Wer in den letzten Jahren grundsätzliche Debatten in der Friedensbewegung vermisst hat, müsste nun zufrieden sein: Über Sinn oder Unsinn eines friedenspolitischen Referendums gegen die Revision des Militärgesetzes hat sich eine heftige Diskussion entsponnen, welche sehr unterschiedliche politische und ideologische Ebenen anspricht.
Von der RedaktionAuf der einen Seite steht der Schweizerische Friedensrat SFR, der gemeinsam mit ExponentInnen der Umverteilungsinitiative, der SP, der Grünen und anderen die Ergreifung des Referendums ablehnt. Auf der anderen Seite stehen (wiederum mit Einzelpersonen) die GSoA, der cfd sowie ebenfalls einige VertreterInnen der SP und der Grünen.
Schön, wenn debattiert wird! Die Gespräche waren zwar manchmal ein wenig unfreundlich, von Polemik geprägt und zeitweise wenig konstruktiv; trotzdem hat man nie aufgehört miteinander zu reden.
Seit dem Artikel von Andreas Hostettler in der FriZ vom Dezember 1999, in dem er die Position des SFR schilderte und auf den Nico Lutz von der GSoA reagierte (FriZ 2/00), sind die Diskussionen weitergegangen. Klar ist heute, dass die GSoA mit den genannten "MitstreiterInnen" das Referendum ergreifen wird (die entscheidende Vollversammlung findet am 8. Oktober 2000 statt, also nach Redaktionsschluss dieser FriZ). Ebenso klar ist, dass der SFR nicht bei diesem Referendum mitmachen wird.
Nachstehend die wichtigsten unterschiedlichen Positionen (unvollständig und ohne den Anspruch, dass die Aussagen der Haltung der einen oder anderen obengenannten Organisation genau entsprechen):
Solidarität: Die Schweiz muss zur Lösung von Konflikten beitragen; das Konzept der kollektiven Sicherheit ist nicht per se schlecht. Beim Gesetzestext handelt es sich nicht um einen Blankocheck für Militäreinsätze jeglicher Art. Auch wenn das Parlament nicht alle von uns geforderten Einschränkungen aufgenommen hat, so ist es mehr als unwahrscheinlich, dass die Schweiz bei NATO-Einsätzen wie in Kosov@ künftig mitmacht. Solche NATO-Interventionen sind an sich in Zukunft eher unwahrscheinlich.
Bewaffnung: Die Beendigung von Konflikten kann nicht immer gewaltlos geschehen; die internationale Gemeinschaft muss unter gewissen Umständen (bei massiven Menschenrechtsverletzungen oder einem Genozid) mit militärischer Gewalt einschreiten sie darf nicht abseits stehen und zuschauen. Das gilt für alle, auch für die Schweiz. Die Haltung, die militärischen Aufgaben den anderen zu überlassen, und sich auf rein zivile, unbewaffnete Einsätze zu beschränken, ist unsolidarisch. Der Pazifismus war zudem nie absolut gewaltlos.
Nichts gewonnen: Sollte die Revision des Militärgesetzes wegen des Referendums abgelehnt werden, gilt weiterhin das alte Militärgesetz, das nicht nur bezüglich der Auslandseinsätze in ziemlich allen Bereichen schlechter ist. Sinnvolle Reformen, wie die Verkürzung der Dienstpflicht, werden damit aufgeschoben.
Unheilige Allianz: Auch wenn dies kein Referendum zusammen mit der AUNS sein wird, bleibt die Tatsache, dass dies nach aussen so erscheinen wird. Wir verhelfen der AUNS zu mehr Stimmen. Unsere Argumente werden in der heutigen Medienlandschaft nicht durchdringen.
Backlash: Wenn sich die AUNS-Argumentation durchsetzt und mit den Referenden erhält sie dazu die Plattform wird eine Reform des Militärgesetzes, vor allem aber auch der Sicherheitspolitik, in unserem Sinne viel unwahrscheinlicher. Die Igelmentalität wird triumphieren.
Friedensprogramme statt Kriegseinsätze: Es geht um einen aussenpolitischen Richtungsentscheid. Der solidarische Beitrag der Schweiz zur Konfliktbearbeitung muss mit zivilen Mitteln geleistet werden. Vor allem hier herrscht grosser Handlungs- und Finanzierungsbedarf und nicht bei den militärischen Lösungen.
Keine Friedenserzwingung: Auch die Anbindung an ein UNO-/OSZE-Mandat bietet angesichts der realen Machtverhältnisse keine Gewähr dafür, dass Schweizer Soldaten zukünftig nicht doch im Interesse der NATO eingesetzt werden. Erst ein Verzicht auf die Beteiligung an friedenserzwingenden Operationen im Gesetz würde den Handlungsspielraum der Militärs einschränken.
Keine Legitimationshilfe: Die Auslandseinsätze dienen einer neuen Legitimation der Schweizer Armee, da ihr die Aufgaben im Inland ausgehen.
Gegen Nachrüstung: Die Beteiligung der Schweiz an Auslandseinsätzen insbesondere an friedenserzwingenden bedarf einer entsprechenden Ausrüstung: die Anschaffung von neuem, international kompatiblem Kriegsmaterial ist die Folge.
AUNS: Auch wenn die AUNS ebenfalls das Referendum ergreift, ist dies kein Grund, deswegen keines zu ergreifen. Im Gegenteil: Mit dem friedenspolitischen Referendum ermöglichen wir erst eine breite Diskussion der Stossrichtung, in welche das VBS mit der Revision gehen will. Wir haben dann die Chance, eine andere Aussenpolitik zu diskutieren und zivile Alternativen der Konfliktbeilegung aufzuzeigen.
Die FriZ ist davon überzeugt, dass in der Friedensbewegung diese grundsätzliche Debatte darüber, was unter "Kollektiver Sicherheit" und "Internationaler Solidarität in der Konfliktbeilegung" zu verstehen ist, geführt werden muss. Die Diskussion fand zwar schon bei der Blauhelm-Vorlage mindestens ebenso "heiss" statt, doch haben wir heute ein anderes innen- und aussenpolitisches Umfeld und andere Erfahrungshintergründe als damals. Oder nicht?
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