände von israelischen ÄrztInnen zu begeben. Doch der palästinensische Arzt Dr. Ibrahim meint: "Wir sind in erster Linie Ärzte, menschliche Wesen. Da spielt die Nationalität keine Rolle." Viele Leute können hier Englisch, ein paar Deutsch. Das zeigt, dass die Menschen hier eine hohe Bildung besitzen. Ein Patient, der seit vielen Jahren Herz-Probleme hat, erklärt sein Leiden mit dem täglichen Stress, unter welchem die palästinensischen Menschen infolge der unsicheren politischen und wirtschaftlichen Situation im "Friedensprozess" stehen.
Dr. Jihad Bishara, ein Arzt für Innere Medizin, studiert aufmerksam die Papiere eines Patienten. Dieser kommt in Begleitung zweier Frauen, eine ist seine Mutter, die andere seine Frau. Vermutlich hat er Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Atemwegen. Eine zweite Patientin hat einen hohen Blutdruck. Sie zeigt ihre Beine. Der Arzt kann nichts feststellen, ausser Übergewicht. Er rät ihr abzunehmen, was bei den Anwesenden Gelächter auslöst.
Insgesamt werden heute über hundert PatientInnen von MedizinerInnen verschiedener Fachrichtungen behandelt. Auf den Neurologen, der heute nicht kommen konnte, warten über 40 Personen vergebens.
Es sind vor allem arabische Ärztinnen aus Israel hier aber nicht nur. Palästinensische und israelische Fachleute arbeiten zusammen. Die PatientInnen nehmen die Situation als beinahe selbstverständlich hin. Und: Sie brauchen diese Hilfe.
Dr. Arie Metzger beispielsweise ist einer der bedeutendsten Dermatologen für Kinder in Israel, der in Zürich Medizin studiert hat. Der humorvolle Mann gibt einen Teil seiner Freizeit für die Behandlung in der Mobilen Klinik her.
Die Stimmung ist gut, gelöst, obwohl seine PatientInnen wissen, dass sie von einem Juden untersucht werden. Nichts ist von Krieg und Hass spürbar, es herrscht fast ein Klima der Selbstverständlichkeit ein Stück gelebter Friede im Alltag.
Vor zirka acht Jahren wurde aus der Schweiz mit der finanziellen Unterstützung der Physicians for Human Rights begonnen, zunächst aus dem Nachlass von Els Goldstein. Seit Jahren unterstützt die Centrale Sanitaire Suisse, CSS, die mobile Klinik der Physicians for Human Rights, PHR, mit Sitz in Tel Aviv.
* Jochi Weil ist Mitarbeiter der Regionalsektion der deutschsprachigen Schweiz von CSS (Centrale Sanitaire Suisse).Inhaltsübersicht | nächster Artikel |